Alarm in Kölle: 700 Schilder sollen ausgetauscht werden. Der Grund? Ein neues Sprachverbrechen wurde erdacht: Das Wort “Spielplatz” ist plötzlich nicht mehr inklusiv genug. Fühlt sich die Event- und Partyszene etwa unzureichend repräsentiert?
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Einst waren Spielplätze für Kinder da, inzwischen tummelt sich dort vor allem des Nachts noch eine andere Klientel. Das weiß jeder, der das Pech hat, am späten Abend beim Gassigang mit dem Hund einen Spielplatz zu passieren – oder der morgens Kippen, Glasscherben und Schlimmeres im Sandkasten entdeckt, wo eigentlich der Nachwuchs spielen möchte. Entsprechend kurios mutet es an, wenn die so bunte wie heruntergekommene Stadt Köln plötzlich beschließt, dass das Wort “Spielplatz” abgeschafft gehört: Das wäre nämlich “eingrenzend”. Diese Orte wären ja nicht nur für Kinder da.
Per Definition schon, aber Dinge wandeln sich im besten Deutschland aller Zeiten. Wie sollen Spielplätze also stattdessen heißen? Umschlagplatz für Dealende? Talahon-Treff? Arena für Familienfehden? So viel Ehrlichkeit will man in Köln dann doch nicht an den Tag legen: „Spiel- und Aktionsfläche“ sollen Spielplätze nun genannt werden. Die “Aktionen”, die dort noch ausgeführt werden, kann man sich ausmalen. In einem Rechtsstaat würde man sie unterbinden; in der bunten Republik nimmt man sie anscheinend mit in die Namensgebung auf.
Vielleicht erahnt man im politischen Elfenbeintürmchen die Implikationen des eigenen Handelns ja wirklich nicht mehr – doch das sollte man dann zum Anlass nehmen, Platz für Personalien zu machen, die Politik entsprechend der Wirklichkeit machen wollen, nicht an ihr vorbei. Gut kam das Spielplatz-Dilemma bei den Bürgern jedenfalls nicht an, denn für Hunderte neue Schilder würden natürlich auch Hunderttausende Euro Steuergeld verbrannt werden. Vorgesehen sind Kosten von “nur” etwa 38.000 Euro, doch wer meint, für 54 Euro das Stück würden 700 neue Schilder gefertigt und installiert, glaubt wohl auch an den Weihnachtsmann. Nach einem mehr als erwartbaren Aufschrei in der Bevölkerung gibt man sich etwas zerknirscht: Jetzt will’s plötzlich keiner mehr gewesen sein.
Alle Parteien waren dafür – jetzt sind alle dagegen
Medienberichten war zu entnehmen, dass die (nach landläufiger Meinung) Schnapsidee ursprünglich mal auf einen Vorstoß des Jugendhilfeausschusses zurückging. Das sei schon zwei Jahre her. Demnach sollten neue Schilder entwickelt werden, die zeigen, dass auch Talaho-, Verzeihung, Jugendliche auf Spielplätzen herzlich willkommen seien. Die Orte sollen die “Begegnung von Bürgern aller Altersgruppen fördern”. Tun sie eh, wenn man an die generationenübergreifenden Straßenschlachten zwischen Großfamilien denkt, die heutzutage schon durch simple Kinderstreitereien im Sandkasten ausgelöst werden können. Bei 100 Prügelnden kommen sicher Menschen jeden Alters zusammen!
Wie auch immer. Der Antrag sei laut Stadtverwaltung Köln 2023 von der CDU und den Grünen gestellt worden. Alle im Ausschuss vertretenen Fraktionen waren dafür (u.a. Grüne, CDU, SPD, Linke, FDP). Jetzt sind aber kurioserweise alle Parteien dagegen. Kritische Wortmeldungen kamen rasch von SPD, CDU und sogar den Grünen. Ein SPD-Abgeordneter des NRW-Landtags bemängelte, ob die Bezeichnung nun wirklich das größte Problem sei, das man habe. Der Geschäftsführer der CDU-Fraktion sah im Vorstoß dagegen einen “Schildbürgerstreich des Jugenddezernenten Robert Voigtsberger (SPD)”. Selbst die Grünen warfen die Frage auf, ob man sich nicht lieber auf die berechtigten Belange von Kindern und Jugendlichen konzentrieren solle.
Die parteilose Oberbürgermeisterin distanzierte sich auch prompt – der Begriff “Spielplatz” sei doch klar und verständlich. Außerdem habe sie “angesichts der Herausforderungen, vor denen Köln steht, kein Verständnis dafür, dass sich die Verwaltung mit der Neugestaltung von Spielplatzschildern beschäftigt”. Die Bürger übrigens auch nicht.
Stadtrat muss entscheiden
Am 4. September will man die Pläne dem Stadtrat vorlegen, der doch bitte eine Entscheidung für oder wider die Umbenennung treffen möge. Ob das Gremium nach diesem Aufschrei noch dafür entscheiden wird, wird sich zeigen. Falls ja, kann sich dann aber niemand der Verantwortlichen mehr aus der Affäre ziehen.
Immerhin: Bei der linken Partei “Volt” findet man die Debatte übertrieben. Es sei doch nichts Skandalträchtiges an dem Vorhaben. Beim Verpulvern von Steuergeld wird Linken bekanntlich schnell warm ums Herz. In der FDP kritisiert man derweil “Symbolpolitik ohne Wirkung”. (Damit kennt die FDP sich ja aus, könnte mancher meinen, der der gelben Bundespartei die unselige Ampelkoalition noch nicht verziehen hat.)
In Wahrheit scheint das “Symbol” schon falsch: Statt mehr Inklusion sollte es auf kriminellen Umschlagplätzen weniger davon geben. Kinder verdienen es, Orte für sich zu haben, an denen sie sicher spielen können. All jene Parteien, die Spielplätze zu Zeiten der vermeintlichen Killervirus-Pandemie mit Flatterband zusperren ließen, braucht man in puncto Kinderbelange ohnehin nicht mehr ernst zu nehmen.