Ein Insider packt aus: Thomas Schrems, der ehemalige Chef des Chronik-Ressorts der Krone, sprach gestern in einem Social Media-Beitrag Klartext über Sebastian Kurz und dessen „Großzügigkeit“ gegenüber Journalisten. Die Kurz’sche Message Control war schon lange vor der Corona-Krise Fakt: Auch bevor der „Gottkanzler“ sein Amt antrat, war es ihm überaus wichtig, dass wohlwollend über ihn berichtet wird.
So geht es im Beitrag um das „systematische Einlullen und Gefällig-Machen von Journalisten“. Schrems beschreibt, wie Journalisten ihre eigentlichen Aufgaben – das kritische Hinterfragen und Berichten – zurückdrängen und lieber schweigen:
Bloß, weil sie [Anmk: Politiker wie Kurz] dich plötzlich am Handy anrufen. Bloß, weil sie dir (rein dienstlich natürlich) die tollsten Reisen anbieten, die besten Exklusivgeschichten, dich in die teuersten Restaurants entführen und so weiter. Und da kann es dann auch passieren, dass man (wenn auch leicht beschämt und mit reichlich Alkohol kompensiert) wegsieht und schweigt …
Blick hinter die Kulissen
Der Ex-Journalist Schrems, der seinen Job bei der Krone 2014 an den Nagel hängte und heute als Ghostwriter arbeitet, liefert mit seinen Ausführungen einen Blick hinter die Kulissen der Mainstream-Medien. Also jene Medienhäuser, die durch ihre linientreue Berichterstattung nicht zuletzt auch die Corona-Krise stets eifrig befeuert und jede Handlung ihres geliebten Kanzlers in den Himmel gelobt haben.
Gegenüber dem Medium ZackZack beschreibt Thomas Schrems seinen Brief als Psychohygiene: In den letzten Jahren habe sich einiges angestaut – und die jüngsten politischen Ereignisse taten nun offensichtlich ihr Übriges.
Nicht ohne Selbstkritik
In seinem langen Brief an Sebastian Kurz, den der ehemalige Krone-Journalist bei Facebook und auf Twitter teilte, arbeitete er auch seine eigene Geschichte mit dem Noch-Kanzler auf: Nach dem ersten Treffen in der „Kronen“-Kantine (lange vor Kurz‘ Machtübernahme) liest man da weiterhin über gemeinsame Reisen „in aller Herren Länder“ (natürlich fernab vom „Pöbel“). Schrems zählte gar zu den Glücklichen, die Kurz um ihre Meinung bat, ob er den Job als Außenminister annehmen solle. Der Ex-Journalist kennt die Masche des Kanzlers gut – aus eigener Erfahrung. Und er spart nicht mit Kritik an seinen Kollegen, die auf sie hereinfallen (so wie er selbst damals).
Wurde je eine Zeile darüber oder über dergleichen geschrieben? – Nicht dass ich wüsste. Vielmehr hat es sich auch hier – einmal mehr – bezahlt gemacht, dass nur sorgfältig ausgewählte KollegInnen ausgewählter Medien (auf Regimentskosten, versteht sich) mit an Bord waren.
Ja, und so wächst und wächst sie, die kontrollierte Nähe. Ganz hin und weg ist unsereiner vor lauter blendender Macht-Mitspielerei.
Kurz sei in der Verhaberung von Journalisten ganz besonders geschickt – geschickter noch als seine Kollegen. Denn Kurz sei bei weitem nicht der einzige Politiker, der Medienleute auf diese Weise anfüttert, schreibt Schrems.
Der komplette, überaus lesenswerte Brief von Schrems an den Herren Bundeskanzler lautet wie folgt:
DER LUFTBALLON GEHT SO LANGE ZUR NADEL … BIS ES “PUFF!” MACHT
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
lieber Sebastian!
Weißt du noch, damals … du meine Güte, lang ist’s her.
