Über die TurkStream-Pipeline fließt russisches Erdgas über das Schwarze Meer in die Türkei und nach Südost-Europa. Immer wieder kommt es zu Sabotage-Versuchen. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis diese Pipeline das NordStream-Schicksal ereilt?
Die TurkStream-Pipeline hat zwar nicht die Kapazität der beiden NordStream-Pipelines, dennoch spielt sie in Bezug auf die Gasversorgung Europas eine wichtige Rolle. Denn nach wie vor erhält Südost-Europa (vor allem Serbien und Ungarn) darüber Erdgas aus Russland, während die Türkei etwa die Hälfte des gelieferten Gases erhält. Für die Energiesicherheit in der Region ist diese Pipeline unerlässlich. Im vergangenen Juli gab es einem Bericht zufolge sogar eine Rekordmenge an geliefertem Erdgas auf den Balkan.
Dennoch gibt es immer wieder Versuche des ukrainischen Militärs, die Pipeline zu beschädigen. Auch der ukrainische Energieminister, German Galuschenko, erklärte kürzlich in einem Interview, dass man die russische Energieinfrastruktur ins Visier nehme, weil dies „nur fair“ sei. Zwar ist Galuschenko kein Angehöriger des Militärs, dennoch ist er Mitglied des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates. Doch die Ukrainer würden solche Angriffe wohl kaum alleine durchziehen. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte im Oktober auf dem Treffen des Waldai-Diskussionsklubs, dass die Russen stets englischsprachige Funksprüche bei solchen Sabotageversuchen abfangen würden. In Moskau ist man sich offensichtlich bewusst darüber, dass auch die Angloamerikaner involviert sind.
Wie üblich übt sich die Geheimdienstgemeinschaft in dem, was als wichtige Aufgabe gilt: Desinformation. Wie auch Ex-CIA-Direktor John Brennan nach der Sprengung der NordStream-Pipelines behauptete, dass die Russen die anderen Pipelines „bald ebenfalls“ angreifen würden. Und das, obwohl es wahrscheinlich US-Spezialeinheiten oder aber von Washington bzw. London unterstützte ukrainische Spezialkräfte waren, welche die russischen Pipelines in der Ostsee sprengten.
Ein solcher Angriff auf TurkStream würde allerdings nicht nur die Gasversorgung des NATO-Partners Ungarn treffen, sondern auch jene der Türkei (die ebenfalls Teil des Militärbündnisses ist). Angesichts dessen, dass Ankara bis heute auf die Einhaltung des Vertrags von Montreux pocht und eine permanente Stationierung von NATO-Kriegsschiffen im Schwarzen Meer blockiert, könnten manche Kreise gewillt sein, eine Bestrafungsaktion durchzuführen. Immerhin gilt Erdogans Türkei als eine Art „bockiges, unfolgsames Kind“ in der NATO-Familie.
Da im Jahr 2014 die SouthStream-Pipeline von Russland nach Bulgarien (zur Versorgung Mitteleuropas) nach Interventionen von Washington und Brüssel ein Ende fand, ist TurkStream für die Energiesicherheit in der Region wichtig. Sollten die Ukrainer jedoch dafür sorgen, dass diese Pipeline zerstört wird, würde dies einen Keil zwischen Ankara und Kiew treiben und die ukrainische Führung einen wichtigen Verbündeten verlieren. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, weshalb die Pipeline bisher noch in Betrieb ist. Doch wie lange noch? Sollte ein Ende der westlichen Unterstützung absehbar sein und damit auch die Zeit für Verhandlungen mit Moskau kommen, wäre eine Politik der verbrannten Erde durchaus denkbar – mit der Pipeline als Teil des Rundumschlags.