Der Skandal um den Hallenser Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand zieht immer weitere Kreise. Der Rathauschef, der sich außerhalb der Impfreihenfolge für sich und eine Reihe Stadträten und anderer „Gottbegnadeter“ Impfdosen abgezweigt hatte, gerät zunehmend ins Visier der Staatsanwaltschaft. Am Mittwoch suspendierte der Stadtrat der sachsen-anhaltinischen Stadt den parteilosen OB. So zeigt sich, dass die Panik, den angeblich heilsbringenden Impfstoff zu erhalten auch zu (mutmaßlichen) Straftaten führen kann.
Was beim bundesdeutschen Maskenskandal die Namen Nüsslein, Löbel, Kaufmann waren und bei den Schnelltests der Name Sauter, das ist seit letzten Monat im Zusammenhang mit den Impfungen der Name Wiegand. Gegen ihn wird unter anderem wegen „veruntreuender Unterschlagung von Impfstoff ermittelt. „Bild“ berichtete diese Woche über die schamlose Ausnutzung seiner Position zur erfolgreichen Vordrängelei beim Impfen (wegen der gegen Wiegand auch noch zusätzlich ein Disziplinarverfahren läuft): So soll der Politiker krampfhaft versucht haben, den Fall zu vertuschen – und andere Beteiligte auf seine Seite zu ziehen, indem er sie zum Schweigen anwies. So sollte vertuscht werden, dass auch etliche Personen seines engeren Umfelds in den Genuss der vorgezogenen Impfungen kamen.
16 Begünstigte außer der Reihe „mitgeimpft“
Nicht weniger als 16 „exklusive“ Impfungen organisierte der Rathausboss für andere – davon acht für Stadträte, sieben für Mitglieder des Katastrophenschutzstabes sowie eine für den Hallenser Kulturbeigeordneten. Wiegand hatte sich bisher damit herausgeredet, angeblich seien hierfür nur Impfdosen verwendet worden, die andernfalls ohnehin wegen Ablauf der Haltbarkeit aus dem Verkehr gezogen worden wären. Eine reine Schutzbehauptung: „Bei keiner dieser Impfungen drohte aktuell und zeitnah ein Verwurf der Impfdosen nach Ablauf der Haltbarkeit“, zitiert „Bild“ die Staatsanwaltschaft.
Druck auf Amtsärztin ausgeübt
Schlimmer noch: Für die angeblich entsorgungsreifen Restdosen, die sich der OB und seine Spezis unter der Ausrede „wird ansonsten doch sowieso weggeschmissen“ gesichert hatten, wäre durchaus Verwendung gewesen. Den Anklägern liegt eine Liste von Impfberechtigten vor, die priorisierte priorisierte Empfänger umfasste – vor allem Pflegepersonal. Der OB soll darüber genau im Bilde gewesen sein – und dennoch Druck auf eine Amtsärztin sowie auch den Chef des Hallenser Impfzentrums ausgeübt haben, um die Extraimpfungen durchzusetzen.
Nun zog, lange vor Abschluss der straf- und dienstrechtlichen Würdigung des Falls, der Stadtrat die Konsequenzen – und suspendierte Wiegand auf Antrag der Fraktionen von SPD, Grünen, Linken und FDP hin mit großer Mehrheit. Dem OB sind damit einstweilen alle Dienstgeschäfte untersagt. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.