DU, der gerade erst aus dem Geilomobil gekletterte, vermeintlich „kleine“, frisch gebackene Staatssekretär für Integration (was ist bloß aus deiner Haltung von damals geworden – oder war das auch bereits alles knallhartes Kalkül auf deinem steilen Weg an die Macht?) …
… und ICH, der vermeintlich „mächtige“ Chronik-Chef beim Kleinformat. Unser erstes Mal sozusagen – an dem kleinen Ecktisch in der „Krone“-Kantine. Und neben dir dein eisern aufstrebender Adlatus, der sich bald schon zum Bullterrier in Sachen Message-Control der türkisen Familie mausern sollte. Wobei ja Familie ein Begriff ist, der – wie ich meine – nicht durch eure Umtriebe entehrt werde sollte.
Sei´s drum.
DU also, damals losgeschickt von deiner Chefin & Innenministerin, um dich im Pressehaus anzudienen, um dich in diesem wahrhaftigen Zentrum der Macht, wie es heißt, vorzustellen (kein Scherz! So war das damals Usus, auch bei Ministern und Konsorten, auch sie mussten allesamt antanzen) …
… dich vorzustellen also in der Höhle des Medienzaren und freundliche Nasenlöcher zu machen. Im Dreierpack quasi. Zuallererst natürlich ganz oben, im 16. Stockwerk, beim alten Herrn, wie wir ihn nannten, Hans Dichand sel. Dann beim Chefredakteur. Und hinterher bei mir.
Ja, ja, ich gebe es unumwunden zu: Ein klein wenig gebauchpinselt gefühlt hab ich mich schon. Und ein klein wenig ins Fliegen geraten vor lauter „Einfluss“ und so weiter war ich damals wohl auch schon. So viel Selbstkritik muss sein.
Und dann erst jener Sonntag (ich weiß es noch wie gestern), als DU mich in der Redaktion anriefst und fragtest, ob du den Job des Außenministers annehmen sollst? – Nein, nein, dass hier bloß kein falscher Eindruck entsteht. Bestimmt hast du dir von Dutzenden eine Meinung eingeholt. Weil dir ein breites Spektrum an Meinung, insbesondere, was dich selbst, deine Außenwirkung etc. betrifft, seit jeher wichtig war.
Lustig war das aber schon. Damals. Die vielen gemeinsamen Reisen in aller Herren Länder. Nicht zu vergessen jene, als DU und dein späterer Bullterrier in nachmitternächtlicher Laune mich, den Schreiberling, in einer Rooftop-Bar in New York in den Pool zu den halbnackten Mädels werfen wolltet – es dann aber doch bleiben ließet.
Du meine Güte, und was da nicht auch alles off-the-record geunkt wurde auf diesen Reisen. Der „Pöbel“ kam, soweit ich mich erinnere, allerdings nicht explizit zur Sprache (na ja, das Thema hat der Thomas jetzt eh ausreichend abgedeckt). Aber sonst allerlei. Doch das ist eine andere Geschichte und gehört nicht hierher.
Und so ging es eben Schlag auf Schlag. Mit dem systematischen Einlullen und Gefällig-Machen von Journalisten. Mit dem alten Spiel aus Geben und Nehmen (da eine exklusive Story, dort Publicity für den aufgehenden Politik-Stern). Diese Art von Verhaberung, deren Früchte heute ebenfalls unter der Message-Control durch Euresgleichen firmieren.
Irgendwie verlief das Spiel stets auf einer leicht schiefen Ebene – doch dazu gehören bekanntlich zwei. Einer, der mehr nimmt, und einer, der naiv genug ist, mehr zu geben. Also: Schwamm drüber, lieber Sebastian. Immerhin bin ich ja selber schuld. In der Rückbeschau.
ABER:
Ich habe abgeschworen. Dem Blatt und auch gleich dem Tagesjournalismus als solchem. Vor Jahren schon und aus vielerlei Gründen. Allen voran natürlich das Nest selbst, in dem ich wohlbestallt saß und werkte. Die Zentrifuge des Wahnsinns, wie wir die Redaktion nannten. Aber auch: die eigentliche Zentrifuge der Macht. Dort, wo der Bartel den Most her – und so mancher Bundeskanzler sich seine Watschen abholt.
