Die ÖVP-Medienmaschinerie verkündet wieder einmal laut: Alles Fake-News! Der wunderbare Kanzler wäre standhaft und Österreich bezahle für das überlebenswichtige russische Gas natürlich nur in Euro. Inzwischen tobt der bulgarische Präsident Rumen Radev über die Indizien, die ohnehin jeder sieht. Polen und Bulgarien verweigern die Rubelzahlungen und erhalten kein Gas mehr. Österreich hingegen – ja was mag da wohl der Grund sein? Die Schönheit des Nehammer? Oder lügt man uns an?
Ein Kommentar von Willi Huber
Die Systemmedien mussten es brav replizieren: Die durch und durch bösen Russen hätten Fake News über ÖVP-Nehammer und Österreich verbreitet.
Österreich hat die Bedingungen Russlands für die Bezahlung von Gas in Rubel akzeptiert und ein entsprechendes Konto bei einer russischen Bank eröffnet.
Life.ru
Russische Medien hatten zuvor, nach dem angeblichen Treffen Nehammers bei Putin, diese und andere ähnlich lautende Nachrichten transportiert. Das wäre laut österreichischen Medien alles erstunkene und erlogene Propaganda. Im selben Artikel behauptet die Kurier-Redakteuse Andrea Hodoschek, dass sich Bulgarien durch die Meereshäfen leichter als Österreich durch Flüssiggas versorgen könne. Wir wären sehr interessiert an der redaktionellen Eigenleistung der Dame, denn große Teile des Berichts entstammen zweifelsfrei der APA und wurde hier in der Krone, hier in der Heute, hier in der Kleinen Zeitung und hier im ORF ebenso ausgespielt, teilweise mit spannenden Ergänzungen, zu denen ich noch kommen werde.
Die Sache mit den Rubel-Zahlungen, aber auch der Gas-Unabhängigkeit, sieht der bulgarische Präsident Rumen Radev wohl anders:
Die Regierung muss schnell ein paar Fragen beantworten – warum nur Bulgarien und Polen vom Gas abgeschnitten sind, ob Österreich und Deutschland gestoppt werden, wie sie zahlen und wie sie ihre Energiesicherheit gewährleisten.
Rumen Radev, 27. April
Im Gegensatz zu unseren heimischen „Qualitätsmedien“ fragt man sich im Ausland nämlich sehr wohl, weshalb Österreich weiterhin russisches Gas bezieht, obwohl es wie eben auch Bulgarien auf der russischen Liste „unfreundlicher Staaten“ steht. Gratismutig auf Russland zu schimpfen, ohne jegliche Grundlage der Diplomatie zu beachten, hat eben auch in einer gewissen räumlichen Distanz zum Geschehen seinen Preis. Dabei scheinen viele auch nicht zu verstehen, dass Russland ein näherer Nachbar ist als die tonangebende und den Konflikt dirigierenden USA.
In Bulgarien, das lange Zeit mit Russland freundlich verbunden war (nicht zuletzt, weil Russland Bulgarien von der 500-jährigen osmanischen Fremdherrschaft befreit hat), rätselt man ohnehin, weshalb man als eines der ersten Staaten von direkten russischen Sanktionen betroffen ist. Beobachter vermuten, dass die geringe Kaufkraft und damit auch die vergleichsweise niedrigen Gasimporte für Russland ausschlaggebend waren, um Deutschland zu zeigen, was passieren kann, wenn man nicht nach russischen Regeln spielt.
Doch nun zur redaktionellen Eigenleistung, welche man dankenswerterweise in der Kleinen Zeitung fand. Diese deckte offenbar trotz kolportierter ÖVP-Nähe den gesamten „Nehammer-Schmäh“ auf:
Die OMV habe hingegen die Zahlungsbedingungen Russlands angenommen, dies sei ja als sanktionskonform eingestuft worden, so Nehammer. Gleichzeitig merkte er an, dass man freilich nicht abschätzen könne, wie die Entwicklung bei einer zusätzlichen Eskalation weitergehen kann. Auch Deutschland will Gas aus Russland über das Fremdwährungsverrechnungskonto der Gazprombank bezahlen.
Kleine Zeitung, 27. April 2022
Da müsste man als Social-Media-Geübter jetzt etliche Zwinkersmilies und Lachtränen-Emotes einfügen, um den Sachverhalt ausreichend zu würdigen. Der Österreicher hat dafür sogar ein eigenes Sprichwort: „Sich einen Karl machen / sich an koarl mochn“. Das bedeutet so viel wie Spaß haben, sich einen Spaß machen.
Dieser Kanzler und seine Partei halten die Menschen dieses Landes wohl für außerordentlich dumm. Im Ausland könnten solche Scherze aber zunehmend weniger gut ankommen. Und nachdem ausländische Medien keine direkten Presseförderungen der ÖVP – pardon des Bundes – erhalten, werden sie auch weiterhin etwas kritischer berichten als jene im Inland.
In Bulgarien kracht es übrigens ordentlich in der Politik zwischen westhörigen und kritischen Politikern. So stellte der Sozialist Radev klar: Die bulgarische Position wird in Sofia entschieden und nicht in Kiew. Aus der bulgarischen Politik kommen dem gegenüber auch harte Worte: Es handle sich um Heuchelei. Die bulgarische Militärindustrie schaffe „Produkte, die in die Ukraine gehen. Doch politisch sind wir zu feige, Position zu beziehen“, erklärte der Konservative Atanas Atanassov. Während die Sozialisten das Land schützen wollen und jede militärische Unterstützung der Ukraine ablehnen, fordern die „euro-atlantisch orientierten Konservativen“ volle Parteinahme.
Übrigens hatte die OMV schon vor Jahren im Schwarzen Meer vor Rumänien und Bulgarien riesige Erdgasvorkommen detektiert. Diese auszubeuten, um Gas-Unabhängigkeit von Russland zu schaffen, hat aber viele Jahre lang niemanden interessiert. Man könnte hier auch der Spur des Geldes folgen und überlegen, wie viele österreichische Ex-Politiker in den Diensten russischer und weißrussischer Oligarchen und staatsnahen Betrieben untergekommen sind, um gutes Geld zu verdienen. Hierzu ein Artikel aus 2012: der größte Fund der Unternehmensgeschichte. Passiert ist seither nichts. Ein Schelm, wer Böses denkt.