Hat Russland Beweise für US-Biowaffenlabore in der Ukraine gesichert?

Bild: freepik / tescka1

Seit Tagen leisten Löschtrupps diverser sozialer Medien, auch “Faktenchecker“ genannt, offenbar Überstunden, um „Falschinformationen“ bezüglich des Vorhandenseins von US-Biolaboren in der Ukraine zu löschen. 

von Mara Teveli

Tatsächlich waren Informationen wie Standorte, Auftraggeber, Auftragssummen und Subunternehmen zu US-betriebenen bzw. US-geförderten Biolaboren (auf russischer Seite spricht man von „Biowaffenlaboren“) in einer Serie von PDF-Dokumenten, sogenannten „Fact sheets“, bis 25.2.2022 auf der offiziellen Webseite der US-Botschaft in Kiew öffentlich abrufbar. 

Nachdem bekannt wurde, dass russische Truppen, die dem direkten Befehl ihres Präsidenten Wladimir Putin unterstehen, US-Biolabore in ukrainischen Städten wie Charkiw, Luhansk, Dnipropetrovsk, der Hauptstadt Kiew und anderen Standorten ins Visier genommen hatten, löschte die US-Botschaft in Kiew am 26.2.2022 diese „Fact sheets“ kommentarlos von ihrer offiziellen Webseite: Die Links zu den PDF-Dokumenten sind nicht mehr erreichbar. 

Jedoch: Die Seiten wurden archiviert. Sie können hier abgerufen werden: 

Die Botschaftsseite weist noch immer das Biological Threat Reducation Program (BTRP – Programm zur Reduzierung von Gefahr durch biologische Waffen), eine 30 Jahre alte Sektion des US-Verteidigungsministeriums, als den US-Hauptpartner in der Ukraine aus.

Die PDF-Dokumente nennen das Department of Defense (DoD) als Geldgeber und als Exekutivorgane der Labore die ukrainischen Ministerien. Von offizieller Seite bemüht man sich entsprechend hervorzuheben, dass die USA lediglich als Unterstützer und Financier fungieren – dass Geldgeber gewöhnlich mindestens mitbestimmen, woran gearbeitet wird, scheint man zu ignorieren. Die ukrainischen Labore empfingen immerhin Summen von 1.8 bis 3 Millionen US-Dollar. Das US-Unternehmen Black & Veatch wurde vom DoD als Subunternehmen festgelegt. Black & Veatch Special Project Corp. erhielt rund 198.7 Millionen US-Dollar für den Bau (und die Führung?) der Biolaboratorien in der Ukraine.

Forschung mit gefährlichen Pathogenen – und an Biowaffen?

Das DoD förderte mindestens 15 verschiedene, an einigen Standorten mehrere Biolabore in der Ukraine. Glaubt man der russischen Berichterstattung, so sollen mindestens 8 davon sich vor allem der Biowaffenforschung gewidmet haben. Ihre offizielle Aufgabe war es, sicherheitsbedenkliche Pathogene und Giftstoffe zu konsolidieren und zu sichern, sowie Forschungen zu „Biosicherheit“, Schutz vor und Umgang mit gefährlichen, auch genetisch veränderten Mikroorganismen und zu Bioüberwachungssystemen zu betreiben. Ukrainischen Wissenschaftlern soll vom DoD genehmigt worden sein, Experimente an Pathogenen, die pandemieauslösendes Potenzial besitzen, durchzuführen.

Im Rahmen dieser Forschungsprojekte arbeitete das US-DoD direkt mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium, dem Staatsdienst für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, sowie der nationalen Akademie für Agrarwissenschaft und dem ukrainischen Verteidigungsministerium zusammen.

Das Netzwerk der Forschungslaboratorien umfasste Einrichtungen in Odessa, Vinnitsa, Uschorod, Lwiw, Kiew, Cherson, Ternopil, Luhansk, Charkiw und Mikolajiw. Die meisten dieser Labore hatten im Laufe der Zeit den Biosicherheitsstatus 2 erreicht, was den in diesen Laboren tätigen Wissenschaftlern erlaubte, an Viren und Bakterien mittels Gain-of-Function Forschung zu experimentieren. In den letzten 2 Jahren wurden vom DoD in Kooperation mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium weitere 4 mobile Laboratorien eingerichtet, um die ukrainische Bevölkerung „epidemiologisch“ zu überwachen. Dies schien insofern nötig, da es in den Regionen um die Forschungslabore angeblich immer wieder plötzlich und unerklärlich zu Ausbrüchen von viral und bakteriell bedingten Krankheiten gekommen sein soll – das behaupten zumindest russische Medien. Die mobilen Einrichtungen sind Teil einer multinationalen Arbeitsgruppe, welche auf „globale Gesundheitssicherheit“ spezialisiert ist.

