Die „Welt“ publizierte am 24. September ein Interview mit einem Architekten, dessen ökosozialistische Empfehlungen für den Wohnungsbau in Deutschland bei den Grünen Begeisterungsstürme auslösen dürften. Er fordert von den Deutschen, ihre Ansprüche ans Wohnen radikal zu senken: Bau an Bau statt frei stehender Einfamilienhäuser lautet die Devise – und auch Wärmedämmung und Lärmschutz sind für ihn unnötiger „Komfort“. Stromkontingente und spezielle Klima-Propaganda bei den Öffentlich-Rechtlichen betrachtet er als weitere „Lösungen“.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
„Wir müssen die Ansprüche an unsere Wohnungen senken. Man kann nicht etwas einfordern, das nicht mehr bezahlbar ist und dessen Auswirkungen auf unsere Umwelt nicht mehr akzeptabel sind“, findet Architekt Werner Sobek, der von der „Welt“ als „Pionier der Nachhaltigkeit“ gehandelt wird. Er fordert von den Deutschen mehr Bescheidenheit: Der Materialverbrauch pro Fläche sei aufgrund des hohen Komfortniveaus zu hoch – pro gebauter Wohnung entstünden somit zu viele Emissionen.
Emissionen sind für kritische Menschen kein Argument, sehr wohl aber die Preisexplosionen, die auch den Wohnungsbau stark betreffen (und entsprechend hemmen). Hohe Zinsen und Überregulierung tun ihr Übriges. Das Klima hat damit nichts zu tun: Es dient der Politik nur als vorgeschobener Grund für schädliche Verordnungen und neue, stetig steigende Steuern. Hier sollte man ansetzen. Stattdessen fordert man von den Deutschen jedoch lieber Verzicht und Bescheidenheit. Sobek kritisiert das „Anspruchsdenken“ vieler Bürger: „Man muss seine Ansprüche in schwierigen Situationen wie der heutigen auch reduzieren können.“ Nein. Man muss die Ursachen beseitigen.
Auf Nachfrage bezeichnet Sobek „Schallschutz und thermische Behaglichkeit“ als Komfort, den die Bürger eigentlich nicht brauchen: „Beide Komponenten wurden in den vergangenen Jahrzehnten auf ein sehr hohes Niveau gesteigert. Dieses Niveau kostet viel Geld und erfordert Material, das zunehmend knapp wird – und bei dessen Herstellung und Transport Emissionen entstehen.“ Er hinterfragt, ob das notwendig sei – man könne doch in der Wohnung auch einen Pullover tragen. Beim Lärmschutz verabschiedet er sich dann endgültig von der Realität: Lärm entstehe ja in erster Linie durch Autos – dem könne man entgegenwirken, „indem wir geräuscharme Autos und Zweiräder einfordern, andere Geschwindigkeitsgrenzen verordnen oder eine neue Art des automobilen Verkehrs, ja unser Mobilitätsverhalten insgesamt überdenken“. Warum nicht gleich den Autoverkehr unterbinden und 15-Minuten-Viertel einführen?
Wie Hühner auf der Stange
Tatsächlich entsteht Lärm heutzutage in erster Linie durch lärmende Mitmenschen. Mit denen soll man Sobeks Ansicht nach aber fortan auf Kuschelkurs gehen: „Die Distanzen von Haus zu Haus, die es nur bei frei stehenden Häusern gibt, müssen mit Straßen und Leitungen überbrückt werden. Wenn Sie dies vermeiden und auch die damit verbundene Bodenversiegelung reduzieren wollen, dann muss man Haus an Haus bauen.“ Und gleichzeitig auf den Lärmschutz verzichten, versteht sich. So komme man wieder mit den Nachbarn ins Gespräch – das sei der „Kern der Gesellschaftsformung“. Wie fallen diese „Gespräche“ wohl aus, wenn dank mangelnder Dämmung gar keine Momente der Ruhe mehr möglich sind, weil jede lärmende Untugend der lieben Nachbarn in voller Lautstärke miterlebt werden muss?
Die „Welt“-Redaktion hat hier in jedem Fall Humor bewiesen, denn unmittelbar nach Sobeks Ratschlag, Haus an Haus zu bauen, folgt ein Bild des Architekten in seinem von Bäumen und Natur umgebenen Glaskasten („Experimentalhaus R128„) mit dem Untertitel: „Draußen ist es grün: Sobek in seinem Büro.“ Kein Nachbar in Sicht …
Dass die Menschen Sobeks Ideen nichts abgewinnen können, erklärt er damit, dass sie den Klimawandel nicht verstehen würden. Man sollte jeden Freitag eine 90-sekündige Propaganda-Sendung vor den Tagesthemen ausstrahlen: „So wie man die noch nicht an das Autofahren gewohnten Deutschen Mitte der 1960er-Jahre zu einer Autofahrernation ausbildete, so kann man heute versuchen, die Zusammenhänge bei der Klimaerwärmung und deren Folgen auf Verstehbares herunterzubrechen. Wenn Menschen etwas nicht verstehen, verdrängen sie es, handeln sie nicht.“ Gut durchdacht ist der Vorstoß nicht, denn die Tagesthemen bei den Öffentlich-Rechtlichen tun sich heutzutage wohl nur noch jene an, die ohnehin bereits vollständig indoktriniert sind.
Stromkontingente
Vorschriften wie beispielsweise zur Wärmedämmung in Gebäuden befürwortet Sobek nicht – kein Wunder, ist Wärmedämmung für ihn ja nur überbewerteter Komfort. Stattdessen sollte man die Menschen zum Stromverzicht sowie zur Produktion von Strom durch PV-Anlagen auffordern. Er schlägt ein „Bürgerstromkontingent“ vor: „Jeder Bürger hat Anspruch auf eine bestimmte kostenlose Menge Strom pro Jahr.“ Kostenloser Strom – wo gibt’s denn so was? Nirgendwo, denn diesen Strom bezahlt der Steuerzahler. So wie alle anderen angeblichen milden Gaben des Staates. Wer mehr verbraucht, als das Kontingent hergibt, muss dann „den sich nach Angebot und Nachfrage regelnden Strompreis bezahlen“. Warum sollte man das politisch verursachte Stromproblem auch lösen? Sozialistische Mangelwirtschaft war doch seit jeher eine Erfolgsgeschichte, nicht?
Um seine Vorstellungen umzusetzen, spekuliert der ehemalige Professor an der Universität Stuttgart auf die „nächste Generation“ (oder die letzte?). Seinen Studenten habe er auf den Weg gegeben, „den Kokon der Regelungen“ aufzubrechen und endlich den Kern der Probleme zu diskutieren und zu lösen. Was der „Kern der Probleme“ ist, dürften Sobek und die deutsche Bevölkerung indes sehr unterschiedlich definieren. In der Kommentarspalte der „Welt“ findet sein Propagieren einer modernen Käfighaltung im Plattenbau jedenfalls keinen Zuspruch.