Eine alte sowjetische Aufklärungsdrohne vom Typ Tu-141 flog von der Ukraine aus über Rumänien und Ungarn, bis sie dann in Kroatien abstürzte und explodierte. Sie hatte eine Bombe an Bord. Wer hat sie losgeschickt?
Am 11. März gegen 23 Uhr wurde die kroatische Hauptstadt Zagreb von einer Explosion erschüttert. Die staatlichen Einsatzkräfte fanden einen Krater mit drei Metern Durchmesser und einem Meter Tiefe, sowie Überbleibsel eines „pilotenlosen Militärflugzeugs“. Augenzeugen haben allerdings offenbar einen Fallschirm in der Nähe der Absturzstelle gefunden. In einer Pressemitteilung des kroatischen Präsidialamtes wird Präsident Zoran Milanovic mit der Aussage zitiert, das Flugzeug sei in den kroatischen Luftraum eingedrungen, nachdem es über 40 Minuten lang unentdeckt über Ungarn geflogen sei. Die Drohne flog dann weniger als sieben Minuten im kroatischen Luftraum und stürzte in der Nähe von Jarun ab. In der Erklärung heißt es weiter, dass die Drohne aus der Ukraine mit über 500 Knoten und in einer Höhe von 1.300 Metern einflog.
Ersten Untersuchungsberichten aus Kroatien zufolge verlor die Drohne das Steuersignal und flog, bis ihr der Treibstoff ausging. Ungarischen Quellen zufolge gelangte die Drohne über Rumänien in den kroatischen Luftraum, ohne von der Luftabwehr entdeckt zu werden. Der Vorfall wird als schwerwiegender Zwischenfall behandelt, und Kroatien hat eine Untersuchung eingeleitet, um zu klären, wie eine alte Drohne aus der Sowjetära unentdeckt durch den NATO-Luftraum fliegen konnte. Allerdings hieß es später, dass die rumänische Luftraumüberwachung die Drohne entdeckt habe.
Tyler Rogoway von The War Zone ist nach eingehender Prüfung der visuellen Beweise der festen Überzeugung, dass es sich bei dieser Drohne um eine Tu-141 „Strizh“-Aufklärungsdrohne handelt, die eine schwere Fehlfunktion gehabt haben muss. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, ob sie von der Ukraine oder von Russland losgeschickt wurde, aber einigen Berichten zufolge trug sie russische rote Sterne. Noch mehr Verwirrung stiften Quellen des ukrainischen Militärs, die behaupten, die Drohne gehöre nicht ihnen. Ebenso sagt das russische Militär, es habe nichts damit zu tun.
Die Tupolew Tu-141 Strizh ist eine sowjetische Aufklärungsdrohne, die in den späten 1970er und 1980er Jahren bei der Roten Armee eingesetzt wurde, bevor sie Anfang der 1990er Jahre ausgemustert wurde. Im Jahr 2014 ließ die Ukraine die Drohne nach der Invasion der Krim „wiederauferstehen“, da nach dem Zerfall der Sowjetunion große Bestände dieser Drohne in ihrem Hoheitsgebiet verblieben. Berichten zufolge wurden in den letzten zwei Wochen einige Tu-141 eingesetzt, wobei mindestens eine abgeschossen wurde, wie auf Fotos in sozialen Medien zu sehen ist. Auch hier ist es nicht möglich zu überprüfen, wer die Drohnen wirklich betreibt.
Die kroatischen Behörden haben indessen die NATO wegen ihrer „langsamen Reaktion“ auf die militärische Drohne scharf kritisiert. Die NATO erklärte, die integrierte Luft- und Raketenabwehr der Allianz habe die Flugbahn des Objekts verfolgt. Der kroatische Premierminister erklärte jedoch, dass die kroatischen Behörden nicht informiert worden seien und die NATO erst auf Fragen von Journalisten reagiert habe. „Wir können diese Situation nicht dulden, und es hätte auch nie dazu kommen dürfen“, sagte Ministerpräsident Andrej Plenkovic bei einem Besuch der Absturzstelle. „Dies war eine klare und eindeutige Bedrohung, und sowohl die NATO als auch die EU hätten reagieren müssen“, sagte er. „Wir werden daran arbeiten, die Bereitschaft nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen zu erhöhen“.
Die Tu-141 ist eine relativ große Aufklärungsdrohne mittlerer Reichweite, die für Aufklärungseinsätze mehrere Kilometer hinter der Front mit transsonischer Geschwindigkeit ausgelegt ist. Als Nutzlast kann sie eine Reihe von Filmkameras, Infrarot- und EO-Bildgebern sowie ein Radargerät mit sich führen. Einige dieser Nutzlasten werden Berichten zufolge mit der Aufklärungsvariante der Su-24 Fencer geteilt. Wie frühere Tupolew-Konstruktionen hat auch die Tu-141 einen dartähnlichen Deltaflügel am Heck, nach vorne gerichtete Canards und ein KR-17A-Turbotriebwerk oberhalb des Hecks. Sie wird mit einem Feststofftriebwerk von einem Anhänger aus gestartet und landet mit Hilfe eines am Heck montierten Fallschirms und Retro-Raketen, was die Berichte über den Abschuss der Drohne und die am Tatort gefundenen Fallschirme erklären könnte.
Nun stellt sich jedoch die Frage, ob jemand mit dem Einsatz dieser Drohne quasi einen „Bündnisfall“ der NATO auslösen wollte. Da es schwer nachzuvollziehen ist, wem die Drohne tatsächlich gehört, hätten Extremisten in der Ukraine so versuchen können, einen „russischen Angriff“ auf NATO-Territorium vorzutäuschen – mit verheerenden Folgen. Allerdings könnte es sich auch einfach nur um eine klassische Fehlfunktion gehandelt haben. Dennoch bleibt die Frage offen, wie dieses Fluggerät unbehelligt bis nach Kroatien fliegen konnte.