Online wird bereits gemutmaßt, dass diese Laboratorien bis vor Kurzem (wie auch in Wuhan) von Dr. Anthony Fauci und der EcoHealthAlliance unterstützt worden sein könnten. Belegt ist das nicht. Wie auch bei den Wuhanlaboren ist die großzügige Förderung für die ukrainischen Labore vom US-Verteidigungsministerium allerdings zwangsweise mit Steuermillionen finanziert worden.

Sollten Beweise vernichtet werden?

Als Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyi verkündete, die russische Armee würde „military installations“, also militärische Einrichtungen angreifen, wurden Vermutungen laut, die Angriffsziele der russischen Armee würden sich mit Standorten von US-geführten Laboren auf ukrainischem Staatsgebiet decken (Report24 berichtete). Nun behauptet man auf russischer Seite, tatsächlich Belege für Biowaffenforschungen sichergestellt zu haben.

Das russische Verteidigungsministerium verlautbarte am Sonntag, dass es über Dokumente und Aussagen von Angestellten der Labore verfüge, die belegen sollen, dass Mitarbeiter der US-geführten Forschungslabore am 24.2.2022 nach Verhängung des Ausnahmezustandes auf Befehl des ukrainischen Gesundheitsministeriums und Anordnung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi Beweise für die Forschung an Biowaffen und Bestände gefährlicher Pathogene unverzüglich hätten vernichten müssen. Zu den Pathogenen sollen etwa Erreger von Pest, Anthrax (Milzbrand), Tularämie, Cholera und anderen gefährlichen Infektionskrankheiten gezählt haben.

Die US-Botschaft in Kiew gibt auf ihrer Website an, dass in den US-unterstützten Laboren Forschung an den Erregern der Schweinegrippe, Vogelgrippe und Hantaviren vorgenommen wurde. Es wird gemutmaßt, dass die genannten Pathogene nur die Spitze des Eisberges der tatsächlich stattgefundenen Experimente darstellen könnten.

Das Nachrichtenportal ASB News Military twittert dazu Dokumente, die aus dem russischen Verteidigungsministerium stammen sollen und mit Hilfe von Google übersetzt wurden:

Die Aussagen zur befohlenen Vernichtung von Beweisen sollen sich auf Biolabore in Charkiw und Poltawa beziehen. Beide Städte sind nach erbitterten Kämpfen von der russischen Armee eingenommen worden. Weitere gesammelte Beweise sind laut Aussagen des russischen Verteidigungsministeriums in Überprüfung und könnten Verstöße von USA und Ukraine gegen Artikel 1 der UN Biowaffen Konvention beweisen. Die USA hatten bislang jeden Entwurf zur vorgesehenen Biowaffen-Kontrolle abgelehnt.

Pentagon: Nur „friedliche Forschung“

Auf der aktuellen Webseite der US-Botschaft in Kiew informierte das Pentagon am 22.4.2020 öffentlich, dass es mit der ukrainischen Regierung zusammenarbeite, um „sicherheitsrelevante Krankheitserreger und Toxine in Einrichtungen der ukrainischen Regierung zu konsolidieren und zu sichern“ und „friedliche Forschung und Impfstoffentwicklung“ beabsichtige. Die Erklärung des Pentagon war laut Webseite nötig, um „Desinformation“ von russischer Seite entgegenzutreten. Die Vorwürfe Russlands, in den Biolaboren in der Ukraine würde an Biowaffen geforscht werden, gelten auf westlicher Seite gemeinhin als Teil einer langjährigen Desinformationskampagne.

Die US-Botschaft in Kiew veröffentlichte auf ihrem YouTube-Kanal 01/2020 sogar einen Beitrag, der die Existenz der US-Labore in der Ukraine rechtfertigte und als Forschungszweck die Untersuchung von aus der Sowjet-Ära noch immer gelagerten Pathogenen angab. Aktuelle Kommentare unter dem Videobeitrag bezeichnen dieses Video als „Propaganda“ und zeigen sich perplex über die Tatsache, dass sogenannte „Desinformation“ und „Verschwörungstheorien“ sich nun als wahr herausstellen. Etliche User fragten, warum die US-Botschaft Informationen zu den Biolaboren gelöscht und Russland für die Gefährdung durch Pathogene verantwortlich gemacht hätte.

