Scharfe Kritik an Berichterstattung: Anwälte von Till Lindemann kündigen rechtliche Schritte an

Bild: Julien Damelet, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Till Lindemann wehrt sich – endlich, kann man sagen. Man mag zur Musik von Rammstein stehen wie man will, doch die mediale Hetzkampagne gegen den 60-jährigen Musiker und Autor sollte gerade kritische Mitbürger eigentlich abstoßen. Denn: Wir kennen das Schema. Lindemanns Anwälte kündigten nun in einem Statement an, nicht nur gegen jene Personen rechtliche Schritte einzuleiten, die die Anschuldigungen erhoben haben (welche klar zurückgewiesen werden), sondern auch gegen die Medien, die eine ausgewogene und objektive Berichterstattung nicht für nötig hielten.

Ein Kommentar von Vanessa Renner

„In den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram, Twitter und bei YouTube, wurden von diversen Frauen schwerwiegende Vorwürfe zulasten unseres Mandanten erhoben“, heißt es in der Presseerklärung der bekannten Rechtsanwälte Schertz und Bergmann. Und weiter: „So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von ‚Rammstein‘ mithilfe von K.O.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr. Wir werden wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten.“

Damit endet die Erklärung aber nicht. Stattdessen geht man auf die Medien ein, die die Vorwürfe im Zuge einer nach Ansicht der Juristen „unzulässigen Verdachtsberichterstattung“ weiterverbreitet haben:

So wurde nicht nur versäumt, hinreichend Beweistatsachen zu recherchieren und zusammenzutragen, sondern zudem auch gegen die Vorgabe verstoßen, ausgewogen und objektiv zu berichten. In fast allen Fällen fand eine nachhaltige Vorverurteilung zulasten unseres Mandanten statt, was im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung unzulässig ist. Schließlich wurde wiederholt versäumt, eine Stellungnahme unseres Mandanten einzuholen. Soweit gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verstoßen wurde, werden wir auch hiergegen für unseren Mandanten umgehend rechtlich vorgehen.

Presseerklärung zu Till Lindemann (Hervorhebungen durch Redaktion)

Egal, was man von Rammstein, Till Lindemann und von den Vorwürfen gegen ihn hält: Diese Feststellungen sind korrekt. Denn für den Mainstream ist der Mann von der ersten Sekunde an schuldig gewesen. Und man hat sich auffällig bemüht, daran wenig Zweifel aufkommen zu lassen. (Ob sich das nun in Anbetracht drohender Konsequenzen ändern wird, wird sich zeigen – es sieht aktuell wenig danach aus; so wird die Unschuldsvermutung bei Lindemann etwa in einem aktuellen Welt-Artikel kurzerhand als „Kokolores“ abgetan.)

#MeToo – über jeden Zweifel erhaben?

Das Absurdeste dabei ist, dass es auf so fruchtbaren Boden fiel und fällt. Jeder kann und darf sich zu den Anschuldigungen seine Meinung bilden, aber man muss sich schon wundern, wie schnell mitunter auch solche Menschen zu virtuellen Henkern mutieren, die sich in den vergangenen Jahren durch Covid und Co. eine gewisse Medienkompetenz angeeignet haben (sollten).

Warum eigentlich? Warum hinterfragt man zu Recht reißerische Berichte zu vermeintlich rechtsradikalen Corona-Leugnern, nicht aber die Hetzkampagne gegen einen Musiker, die auf bloßen unbestätigten Vorwürfen beruht? Weil er „keiner von uns“ ist? Weil man seine Texte anstößig findet? Nie einen Psychothriller gelesen, nie einen Horrorfilm gesehen? Alles automatisch Psychopathen, die es wagen, das Hässliche und Widerliche im Leben anzusprechen – und alles Psychopathen, die es lesen und ansehen?

