Staaten kommen, Staaten gehen. Grenzen werden immer wieder verschoben. Nichts ist in Stein gemeißelt – schon gar nicht staatliche Grenzen. Dies muss man auch in den Konflikten um Israel, das Kosovo oder die Ukraine akzeptieren. Schlussendlich ist alles eine Frage der Machtpolitik und der staatlichen Durchsetzungskraft.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Seit der Entstehung von Staaten und Reichen haben sich die Grenzziehungen im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Teils als Ergebnis von Kriegen, teils durch die Heiratspolitik des Adels, teils auch durch Verträge und Abkommen. Nur wenige der heute existierenden Staaten können von sich sagen, dass ihre Grenzziehung seit mehreren Jahrhunderten Bestand hat.
Einer dieser Staaten ist beispielsweise Portugal, dessen europäische Grenze (jene mit Spanien) im Jahr 1297 im Vertrag von Alcanizes festgeschrieben wurde. Wenn man die portugiesischen Kolonien außer Acht lässt, wäre dies wohl die älteste beständige Grenze Europas. Jene zwischen Spanien und Portugal entlang der Pyrenäen wurde im Jahr 1659 festgelegt und hat bis heute Bestand. Im restlichen Europa gab es seit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches unzählige Staaten und Reiche, die aufblühten, zerfielen und immer wieder ihre Grenzverläufe veränderten.
Die letzten großen Veränderungen bei den Grenzen und Staaten in Europa kamen mit dem Ende der beiden Weltkriege 1919 bzw. 1945, sowie mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks 1989/1990 und dem Ende des Jugoslawienkrieges 1995. Die Abtrennung des Kosovo von Serbien, die Rückkehr der Krim zu Russland oder auch nun im Zuge des Ukraine-Krieges die Einverleibung der östlichen ukrainischen Oblaste in die Russische Föderation sind hierbei faktisch nur eine Kontinuität der Geschichte.
Ähnlich sieht es im Falle des Nahen Ostens aus, dessen heutige Grenzen vor allem ein Resultat der kolonialen Geschichte sind. Der heutige Staat Israel wurde im Jahr 1948 auf dem britischen Mandatsgebiet Palästina gegründet. Doch schon davor wurde im „Peel-Report“ die Aufteilung des Gebietes in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorgeschlagen, was auch die UN-Generalversammlung im Jahr 1947 beschloss. Dabei sollte Jerusalem als heilige Stätte für Juden, Christen und Moslems unter UN-Verwaltung gestellt werden. Ein Vorschlag, der bei der jüdischen Bevölkerung Palästinas damals weitestgehend akzeptiert wurde, nicht jedoch von den meisten Arabern.
Im 15 Monate lang andauernden Israelischen Unabhängigkeitskrieg als Folge der Kriegserklärung von sechs arabischen Staaten eroberten die israelischen Truppen zusätzliche Gebiete. Als Folge des Sechstagekrieges 1967 kam die israelische Kontrolle über den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem hinzu. Seitdem werden dort immer mehr jüdische Siedlungen gebaut, was den Unmut der Araber dort noch weiter verstärkt.
Doch auch hier gilt: Grenzen sind nicht in Stein gemeißelt, sondern das Resultat von verschiedenen Ereignissen. Ob Israel nun im Zuge dieses neuen (vom Hamas-Terroranschlag ausgelösten) Krieges mit der Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen zumindest dort für neue Verhältnisse sorgt oder nicht, wird sich noch herausstellen. Aber schlussendlich wird auch in diesem Fall die reale Machtpolitik über die Akzeptanz von neuen Grenzen entscheiden.