Der MWGFD berichtet: Am 15. Juni 2023 vor dem Landgericht Erfurt begann ein Prozess von außerordentlicher Wichtigkeit, denn dieser könnte darüber entscheiden, ob dieses Land künftig noch unabhängige und unerschrockene Richter haben wird. Vor zwei Jahren wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Richter aus Weimar, Christian Dettmar, eingeleitet. Er muss sich dem Vorwurf der Rechtsbeugung aussetzen. Mag es daran liegen, dass er nicht gemütlich im Gleichklang der Rechtsprechung mitschwang, sondern rechtliche Kritik an den Corona-Maßnahmen übte?
vom MWGFD-Presseteam; Autorin Claudia Jaworski; erschienen am 20. Juni 2023
Während die Mehrheit bei der an unseren Kindern praktizierten Corona-Maßnahmen-Orgie oberflächlich und uniformiert wegsah, leitete der Weimarer Richter aufgrund von „Gefahr im Verzug“ sowie auf der Grundlage von gestellten Anträgen ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung (nach § 1666 BGB) gegen eine Schule ein. Öffentliche Verwaltungsträger wie Schulen sind entgegen der Behauptung des Bundesgerichtshofs, die der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit diametral entgegensteht, sehr wohl als Dritte zur Verantwortung zu ziehen. In einer Zeit des großen Schweigens ist er damit verhaltensauffällig geworden. Der Familienrichter, der auch dreifacher Vater ist, wagte es also – wie es eigentlich nicht anders von ihm erwartet wird -, von seinem kritischen Urteilsvermögen Gebrauch zu machen. Er ist also nicht anders verfahren wie auch sonst in seiner 27-jährigen familienrichterlichen Tätigkeit.
Was jedoch anders war bzw. anders wehte, war der Zeitgeist. Es waren die kinderfeindlichsten Jahre der Geschichte, daran ist nicht mehr zu rütteln. Denn das erste Mal in der Geschichte wurde der Schutz von Kindern in einen Schutz vor Kindern pervertiert, wie auch der Historiker Michael Hüter diagnostiziert. Zu dieser Verunglimpfung unserer Schutzbefohlenen hat gerade die Justiz maßgeblich beigetragen. Denn von Beginn an war bekannt, dass Kinder bei der Übertragung des Virus eine vernachlässigbare Rolle spielen. Falls die Justiz überhaupt noch eine Chance hat, das eigene Armutszeugnis wieder aufzupolieren, ist ihr dringlichst im Interesse der eigenen Daseinsberechtigung zu raten, sich an der von Christian Dettmar konstatierten Gefährdung des Kindeswohls ein Beispiel zu nehmen oder sich zumindest in maximaler Zurückhaltung zu üben.
Es wäre zumindest eine Gelegenheit, sich nun außerhalb des Panik- und Angstmodus wieder die basalen Fähigkeiten von Sehen, Hören und Erkennen in Erinnerung zu rufen. Zumindest jetzt im Nachhinein sollte auffallen, dass die Fragen, die der Familienrichter in dieser Zeit stellte, keine verbotenen Fragen, sondern die einzig wirklich gebotenen waren.
Wie gefährdet waren Kinder und Jugendliche durch die Pandemie tatsächlich? Konnte eine eventuelle pandemiebedingte Gefährdung der Kinder durch die Masken und die übrigen Maßnahmen verringert oder beseitigt werden? Welche Schäden waren umgekehrt durch die Maßnahmen zu befürchten? Was überwiegt: die Vorteile oder die Nachteile der Maßnahmen?
Sich diese Frage nicht zu stellen, zeugt hingegen von einer Verhaltensauffälligkeit sondergleichen und entblößt die derzeitige geistige Verfasstheit der Justiz. Wir haben anscheinend eine Justiz, die zwischen Ursache und Wirkung nicht mehr zu unterscheiden weiß: im Porzellanladen scheppert und klirrt es an allen Ecken und Enden – doch nicht nach dem uns wohl bekannten Elefanten drehen sie sich um, sondern sie befleißigen sich, ihren Reflexen zum Trotz, die fliegenden Porzellantassen zu verurteilen.