Peter Tägtgren: Du bist einfach total kaputt.
Till Lindemann: Ich bin nicht kaputt. Die Welt ist kaputt. Meine Texte sind nur eine Reflexion davon.
Peter Tägtgren: Manchmal kommt Till zu mir und fragt: „Kann ich das singen?“ Und ich so: „Nein, nein, auf keinen Fall.“ Aber dann macht er es trotzdem. Aber das ist meistens einfach etwas, das raus muss. Wir sind ehrliche Typen.
Till Lindemann: Ein Beispiel: Als wir für das Album „Skills in Pills“ das Lied „Praise Abort“ („Lobe die Abtreibung“, Anm. d. R.) geschrieben haben, ging es darum, in einer christlichen Gesellschaft über Abtreibung zu singen, einfach weil es etwas ist, das stattfindet. Auch wenn du über Kindesmissbrauch singst, ist das keine Provokation, sondern die Wahrheit. Diese Dinge passieren in der Welt, und die Menschen müssen damit umgehen. Am Ende denke ich gar nicht so viel darüber nach. Ich bin froh, wenn ich der Musik Texte hinzufügen kann. Wenn das einige Menschen zum Denken anregt, ist das gut.

Aus einem Welt-Interview mit Lindemann und seinem ehemaligen Kollegen Tägtgren aus 2019

Wo kommen wir denn hin, wenn wir jedem, den wir nicht mögen, bereitwillig strafbare Handlungen unterstellen? Man darf es abstoßend finden, wenn ein Musiker Sex mit Groupies hat, man kann hinterfragen, ob bei Aftershow-Partys stets alles mit rechten Dingen zugeht und in Anbetracht dessen seine Töchter gescheit erziehen, aber Vorverurteilungen kollidieren nicht nur mit dem Pressekodex, sie sind auch menschlich durchaus fragwürdig.

Die #MeToo-Bewegung steht seit jeher in der Kritik, weil ihre Dynamik sehr leicht ausgenutzt werden kann. Diese Kritik ist wichtig – einerseits, weil falsche Anschuldigungen Karrieren und Leben zerstören können, andererseits aber auch, weil geltungssüchtige Lügnerinnen echten Missbrauchsopfern und deren Glaubwürdigkeit mit ihrem Verhalten veritablen Schaden zufügen. Es ist eben nicht so, dass alles automatisch wahr ist, was eine Gruppe von (hauptsächlich anonymen) Frauen behauptet. Sicher, es ist auch nicht automatisch falsch. In keinem Fall ist es aber an den Medien, das zu beurteilen und sich zum Richter aufzuspielen – diese Arbeit sollen die dafür zuständigen Behörden übernehmen. Auf Basis von Beweisen. Nicht auf Basis von Stimmungsmache.

Fragwürdige Hintergründe

Man muss sich fragen: Wie ernsthaft haben Medien die Vorwürfe gegen Lindemann recherchiert? Haben sie all die Äußerungen und Informationen von und zu der Irin Shelby Lynn in den sozialen Netzen gesichtet (mittlerweile existieren erste Sammlungen – etwa hier), aus denen beispielsweise hervorging, dass die junge Dame vor dem Konzert scheinbar abrupt ihre Psychopharmaka absetzte, um Alkohol konsumieren zu können (ungeachtet dessen, dass Antidepressiva so nicht wirken)? Die auffällige Widersprüche in ihrer sich stetig ändernden Geschichte zutage brachten – belegt durch Videos und dieses Interview mit einer anderen jungen Frau, die bei besagtem Konzert in Vilnius nachweislich in der gefürchteten „Row Zero“ war?

