Das Melanin in der menschlichen Haut hat offensichtlich auch einen bestimmten Einfluss auf die Wirkung von diversen Medikamenten. Wir Menschen sind eben doch nicht alle gleich, was die Wirkung von medizinischen Wirkstoffen – aber auch von Pestiziden – anbelangt. Dies zeigt eine neue Studie, die für Aufregung sorgt.
Eine Studie mit dem Titel „Implementing differentially pigmented skin models for predicting drug response variability across human ancestries“ deckt einen Zusammenhang zwischen Hautfarbe und Medikamentenwirkung auf. Die Forscher haben entdeckt, dass das Hautpigment Melanin die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel beeinflussen kann. Diese Erkenntnis, kürzlich im Fachjournal „Human Genomics“ veröffentlicht, könnte die Arzneimittelforschung und -entwicklung grundlegend verändern.
Im Zentrum der Untersuchung steht Melanin, jenes Pigment, das unserer Haut ihre charakteristische Färbung verleiht. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Melanin die Fähigkeit besitzt, sich an verschiedene Medikamente zu binden. Diese Eigenschaft könnte erklären, warum manche Arzneimittel bei Menschen mit unterschiedlichen Hauttönen verschieden wirken. Die Studie identifizierte zwei Arten von Melanin: Eumelanin, vorwiegend in dunkleren Hauttönen, und Pheomelanin, das häufiger in helleren Hauttönen vorkommt. Besonders Eumelanin zeigt eine hohe Affinität zu bestimmten Medikamenten, darunter Malariamittel und Antipsychotika. Diese Bindung kann dazu führen, dass Wirkstoffe länger im Körper verbleiben, was potenziell zu verlängerten Wirkungen oder veränderter Toxizität führen kann.
Ein konkretes Beispiel liefert das Antipsychotikum Clozapin. Frühere Studien zeigen, dass Menschen afrikanischer Abstammung niedrigere Konzentrationen des Medikaments im Blut aufweisen als Europäer. Die Forscher vermuten nun, dass neben genetischen Faktoren auch die Interaktion mit Hautpigmenten zu einer veränderten Freisetzung des Wirkstoffs beitragen könnte. Die Entdeckung offenbart eine besorgniserregende Lücke in der medizinischen Forschung. Bislang wurden die meisten klinischen Studien hauptsächlich mit hellhäutigen Probanden durchgeführt. Diese einseitige Ausrichtung aus Angst vor Rassismusvorwürfen könnte zu Fehleinschätzungen bei der Dosierung und Wirksamkeit von Medikamenten für Menschen mit dunklerer Hautfarbe geführt haben.
Die Forscher betonen die Notwendigkeit, die Vielfalt menschlicher Hautpigmentierung in der Arzneimittelforschung stärker zu berücksichtigen. Sie plädieren für einen inklusiveren Ansatz bei klinischen Studien, um sicherzustellen, dass Medikamente für alle Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, sicher und wirksam sind. Denn entgegen der „alle Menschen sind gleich“-Ideologie gibt es eben doch physiologische und genetische Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den verschiedenen ethnischen Gruppierungen auf dieser Welt.
Diese Erkenntnisse werfen auch ethische Fragen auf. Es muss verhindert werden, dass diese Entdeckungen zu einer Verstärkung von Vorurteilen führen. Die Wissenschaftler betonen, dass es nicht um eine Kategorisierung nach Hautfarbe geht, sondern um ein tieferes Verständnis individueller Unterschiede in der Arzneimittelwirkung. Die Studie könnte auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Die Forscher weisen darauf hin, dass einige Pestizide ebenfalls eine Affinität zu Melanin aufweisen, was zu unterschiedlichen Expositionen bei Menschen mit verschiedenen Hauttönen führen könnte.