Pelosi-Besuch: Droht eine Eskalation der Taiwan-Krise?

Bild: freepik / diloka107

Offiziell steht Taiwan nicht auf der Besuchsliste von Nancy Pelosi, doch inoffiziell soll sie am heutigen Dienstag für eine Übernachtung in Taipeh ankommen und morgen Präsidentin Tsai Ing-wen treffen. Peking könnte mit einer militärischen Eskalation reagieren, warnen Analysten.

Geht es nach den offiziellen Reisedaten, wird die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf ihrer Reise nach Asien lediglich die engen Verbündeten Japan und Südkorea, sowie das südostasiatische Malaysia besuchen. Dies berichtet zumindest die „Financial Times„. Allerdings ist jedem in Washington auch klar, dass eine offizielle Ankündigung von Peking als Missachtung des Ein-China-Prinzips verstanden würde, was die entsprechenden Maßnahmen der kommunistischen Führung im Vorfeld bereits in die Wege leiten würde.

Indessen berichtet die „The Straits Times“ aus Singapur unter Berufung auf mehrere Quellen, dass Pelosi am heutigen Dienstag in Taipeh eintreffen und am Mittwoch die Präsidentin der selbstverwalteten Insel, Tsai Ing-wen, treffen werde. Dies, obwohl Peking bereits davor warnte, dass dessen Militär, die Volksbefreiungsarmee, niemals „tatenlos dastehen“ werde, wenn die Sprecherin tatsächlich nach Taiwan fliegt. Indessen sagte US-Außenminister Antony Blinken, dass Pelosis Besuch in Taiwan völlig ihre eigene Entscheidung sei und China die Spannungen im Falle eines solchen Besuches nicht erhöhen solle.

Doch angesichts der anhaltend hohen Spannungen zwischen Peking und Washington, sowie des äußerst negativen Telefongesprächs zwischen den Präsidenten Xi und Biden letzte Woche, dürfte ein Taiwan-Besuch Pelosis eine „rote Linie“ darstellen, auf die die Chinesen auf jeden Fall reagieren werden. In einem Auszug aus einem aufschlussreichen Beitrag mit dem Titel „Red Clouds of War Looming Over Taiwan“ von einem in Taiwan lebenden Forscher aus dem Westen, heißt es, dass es fünf mögliche Szenarien einer chinesischen Reaktion gebe:

Szenario 1: Der minimalistische Ansatz. Die PLA besetzt die Jinmen- oder Matsu-Inseln sowie die taiwanesischen Inseln im Südchinesischen Meer und vielleicht sogar die Penghu-Inseln. Außerdem erklärt sie einen Teil oder die gesamte Straße von Taiwan zu einer Sperrzone für ausländische Militärschiffe. Dies wäre für die PLA wahrscheinlich ziemlich einfach, und Taiwan würde sich wahrscheinlich nicht zu sehr auf einen Seekrieg gegen die riesige PLA-Marine (PLAN) einlassen wollen, wenn diese sich nicht direkt der Hauptinsel nähert.

Szenario 2: Hybride Kriegsführung. Eine Art partielle See- und Luftblockade Taiwans mit dem Ziel, die Wirtschaft zu beeinträchtigen, kombiniert mit verstärkten Schikanen, wie z. B. direkten Überflügen von Taiwans Territorium durch Jets der PLA-Luftwaffe (PLAAF) oder Eindringen in Taiwans Seeraum durch Chinas Seemiliz, geschützt durch PLAN-Kriegsschiffe. Dies könnte auch mit Cyberangriffen einhergehen, die das Internet und andere Infrastrukturen tagelang lahm legen könnten. Taiwan hätte keine andere Wahl, als eine harte Verteidigungshaltung einzunehmen, was zu echten Gefechten zwischen taiwanesischen und chinesischen Streitkräften führen würde und ein ernsthaftes Eskalationsrisiko darstellen würde.

Szenario 3: Ein ernsthafter Angriff, aber keine Invasion. In diesem Fall würden nur Luft- und Seekrieg geführt, aber keine Bodentruppen eingesetzt. Eine vollständige Luft- und Seeblockade, eine Reihe von langwierigen See- und Luftkämpfen, die darauf abzielen, Taiwans Militär zu schwächen, kombiniert mit Angriffen mit ballistischen Raketen auf militärische Ziele. Aggressive Cyberangriffe, die das Internet abschalten und kritische Infrastrukturen für Tage oder Wochen lahm legen. Sobald die Luft- und Seeüberlegenheit hergestellt wäre, könnte China nach Belieben Ziele angreifen und die Bedrohung so lange steigern, bis die Regierung zusammenbricht.

Szenario 4: Die volle Breitseite – eine richtige Invasion. Totale Luft- und Seeblockade, massive ballistische Raketenangriffe auf militärische Ziele, massive Cyberangriffe, um praktisch die gesamte militärische, staatliche und zivile Kommunikation lahmzulegen und kritische Infrastrukturen lahmzulegen. Aggressive See- und Luftangriffe, um Taiwans Streitkräfte zu schwächen und die Überlegenheit im Kampfgebiet zu erlangen, gefolgt von anhaltenden Luftangriffen von Jagdflugzeugen und Bombern auf militärische Ziele. Ein Enthauptungsschlag in Taipeh durch Spezialeinheiten, um zu versuchen, wichtiges Führungspersonal zu ergreifen. Gut koordinierte Insider-Verrat- und Sabotageaktionen durch Gangster, eingeschleuste KPCh-Agenten und andere mit China sympathisierende Gruppen – die so genannte „Fünfte Kolonne“. Ein amphibischer Angriff mit enger Luftunterstützung durch Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Kampfdrohnen an einem oder mehreren Orten in Taiwan und sehr wahrscheinlich die Einnahme eines großen Hafens, wie Keelung, Taipeh Port, Taichung oder Kaohsiung. Dann würden Hunderttausende von Truppen anrücken, bis die Insel besetzt wäre. Das wäre jedenfalls der Plan. Der Erfolg der PLA bei einem solchen Unterfangen ist sehr unklar. Aber sie könnten bei dem Versuch verdammt viel Schaden anrichten. Und ja, es könnte ihnen tatsächlich gelingen, zumindest teilweise, z. B. indem sie die Region um Taipeh einnehmen und halten.

Szenario 5: Worst-Case-Szenario (ohne Atomwaffen). Vollständige Luft- und Seeblockade, massive Angriffe mit ballistischen Raketen auf militärische Ziele, massiver Cyberangriff, aggressive See- und Luftangriffe, um Taiwans Streitkräfte zu schwächen und eine Überlegenheit auf dem Schlachtfeld zu erreichen, gefolgt von Luftangriffen durch Jagdflugzeuge und Bomber auf militärische Ziele und Flächenbombardements auf zivile Ziele. Es kommt zu massiven Verlusten, und Taiwan wird mit brachialer Gewalt niedergeschlagen, kapituliert, woraufhin die Besatzer in das Land eindringen und es übernehmen.

Das Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, die Global Times, warnte bereits gestern vor Vergeltungsmaßnahmen Pekings, die nicht nur Pelosi und die Biden-Administration treffen werden, sondern den gesamten chinesisch-amerikanischen Beziehungen einen Rückschlag versetzen. Wird die demokratische Spitzenpolitikerin dies tatsächlich wagen?

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