Haben sie die anderen Videos und Postings der sogenannten Influencerin „Kayla Shyx“ gesichtet, die zeitnah auf den Zug aufgesprungen ist? Man muss sich gar nicht auf das Niveau herabbegeben, die Aufmachung und das Gebaren der jungen Frau zu kommentieren – es reicht, wenn man feststellt, dass sie kurz nach ihrem angeblich sehr traumatisierenden Rammstein-Erlebnis noch auf Instagram erwähnte, wie „auch schön“ das Konzert gewesen sei. Freilich, vielleicht gibt es dafür andere Erklärungen, aber wer sich bei seiner Berichterstattung rein auf solche „Zeugen“ stützt, sollte vorsichtig mit vorschnellen Urteilen sein. Es ist nicht unmoralisch, jene Dinge anzusprechen, die das Narrativ vom Großen Bösen Wolf womöglich in Zweifel ziehen könnten, es ist unmoralisch, es nicht zu tun. Die Wahrheit wird sich am Ende schon durchsetzen.

Wozu?

Wenige Medien waren zumindest so fair, auch einzelne positive Berichte von anderen Fans über die fraglichen Partys zu publizieren. Davon gibt es in den sozialen Netzen übrigens zahlreiche. Es ist sicherlich nicht an uns, zu beurteilen, ob die Anschuldigungen gegen den Musiker nun in welchem Ausmaß wahr oder falsch sind, aber man darf (und muss) die Art und Weise, wie die Medien Kapital aus der Geschichte schlagen, anprangern.

Wie viele personelle Kapazitäten wurden in den vergangenen Tagen für die Lindemann-Berichterstattung eingesetzt? Wofür eigentlich? Wozu Rammstein-Artikel im Dauerfeuer? Hat die Bevölkerung wirklich auf triumphale Schlagzeilen à la „Rammstein lässt die Peniskanone weg“ (ntv) gewartet? Hat Deutschland keine anderen Probleme mehr? Ist man vielleicht ganz froh, einen unliebsamen, nicht ausreichend „woken“ Musiker kreuzigen zu können, anstatt das stetige Politikversagen thematisieren zu müssen? Macht es den Verantwortlichen womöglich einfach Spaß, fehlende Fakten wahlweise durch emotionalisierende Prosa oder gezielte Weglassungen wettzumachen, um den gewünschten Eindruck beim Leser zu erwecken? Ein Beispiel von vielen lieferte jüngst der RBB in einem Artikel vom 8. Juni:

Nur die Penis-Kanone, auf der Till Lindemann sonst reitet, fehlt an diesem Abend. Und was noch fehlt: Ein Statement von Till Lindemann. Kein Wort zu den Vorwürfen. Nur bei der Zeile „Ich will, dass ihr mir vertraut. Ich will, dass ihr mir glaubt“ lacht Lindemann kurz. Warum, bleibt sein Geheimnis.

RBB

Nein, lieber RBB, das war zu keiner Sekunde sein Geheimnis, denn bei eben diesen Textzeilen ging ein gewaltiger Jubel durchs Publikum – ganz offensichtlich eine Art der anwesenden Fans, der Band (und speziell Lindemann) ihre Unterstützung zu demonstrieren. Das scheint den 60-Jährigen gerührt zu haben: In den sozialen Netzen wird sein Lachen von Besuchern des Konzerts als „befreit“ beschrieben, sein Blick als „dankbar“. Warum wohl lässt man diese Information weg?

Die „Causa Lindemann“ spaltet die Deutschen in den vergangenen Tagen tatsächlich wie kaum ein anderes Thema: In Kommentarspalten prügelt man verbal fast ähnlich niveauvoll auf sich ein wie zu Hochphasen des Impfzwangs. Traurig, denn eigentlich ist Kunst – und ganz besonders Musik – etwas, das viele Gräben überbrücken kann, weil es uns an das erinnert, was uns eint. Die Rammstein-Fangemeinde ist gigantisch und entsprechend heterogen, und trotzdem kommen Menschen wunderbar miteinander aus, wenn sie sich auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen. Wie schön ist es da für Hass- und Hetzmedien, diese Gemeinsamkeit zu zerstören: Hass bringt Auflage, Krieg in der Kommentarspalte bringt Sichtbarkeit. Fakten werden wie so oft zur Nebensache. Doch auf wessen Kosten?

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