Weil Washington die Bildung einer „Asien-NATO“ vorantreibe, müsse Nordkorea sein Atomwaffenarsenal deutlich ausbauen, so Staatschef Kim Jong Un. Doch dass sein eigenes Verhalten mit den ganzen Provokationen die Lage verschärft, erkennt er nicht. Verzockt er sich schlussendlich?
Es ist wieder so weit. Der Mann mit dem markanten Haarschnitt und der Vorliebe für oversized Lederjacken meldet sich zu Wort. Und wie immer, wenn Kim Jong Un spricht, geht es um die ganz großen Themen: Atomwaffen, Weltkrieg und natürlich die ewige Verschwörung des Westens gegen sein kleines, aber stolzes Reich. In einer Rede vor der nordkoreanischen Armee – vermutlich handverlesene Zuschauer mit perfekt synchronisiertem Applaus – legte der Oberste Führer diesmal besonders nach. Seine Kernbotschaft: Der amerikanische Imperialismus treibt sein Unwesen auch in Asien, und dagegen hilft nur eines – noch mehr Atomwaffen.
Was Kim besonders aufstößt, ist die neue Dreiecksbeziehung zwischen den USA, Südkorea und Japan. „Die Vereinigten Staaten haben ihre Allianz mit Südkorea bereits in ein nuklearbasiertes Bündnis verwandelt und in aller Eile eine ‚Asien-NATO‘ geschaffen“, wetterte er. Dass ausgerechnet er von „Eile“ spricht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, schließlich überschlägt sich sein Regime förmlich dabei, einen Raketentest nach dem anderen durchzuführen.
Besonders interessant ist Kims neue Interpretation des Ukraine-Kriegs. Der Westen, so seine These, nutze die Ukraine als „Stoßtrupp“ gegen Russland, um „Kriegserfahrung zu sammeln“. Eine Sichtweise, die vermutlich in Moskau auf offene Ohren stößt – nicht umsonst haben sich die beiden Länder in letzter Zeit so herzlich angenähert. Die Lösung aller Probleme sieht Kim in einem „grenzenlosen und endlosen“ Ausbau des nordkoreanischen Atomwaffenarsenals. Eine Strategie, die er für „unumkehrbar“ hält. Man könnte auch sagen: Er hat sich festgelegt wie ein Pokerspieler, der sein ganzes Vermögen auf eine Karte gesetzt hat.
Die Beziehungen zu den USA, die unter Trump zumindest oberflächlich eine gewisse Entspannung erfahren hatten, sind unter Biden auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Während Trump dem nordkoreanischen Machthaber noch persönliche Briefe schrieb und sich mit ihm zu glamourösen Gipfeltreffen traf, setzt Biden auf militärische Präsenz und Bündnispolitik. Was Kim dabei geflissentlich übersieht: Seine eigene Politik der ständigen Provokationen, Raketentests und Kriegsdrohungen trägt nicht unwesentlich zur Verschärfung der Lage bei. Aber Selbstreflexion war noch nie die Stärke der Kim-Dynastie.
Die Ironie der Geschichte: Während Kim vor einer „Asien-NATO“ warnt, treibt er durch sein Verhalten genau die Entwicklung voran, die er zu verhindern vorgibt. Denn nichts schweißt Verbündete mehr zusammen als ein gemeinsamer Gegner, der ständig mit dem nuklearen Feuer spielt. So bleibt am Ende die Erkenntnis: Kim Jong Un macht weiter das, was er am besten kann – drohen, poltern und aufrüsten. Nur, dass diesmal die geopolitische Großwetterlage eine andere ist. In Zeiten von Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt könnte seine nukleare Zockerei gefährlicher sein als je zuvor.