Richter Christian Dettmar teilt sein Erstaunen darüber mit uns, womit sich die Staatsanwaltschaft beschäftigt und vor allem, wie sie das tut: nämlich gar nicht. In seiner umfangreichen „Einlassung“ zur Anklageschrift (siehe Upload), die der Richter Christian Dettmar am 15.06.2023 vor dem Landgericht Erfurt abgegeben hat, wird schnell offenbar, wer sich hier von Recht und Gesetz distanziert hat. Bei nur leiser Maßnahmenkritik wird der Richterhammer reflexartig geschwungen. Dass sich ein Richter dagegen selbst Kritik an den Maßnahmen erlaubte, war dann wohl der Oberhammer. Dies hätte aber auch aufhorchen lassen können. Zumindest hätte es als eine dankenswerte Einladung verstanden werden können, den offenen Türspalt als Ausweg aus der geistigen Sackgasse zu nutzen, als Organ der Rechtspflege die Klinke wieder in die Hand zu nehmen und sich endlich auf das eigentliche juristische Terrain, nämlich in der Auseinandersetzung mit der Frage der Effektivität der Maßnahmen und der eigentlichen Problematik, nämlich der Frage nach der eventuellen Schädlichkeit der Maßnahmen und damit der Gefährdung des Kindeswohls zu wagen. Doch machte sich die Staatsanwaltschaft bis dato nicht einmal die Mühe, sich mit den formulierten strafrechtlichen Vorwürfen gegen Richter Dettmar auseinanderzusetzen, geschweige denn sich mit den vorgelegten wissenschaftlichen Ergebnissen der Gutachter zu befassen.
Aus der 33-seitigen Einlassung des Richters Dettmar zitieren wir exemplarisch einen Auszug, der deutlich werden lässt, wie sich die Staatsanwaltschaft im Kreis dreht:
„Die Staatsanwaltschaft erhebt Vorwürfe, begründet sie aber in der Regel gar nicht oder nur in völlig unhaltbarer Weise. Stattdessen offenbart die Anklage ein tiefgreifendes Unverständnis für das Wesen eines amtswegigen Verfahrens vor dem Familiengericht […]. Setzt sich die Staatsanwaltschaft auch nur mit einem einzigen Satz mit den Gutachten auseinander und versucht auch nur ansatzweise zu begründen, warum die Annahme einer Kindeswohlgefährdung nicht nur eine unrichtige, nicht nur eine unvertretbare Entscheidung sein soll, sondern mehr noch eine schwerwiegende Entfernung von Recht und Gesetz?
Antwort: Gar nicht – sie lässt es einfach
Da die Staatsanwaltschaft keine inhaltlichen Fragen stellt, entgeht ihr auch, dass sich die Ergebnisse der eingeholten Gutachten bis zum heutigen Tag in vollem Umfang und eindrucksvoll bestätigt haben. Die Belege dafür sind inzwischen schier unüberschaubar.
Wie begründet es die Staatsanwaltschaft, dass sie die zwingend erforderliche Beschäftigung mit inhaltlichen Fragen nicht ansatzweise vornimmt?
Antwort: Gar nicht – sie lässt es einfach
Die Staatsanwaltschaft geht offensichtlich davon aus, dass die Corona-Maßnahmen „richtig“ und Kritik daran „falsch“ war, und scheint zu erwarten, dass ich (und jeder andere Richter) diese Auffassung als allgemein erwiesene Tatsachen, die nicht weiter hinterfragt werden dürfen, meiner Arbeit hätte zugrunde legen müssen. Das ist ein echtes Vorurteil. Aus diesem Vorurteil heraus entwickelt die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe u.a. vermeintlich fehlender Objektivität und vermeintlicher Befangenheit.
Begründet die Staatsanwaltschaft ihr Vorurteil, die Corona-Maßnahmen seien von vornherein, also ungeprüft „richtig“ und Kritik daran „falsch“?