Dort auch, wo dieses Spiel des Gebens und Nehmens bis zur Perversion perfektioniert wird. Wenn der Eine (nennen wir ihn: DU und deinesgleichen) schaut, was so an manipulativem Dreck reingeht und ob er damit durchkommt – und der Andere (nennen wir ihn: ICH und meinesgleichen) denkt: „Na, wird schon passen.“
Und so kommt es bisweilen, dass ICH und meinesgleichen dabei den Blick fürs Wesentliche verlieren. Weil wir aus einem sich mehr und mehr verselbständigenden Reflex heraus agieren. Eine Art „Adabei-Reflex“, der die ursprünglichen Aufgaben des Journalisten (das kritische Hinterfragen, Berichten etc.) mehr und mehr zurückdrängt – und im Gegenzug dem Promi-Faktor zu seinem „Recht“ verhilft. Weil doch Licht und Glanz der „großen Namen“ ringsum so sehr hereinstrahlen, dass man fast nicht anders kann als …?
Genau. Nichts. Mitstrahlen. Wegsehen. Schweigen.
Bloß, weil sie dich plötzlich am Handy anrufen. Bloß, weil sie dir (rein dienstlich natürlich) die tollsten Reisen anbieten, die besten Exklusivgeschichten, dich in die teuersten Restaurants entführen und so weiter. Und da kann es dann auch passieren, dass man (wenn auch leicht beschämt und mit reichlich Alkohol kompensiert) wegsieht und schweigt …
Kleines Beispiel gefällig? Auch wenn dieses eine nicht DICH persönlich betrifft, sehr wohl aber deine Partie (oder sagt man Partei)?
Wenn also zum Beispiel bei einer Pressereise nach Fernost (Thema: Kampf gegen die Produktpiraterie) die Delegationsleitung auf dem Rückflug sechs nigelnagelneue Golfpacks dabei hat. Für die Freunde daheim. Spottbillig (weil gefaked). Aber man könnte natürlich argumentieren: Gut, dass WIR die gefälschten Taschen gekauft haben. So sind sie wenigstens vom Markt und keine Gefahr. Oder?
Wurde je eine Zeile darüber oder über dergleichen geschrieben? – Nicht dass ich wüsste. Vielmehr hat es sich auch hier – einmal mehr – bezahlt gemacht, dass nur sorgfältig ausgewählte KollegInnen ausgewählter Medien (auf Regimentskosten, versteht sich) mit an Bord waren.
Ja, und so wächst und wächst sie, die kontrollierte Nähe. Ganz hin und weg ist unsereiner vor lauter blendender Macht-Mitspielerei. Und übersieht, dass die Handschellen dieser Nähe nach „oben“ längst um die Fesseln gelegt sind.
Ja, und so häufen sie sich – die Geschichten, die stets ungeschrieben geblieben sind. DIE Storys schlechthin, die ICH und meinesgleichen dann lieber doch nicht schreibt und sie stattdessen im Herzen trägt, um sie eines schönen Tages den Enkelkindern als eine von unzähligen Schnurren aus einem bewegten Leben zum Besten zu geben.
Natürlich wissen DU und deinesgleichen um diese Mechanismen. Ihr seid wahrhaftige Meister dieses Wissens. Und so klicken die Handschellen des Einlullens und wechselseitigen Emporhebens und Begünstigens, dass es eine wahre Freude ist.
Klick. Klick. Klick.
Ja, so war das. Ja, so ist das. Und keiner, lieber Sebastian, beherrscht dieses Spiel gekonnter und gewiefter als DU.
Und so war einer meiner vielen Gründe, dem Tagesgeschäft bei der Zeitung zu entsagen, letztlich auch dieser unsägliche Ekel, der mich damals bereits erfasst hatte angesichts der viel zu tiefen Einblicke, die mir gewährt wurden in euer Reich, in die so genannte „hohe Politik“ und ihre geistbefreit-schmutzigen Mechanismen.
