An mehreren Stellen der armenisch-aserbaidschanischen Grenze kam es zu Gefechten, nachdem die aserbaidschanische Armee einseitig das Feuer eröffnete. Der armenische Präsident hat Moskau daraufhin gebeten, militärische Hilfe zu leisten. Eskaliert die Lage nun auch im Kaukasus?
Der angespannte Frieden zwischen Armenien und Aserbaidschan, die sich vor allem um das Gebiet Bergkarabach streiten, ist offensichtlich offener Gewalt gewichen. In den letzten Stunden kam es immer wieder zu heftigen Gefechten entlang der Grenzen der beiden ehemaligen Sowjetrepubliken. Dies hat die armenische Staatsführung zu dem Schritt veranlasst, den Beistandspakt der Organisation für kollektive Sicherheit (quasi dem östlichen Gegenstück zur NATO) in Anspruch zu nehmen und Moskau zu bitten, Militärhilfe zu leisten. Russland hat bereits seit dem Herbst 2020 Friedenstruppen in Bergkarabach stationiert.
Meldungen in russischen Medien zufolge bat der armenische Premierminister Nikol Pashinyan den russischen Präsidenten Wladimir Putin während eines Telefongesprächs darum, dem kleinen Land gegen den deutlich stärkeren Angreifer zu helfen. Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS teilte der armenische Regierungschef mit, dass die Aserbaidschaner gegen Mitternacht damit begannen, armenisches Territorium mit Artillerie und großkalibrigen Waffen zu beschießen. Die internationale Gemeinschaft müsse reagieren.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die Reaktion Moskaus eher verhalten ausfällt, zumal sich das Land derzeit keinen Zweifrontenkrieg leisten kann. Schon während der letzten Scharmützel blieb Moskau zurückhaltend und versuchte, sich nicht zu sehr in den Konflikt hineinziehen zu lassen, um sich als neutraler Friedenshüter zu etablieren.
Andererseits erhält Aserbaidschan Unterstützung aus der Türkei, welche trotz der NATO-Mitgliedschaft immer wieder ihr eigenes Ding dreht – geschuldet ist dies Präsident Erdogan, der neoosmanische und großtürkische Pläne hegt. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Ganze noch entwickeln wird.
Die OVKS will intervenieren
Der Rat der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) hat auf einer außerordentlichen Sitzung, die am Dienstag als Videokonferenz abgehalten wurde, beschlossen, eine Mission unter Leitung des Generalsekretärs nach Armenien zu entsenden, um die Situation aufgrund der Eskalation an der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan einzuschätzen. „Während der Sitzung des Rates für kollektive Sicherheit wurde vereinbart, eine Mission der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit unter Leitung des Generalsekretärs der OVKS, Stanislaw Zas, unter Beteiligung des Chefs des OVKS-Stabs, Generaloberst Anatolij Sidorow, und Vertretern der OVKS-Mitgliedsstaaten in die Republik Armenien zu entsenden, um die aktuelle Lage einzuschätzen, einen ausführlichen Bericht an die Staatsoberhäupter auf der nächsten Sitzung des kollektiven Sicherheitsrates (die im Herbst in Eriwan stattfinden soll) über die Lage in der Region zu verfassen und Vorschläge zur Deeskalation der gegenwärtigen Spannungen zu entwickeln“, berichtete der Pressedienst des Sekretariats der Organisation, so die Nachrichtenagentur TASS.
Offensichtlich geht man davon aus, dass Aserbaidschan keine umfassende Invasion in das Nachbarland starten wird, so dass man zuerst die Lage sondieren möchte. Eine Eskalation durch eine militärische Intervention liegt nicht im Interesse der von Russland geführten OVKS.