Der Leiter des BTRP „Biological Threat Reduction Program“ räumte mittlerweile zumindest ein, dass mit durchaus gefährlichen Pathogenen in den Biolaboren experimentiert wird und diese entkommen könnten, wenn etwa das Belüftungssystem ausfällt oder das Gebäude beschädigt wird.

Russland äußert Vorwürfe zu mutmaßlicher Biowaffenentwicklung schon seit Jahren

Offiziell soll das BTRP die Schaffung und Anwendung von „Weapons of Mass Destruction“, also die Produktion und Anwendung von Massenvernichtungswaffen, verhindern. Russland mahnte dennoch jahrelang, die USA würden in der Ukraine nahe der russischen Grenze Biowaffenlabore betreiben. Im April 2021 hatte Russland die USA aufgefordert, gefährliche Forschungsarbeiten, die sogenannten Gain-of-Function-Experimente, in den Biolaboren vor den Grenzen Russlands zu stoppen.

Wie viele andere Sicherheitsbedenken Russlands verhallten diese von den USA und der Weltöffentlichkeit weitgehend ungehört. Im Oktober 2021 wandten sich daher die Außenminister Chinas und Russlands an die Vereinten Nationen (UN) mit der Forderung, die USA dazu anzuhalten, sich an die UN-Konvention für Biowaffen zu halten, Einschränkungen in der Biowaffenforschung zuzustimmen und Überwachungsmechanismen durch mobile biomedizinische Sicherheitsteams zuzulassen.

Zudem beschuldigt Russland die Ukraine, „schmutzige Bomben“ mit aus dem Atomkraftwerk Tschernobyl gewonnenem Plutonium für den Einsatz gegen Russland gebaut und die noch immer strahlenverseuchte Zone um das Kraftwerk als Versteck für diese Bomben genutzt zu haben. „Schmutzige Bomben“ sind keine Atombomben, sondern enthalten mit radioaktivem Material versetzten Sprengstoff. Bei Explosion wird radioaktiver Staub freigesetzt, der durch Wind über große Gebiete verteilt wird und diese unbewohnbar machen kann. Das Einatmen dieses Staubs kann Zellveränderungen und in der Folge schwere Erkrankungen auslösen. Die russische Botschaft in Bosnien schreibt auf ihrer Facebookseite dazu, man habe die Ukraine mit Biowaffenlaboren vollgestopft, um an Möglichkeiten zur Zerstörung der russischen Bevölkerung auf genetischer Ebene zu forschen.

Realistische Befürchtungen oder reine „Desinformation“?

Glaubt man den „Faktencheckern„, so sind alle Vorwürfe Russlands bezüglich US-geführter Biolabore in der Ukraine falsch, weil die fraglichen Labore in Wahrheit rein von der ukrainischen Regierung geführt werden. Der Verdacht, dass in ukrainischen Laboren an Biowaffen geforscht werde, soll an den Haaren herbeigezogen sein. Die Lösch-Aktionen nicht nur in den sozialen Netzen, sondern auch auf der Website der US-Botschaft in der Ukraine geben jedoch zu denken: Dass kritische Menschen hier nach all den geleakten Informationen zu gefährlichen US-geförderten Experimenten in Wuhan Vertuschung wittern, überrascht wenig. Russlands Befürchtungen aufgrund möglicher Gain-of-Function-Forschung in Laboren nahe der russischen Grenze sind zumindest allerspätestens seit Aufkommen der Labor-Theorie zum Ursprung von SARS-CoV-2 auch für die Bevölkerung durchaus nachvollziehbar. Bezüglich des Vorwurfs, dass in den Laboren gezielt Biowaffen entwickelt werden, fehlt es aktuell allerdings an handfesten Beweisen: Hier kann bisher nur gemutmaßt werden, inwieweit es sich dabei um realistische Befürchtungen oder um „Desinformation“ handelt. Fakt ist, dass letzterer Ausdruck nicht zuletzt seit Covid-19 einen faden Beigeschmack hat – haben sich etliche als solche deklarierte „Falschinformationen“ doch am Ende noch als Wahrheit erwiesen…

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