Berliner Polizisten wird es in Zukunft unmöglich sein, bei Kapitalverbrechen die Kennzeichnung „Migrationshintergrund“ bei einem Täter anzubringen – und man kann auch nicht mehr nach diesem Kriterium suchen. Diese erneute Demonstration „falsch verstandener Toleranz“ der linken Stadtregierung stieß sowohl in der Staatsanwaltschaft als auch der Polizeigewerkschaft auf Unmut.
Von Aurora Peregrine
Das Polizeicomputersystem POLIKS gibt zukünftig keine Hinweise mehr zu einem Migrationshintergrund von deutschen Tatverdächtigen unter 21 Jahren. Bis vor Kurzem noch musste die Berliner Polizei bei der Protokollierung von schweren Verbrechen Folgendes beachten: Ist der Täter unter 21 Jahre? Wenn ja, hat dieser einen Migrationshintergrund? Wurden beide Fragen bejaht, musste der Sachbearbeiter den Täter per Mausklick mit „Migrationshintergrund“ kennzeichnen.
In Deutschland ist die Polizei Ländersache und somit ergeben sich auch in der Datenerfassung Unterschiede. Vom Frühjahr 2011 bis Sommer 2022 stand der Berliner Polizei diese Zusatzfunktion zur Verfügung. Deutsche Strafverdächtige, welche das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, wurden somit im POLIKS gekennzeichnet. Die Auswahl der Funktion war für Kapitaldelikte wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Rohheitsdelikte vorgesehen.
Mit der Einführung im Jahr 2011 versprach sich die Berliner Politik einen Zugewinn an Erkenntnissen, die über mögliche Zusammenhänge zwischen Migrationshintergrund und sozialer Fehlentwicklungen oder ungleicher Bildungschancen geben sollten. Daraus resultierend sollten Präventionspakete geschnürt werden, um die Kriminalität einzudämmen und vermutlich, um die Integration zu fördern. Diese Möglichkeit der Informationsgewinnung ist seit 3. August 2022 passé.
Als Begründung für die Deaktivierung der Filterfunktion trug die Berliner Behördenleitung folgende zwei Hauptargumente vor: Die gewonnenen Informationen blieben weitestgehend ungenutzt und die Auskunft über den Migrationshintergrund widerspreche den Datenschutzrichtlinien.
Bei dem Berliner Oberstaatsanwalt und Autor Ralph Knipsel stößt diese Entscheidung auf Unverständnis. Für Knipsel hätte die Kennzeichnungsmöglichkeit eine hohe Bedeutung gehabt und unter anderem Einblicke in die Person des Täters zugelassen und zukünftige Prognosen ermöglicht.
Auch seitens der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kam Kritik. Der GdP-Sprecher Benjamin Jendro sprach von „falsch verstandener Toleranz“. Allein die Hinweise auf den Migrationshintergrund haben auch Relevanz für die kriminalpolizeiliche Arbeit. Die Stadtverwaltung begründete die Maßnahme auch damit, dass der Migrationsanteil in Berlin insgesamt hoch sei.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass das Berliner Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2022 einen Entwurf zur Novellierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes (PartIntG) verabschiedete. In dem daraus entstandenen Partizipationsgesetz (PartMigG) wird besonderer Wert auf die Vielfalt von Berlins Lebensweisen gelegt. So wurde zum Beispiel das Wort Migrationshintergrund ersetzt. Damit soll in Zukunft Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung entgegengewirkt werden.
Ab sofort entspricht es dem guten Ton, von Menschen mit Migrationsgeschichte zu sprechen. Die Diversität Berlins soll sich auch im öffentlichen Dienst widerspiegeln – in der Verwaltung als auch in der Politik. Das heißt im Klartext, dass der Beschäftigungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Sektor erhöht wird.
Ob die Deaktivierung des Buttons „Migrationshintergrund“ mit der Partizipationsagenda einhergeht, kann jeder für sich selbst beantworten.