Man stelle sich vor, Polizisten erwischen einen Straftäter, gegen den ein Haftbefehl vorliegt – und müssen ihn dann wieder laufen lassen. Was sich alles andere als vertrauenerweckend anhört, ist in Hessen schon Realität: Die Gefängnisse sind voll.
Erst im Juli berichteten wir von drohenden Massenfreilassungen in Großbritannien, weil die Gefängnisse dort überfüllt sind. Droht Deutschland ein ähnliches Schicksal? Eine Pressemitteilung der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen und dem BSBD Hessen (Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschland) lässt aufhorchen: „Nach wie vor werden in Hessen seit der Corona-Zeit Haftbefehle nicht vollstreckt“, heißt es da. Die Justizvollzugsanstalten in dem Bundesland sind überlastet.
Konkret sei die Polizei „immer noch angewiesen bestimmte Haftbefehle, die älter als Juni 2023 erteilt wurden, nicht zu vollstrecken“. Man berichtet von einem Fall, in dem eine Person in Frankfurt kontrolliert wurde, die aufgrund eines Haftbefehls zunächst festgenommen wurde – doch als die Beamten die Person dann der Justizvollzugsanstalt übergeben wollten, wurden sie abgewiesen. Begründung: Der Haftbefehl sei älter als Juni 2023. Der Straftäter wurde also wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Landesvorsitzende der DPolG Hessen, Björn Werminghaus, äußert scharfe Kritik: „Es kann nicht sein, dass Polizisten unter Einsatz ihrer Gesundheit gesuchte Straftäter erst festnehmen, der Haftbefehl aber nicht vollstreckt werden darf. Jede Festnahme ist mit entsprechenden Gefahren verbunden. Das Land Hessen muss endlich dafür sorgen, dass genügend Haftplätze für Straftäter vorhanden sind, damit auch alle Haftbefehle vollstreckt werden können.“
Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Strafvollzug (BSBD Hessen), Wilma Volkenand, erörtert: „Die Belegungssituation in unseren Justizvollzugsanstalten ist angespannt bis sehr angespannt. Vor allem im Bereich der Untersuchungshaft. Die Belegungsfähigkeit einiger Haftanstalten ist bereits erreicht. Um aufnehmen zu können, wird in Haftanstalten, die noch Kapazitäten haben, verlegt. Beinahe täglich müssen unsere Vollzugsgeschäftstellen viel Zeit mit der Suche nach Haftplätzen einplanen. Mit viel Aufwand werden Gefangenentransporte von A nach B zusammengestellt. Mit Beginn und während Corona wurde die Aufnahme – vor allem bei den Ersatzfreiheitsstrafen – ausgesetzt.“
Betroffen sind also „vor allem“ solche Straftäter, die zu einer Geldbuße verurteilt wurden und wegen Nichtbegleichens derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten sollen. Man kann nun spekulieren, ob durch die Überlastung der JVAs wirklich nur solchen Menschen ein Quasi-Aufschub gewährt wird, die für die Gesellschaft keine Gefahr darstellen (etwa solche Personen, die ohne gültiges Ticket mit der Bahn gefahren sind, die Rundfunkgebühr nicht zahlten oder die online einen Altparteien-Politiker „beleidigten“), oder ob nicht doch Auswirkungen auf die Ahndung von Straftaten generell zu befürchten sind.
Dass in Zeiten, wo immer wieder milde Kuschelurteile für Vergewaltiger und gewalttätige Migranten ausgesprochen werden, Schwarzfahrer in den Knast müssen, statt bei Zahlungsunfähigkeit beispielsweise einige Stunden gemeinnütziger Arbeit abzuleisten, dürfte den Bürgern ohnehin kaum vermittelbar sein. Werden hier noch die richtigen Prioritäten gesetzt? Bleiben jetzt oder zukünftig gefährliche Straftäter auf freiem Fuß, die für die Bürger eine reale Bedrohung darstellen, während Facebook-Kommentatoren und Menschen, die harmlose Ordnungswidrigkeiten begangen haben, auf Steuerzahlerkosten hinter schwedischen Gardinen sitzen? In Zeiten, in denen durch für Normalbürger unverständliche Gerichtsurteile das Vertrauen in den Rechtsstaat stetig abnimmt, bewirken Berichte von überfüllten Gefängnissen jedenfalls gewiss keine Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Menschen.