Antwort: Gar nicht – sie lässt es einfach
Und so werden die Vorurteile der Staatsanwaltschaft zur Grundlage strafrechtlicher Vorwürfe gegen mich. Dabei entgeht der Staatsanwaltschaft, dass man mit ihrer eigenen Logik genauso „gut“ auch umgekehrt sagen könnte: Wer die Corona-Maßnahmen von vornherein, also ungeprüft für „richtig“ hält und Kritik daran für „falsch“, der ist „nicht objektiv“ und der ist „befangen“.
Quelle: https://strate.net/wp-content/uploads/2023/06/Erwiderung_auf_die_Verlesung_der_Anklageschrift_23-06-15.pdf; Autor: Christian Dettmar
Wir hoffen, dass sich jener Prozess positiv für den Richter Dettmar auswirken wird. Dass man ihn als denjenigen erkennen wird, der er ist – ein rechtsstaatlicher, unabhängiger und zutiefst menschlicher Richter. Wir sind zuversichtlich, dass der Prozess auch zur allgemeinen Besserung der juristischen Psychohygiene beiträgt. Als einer von wenigen Richtern wagte er es, der inneren Gerichtsbarkeit, nämlich dem eigenen Gewissen als Instanz, zu folgen. Mit aller Deutlichkeit lebt er das Zitat von Hannah Arendt vor, wonach niemand das Recht und die Pflicht hat, zu gehorchen, sobald in unserem Namen Unrecht geschieht. Wir haben jedoch eine Pflicht, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Und wenn auch diese Fähigkeit in Zeiten permanenter Drohkulisse bewusst aus der Bahn gelenkt wurde, sollte sich die Nadel des Kompasses allerspätestens dann wieder einpendeln, wenn das Kind sichtbar im Brunnen liegt.
Freilich, dass sich die deutsche Staatsanwaltschaft nach fast dreijährigem Selbstbetrug plötzlich in Selbstkritik üben wird, ist höchst unwahrscheinlich. Doch wäre schon viel gewonnen, wenn die Steilvorlage des Weimarer Richters nicht umsonst gewesen ist. Er ist als einer der ganz wenigen aufrechten Juristen auf Kurs geblieben und hat vorgemacht, wie deutsche Justiz in diesen Zeiten eine ernstzunehmende und eigenständige rechtsprechende Gewalt bleiben kann.
„Für mich gehört es dagegen zu meinen Kernaufgaben als Richter, eine uneingeschränkte Sachverhaltsprüfung vorzunehmen, auch und gerade gegenüber der Exekutive. Darum habe ich mich bemüht. […] Ich stelle mich dazu innerlich auf genau den entgegengesetzten Standpunkt und diskutiere alle Argumente mit mir selbst unter umgekehrten Vorzeichen. Mit diesem Perspektivwechsel prüfe ich, was mir überzeugender erscheint. Ich bin mir gewissermaßen mein eigener „advocatus diaboli“, also mein eigener „Anwalt des Teufels“, um so die Belastbarkeit von Argumenten zu testen. Auf diese Weise bin ich zum Ergebnis meiner Entscheidung gelangt.“
Quelle: https://strate.net/wp-content/uploads/2023/06/Erwiderung_auf_die_Verlesung_der_Anklageschrift_23-06-15.pdf; Autor: Christian Dettmar
So ist zu hoffen, dass dieser Schauprozess – jenseits der standardmäßigen Propagandashow – wirklich etwas Sehenswertes zur Darbietung bringen wird. Nämlich das, was ein gesundes Gemeinwesen jetzt dringend benötigt: die Fähigkeit zur Selbstkritik. Das wäre zumindest die Aufgabe der übrigen Justiz, wenn sie sich noch als demokratischer Ort der Rechtsprechung und als Schutz vor der Willkür der Legislative und Exekutive verstehen will, der es gerade in vermeintlichen Krisenzeiten mit umso größerer Entschlossenheit entgegenzutreten gilt.