In den letzten Jahren haben die europäischen Länder ihre Militärbudgets deutlich in die Höhe getrieben und eine Aufrüstungskampagne gestartet. Doch es fehlt an Soldaten. Immer mehr Länder kehren deshalb wieder zur Wehrpflicht zurück – oder überlegen zumindest die Wiedereinführung. Bereitet man sich auf einen Krieg gegen Russland vor?
Seit der Eskalation in der Ukraine und dem Einmarsch russischer Truppen in das Nachbarland übernehmen die Kriegsfanatiker zunehmend die Führung in Politik und Medien. Es werden Behauptungen aufgestellt, wonach sich Moskau mit der ehemaligen Sowjetrepublik nicht zufriedengeben werde, sondern weiter nach Westen – und damit ins NATO-Gebiet – dränge. Doch obwohl der Kreml immer wieder deutlich macht, dass man von der russischen Seite keine weiteren Ambitionen hat, wird das Schreckgespenst einer russischen Invasion aufrechterhalten.
Doch warum das? Der langanhaltende Stellungskrieg in der Ukraine schwächt nicht nur die NATO (deren Waffen- und Munitionslager sich leeren), sondern auch Russland. Ganz zu schweigen davon, dass Moskau ganz sicher keinen Krieg mit der NATO anfangen will, der garantiert nuklear geführt werden dürfte. Aber den „Kalten Kriegern“, die mit dem militärisch-industriellen Komplex verbunden sind, ist das egal. Immer wieder werden Bedrohungsszenarien aufgestellt und den Menschen wird dabei die Angst vor einer „russischen Aggression“ eingeimpft.
Neben der massiven Aufrüstung (unter anderem auch wegen des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels der NATO) trägt auch die zunehmende Wiedereinführung bzw. Ausweitung der Wehrpflicht in immer mehr europäischen Ländern dazu bei. Vor allem in Skandinavien und den baltischen Ländern schreitet dies rapide voran. Lettland war dabei der jüngste Staat, der (nach der Aufhebung im Jahr 2006) die Männer mit 18 für ein Jahr in den Militärdienst zurückholte. Norwegen will das Militärbudget verdoppeln und 20.000 zusätzliche Soldaten vereidigen. Selbst in Deutschland will man die militärischen Kapazitäten deutlich erhöhen.
Allerdings zeigen die aktuellen Daten auch, dass die NATO im Ernstfall selbst mit den eigenen vorgegebenen Zielen gegen einen „Blitzkrieg“ machtlos wäre. Denn die neuen Ziele sehen vor, dass innerhalb eines Monats 300.000 und innerhalb eines Jahres 600.000 Soldaten „aktiviert“ werden können sollten. Doch wenn Moskau tatsächlich einen breiten Angriff führen wollen würde, dann wären gezielte Schläge auf europäische und amerikanische Militäreinrichtungen mit taktischen Nuklearwaffen und konventionellen bzw. Hyperschallraketen als „erste Welle“ wahrscheinlich. Aber schon die Vorbereitung eines solchen Großangriffs würde den westlichen Geheimdiensten nicht verborgen bleiben, so dass dies höchst unwahrscheinlich bleibt.
Doch was bleibt, ist die Dauerpropaganda und die Panikmache in der Bevölkerung, um Europa wieder zu militarisieren. Angesichts dessen, dass die europäischen Regierungen schon so enorme Probleme mit ihren Staatshaushalten haben, werden dadurch wichtige finanzielle Mittel in den militärisch-industriellen Komplex umgeleitet, ohne dass die Menschen selbst davon tatsächlich einen Vorteil hätten. Wäre den Europäern wirklich an einer „Abschreckung“ gelegen, würden sie ein gemeinsames Atomwaffenprogramm umsetzen und die konventionellen Streitkräfte auf ein Minimum (z.B. Luftraumverteidigung) reduzieren. Das wäre billiger und langfristig effektiver als die aktuellen Kriegsvorbereitungen.