Jener würgende Ekel auch, der mir angesichts des dich damals schon umschwirrenden Klüngels die Luft für ein sauberes Atmen nahm (ja, der Thomas „Jetzt-wieder-reisen-wie-der-Pöbel“ S. war auch schon munter mit von der Partie und einige andere mehr).
Und, ja, ferne Boten dieses würgenden Ekels steigen mir heute noch die Kehle empor, wenn ich sehe, wie DU und deine Spezis dieses Land untereinander aufteilen, in den Sumpf ziehen und bis zum Erbrechen der Lächerlichkeit preisgeben.
ABER ABER:
Ich habe ja abgeschworen, und ich bin der Versuchung, in den Ring zurückzukehren, nicht eine Sekunde lang erlegen. Das letzte Mal war erst vor ein paar Monaten, und ich hätte abermals in leitender Position arbeiten sollen für ein neues Medium – ausgerechnet! –, dessen Geldgeber dir und den Deinen eng verbunden sind. Bestimmt wäre das Salär ganz ordentlich gewesen (doch ich habe nicht einmal danach gefragt). Wie stolz und froh ich doch bin, nicht gezögert zu haben. Als hätte mir das Schicksal eine allerletzte Prüfung der Standhaftigkeit auferlegt – und gleich Luzifer persönlich auf mich losgehetzt.
Brrrr!
Oh nein, sehr geehrter Herr Bundeskanzler und lieber Sebastian: Besser ist´s, kleinere, bedeutend bescheidenere Brötchen zu backen. Ganz pöbelhaft. Besser ist´s, die Bodenhaftung nicht zu verlieren (oder zurückzugewinnen). Besser ist´s, ein freischaffender Buchstaben-Hin-und-Her-Schieber zu sein, der für sein Auskommen viel und hart arbeiten muss, so rechtschaffen wie die allermeisten Menschen in diesem Lande auch. Menschen, die alles Mögliche haben – bloß nicht euch verdient. Besser so … und dafür Mensch sein, Mensch bleiben.
Ach ja: Das Foto ist natürlich kein Fake (und unterscheidet sich darein maßgeblich von vielem, was aus euren Kreisen zu uns Plebs herabdringt). Nein, ich habe es seinerzeit klammheimlich (und mehr zum Spaß als aus dem Kalkül heraus, es irgendwann öffentlich zu machen) mit einem Fischauge aufgenommen, als wir beim Patriarchen von Konstantinopel waren …
… damals, als du noch der vermeintlich „kleine“ Staatssekretär für Integration mit den vermeintlich ehrlichen Ideen warst und für ein besseres, integratives und in diesem Sinne keinesfalls ausgrenzendes Miteinander der Menschen in diesem Land eingetreten bist (oder so getan hast, als würdest du) …
… damals also, als ich tatsächlich noch so blöd und verblendet war zu glauben, einer wie DU könnte, nein, wollte um jeden Preis etwas zum Besseren bewegen. Und ich dir die mediale Plattform (mit)geboten habe.
Tja.
Ich habe dieses Foto, dieses Abbild des artifiziellen Aufgeblasen-Seins, bisher streng unter Verschluss gehalten. Nun aber, in Anbetracht des miefigen Morastes, durch den DU und deine aufgeblasenen Getreuen systematisch waten, könnte die Aufnahme sinnbildlicher nicht sein.
Große, prall gespannte Hülle. Doch was steckt dahinter?
Bleibt nur noch diese Frage:
Wie viele Nadeln, wie viele Lögers und Schmids und Blümels und wie sie alle heißen mögen, braucht es noch, bis es endlich „PUFF!“ macht? Bis ein tosender Schwall türkiser heißer Luft auch dich vom Parkett fegt – und mit dir alles, was uns die längste Zeit so dreist auf der Nase herumtanzt?
Wie sagen die Kommentatoren (und Luftballon-Experten) so gerne?
Man darf gespannt sein.