In Österreich gibt es einige Sprichwörter, die das Problem auf den Punkt bringen. Eines davon lautet „wo Menschen sind, da menschelt es“. Im Grunde genommen ist es egal, aus welcher sozialen Schicht man stammt, irgendwann schlagen Eigenschaften wie Neid, Eifersucht, Selbstüberhöhung und dergleichen mehr durch. Auf der Seite des „kritischen Widerstandes“ nennt man sich „aufgewacht“ und Andersdenkende „Schlafschafe“. Auf der Seite des Systems nennt man sich „woke“ und die anderen „Nazis“. Nüchtern betrachtet sind es zwei Seiten derselben Münze und nichts davon ist besonders hochwertig.
Ein Kommentar von Florian Machl
Eigentlich sehnen sich viele Menschen nach Harmonie und gemeinsamen Zielen – so sagen sie zumindest. Vorgeblich wünscht man sich Freiheit und die damit einhergehende Meinungsvielfalt. Das Problem daran: Beide Seiten geben vor, dieses Ziel zu verfolgen. Und letztendlich bleiben am Ende der Krieg gegen das Eigene, Intoleranz und Denkverbote übrig. Und: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.
Dass Menschen sich so verhalten, wie sie es wohl immer getan haben und immer tun werden, relativiert auch viele „große“ Verschwörungstheorien. Bringen Sie doch einmal in einem beliebigen Verein 20 Menschen und ihre jeweiligen Partner an einen Tisch und versuchen Sie, alle gemeinsam in eine Richtung zu arbeiten. Eine Zeit lang mag das ja gut gehen, bis die Eifersüchteleien beginnen. Persönliche Zu- und Abneigung, Neid auf das, was andere tun und haben, sexuelle Interessen und dergleichen mehr. Sie kennen es, jeder kennt es. Setzen Sie nun 20 Multimilliardäre an einen Tisch – und Sie haben unter Garantie denselben Effekt. Auch bei ihnen handelt es sich nur um Menschen mit ihren Ehepartnern und gänzlich trivialen Problemen im Hintergrund, sei es auf der einen Seite, wer die größte Yacht hat, aber auch wie es Oma im Krankenhaus geht. Die Dynamik ist dieselbe wie im örtlichen Kleinverein.
Der Zwang zur Überhöhung der eigenen Gruppe
Quer durch alle möglichen Tätigkeitsfelder und Hobbys gibt es auch noch die Dynamik, dass man die eigene Gruppe überhöht und andere Gruppen abwertet. Das kennt man vielleicht schon aus dem Kindergarten, wo die Tigergruppe natürlich die viel cooleren Kinder hat als die Bären. Später ist die 1A natürlich besser als die 1B, noch später der Sportverein, dann natürlich die Abteilung der Firma gegenüber den anderen – und die Firma natürlich sowieso gegen alle anderen. Es ist aber auch die eigene Straße besser als die angrenzenden, das eigene Stadtviertel und so weiter.
All das sind Prozesse, die sich auch im vermeintlich kritischen Widerstand abbilden und nicht vermeiden lassen. Denn wo Menschen sind, menschelt es. Was für kurze Zeit durch die (tödliche) Bedrohung von außen ganz gut funktioniert hat, ist inzwischen ein Konglomerat aus Feindschaften und Eitelkeiten geworden. Viele empfinden ersichtlich mehr Lust im Kampf gegen das Eigene, als gegen die Politik aufzutreten. Auch das ist natürlich, denn „seinem Nachbarn“ eins auszuwischen geht eben leichter und schneller, als einen langen Prozess zu einer Umstrukturierung der Gesellschaft zu beginnen und aufrechtzuerhalten. Der Nebeneffekt ist, dass sich eben keine große Gemeinschaft, keine gemeinsame Vision entwickeln lässt. Wer lieber auf das Eigene hinschlägt, wird weder eine Partei wie die DNA im Europaparlament finden, noch eine starke MFG, auch wenn sie wie bisher nachweislich jeden Tag aufopferungsvoll für die Menschen in Oberösterreich arbeitet.
Der Begriff „Aufgewacht“ dient der Trennung
Ich habe jüngst auf Facebook einem selbsterklärten Widerständler erklärt, dass ich das Wort „aufgewacht“ als nicht besonders gut erachte – und wurde prompt übel dafür beschimpft. Widerrede ist nicht vorgesehen, entweder man akzeptiert ausnahmslos alles, was jemand sagt oder wird sofort zum Feind erklärt. Diese Selbstabgrenzung als „Aufgewachte“ ist aber keineswegs eine Begrifflichkeit, die verbindet. Im Grunde genommen ist es eine weitere Steigerung der oben erwähnten Überhöhung der eigenen Gruppe, die in den Bereich der kultischen Sekten geht. Mit dem Begriff maßt man sich bereits an, besser zu sein, mehr zu wissen, vielleicht über ein Geheimwissen zu verfügen, das die dummen anderen nicht haben.
Das Problem daran: Viele Menschen, die sich als „aufgewacht“ deklarieren, haben ein eher unterdurchschnittliches Wissen und auch kein Interesse daran, sich weiterzubilden. Weil sie ja „aufgewacht“ sind, wissen sie schon alles – in jedem Fall genug – und wer da nicht mitmacht, ist eben der Feind. Zumindest sind die anderen „nicht ganz aufgewacht“, „nur halb aufgewacht“, garantiert also um einiges schlechter und dümmer als man selbst. Es ist exakt dasselbe Verhalten wie bei den Linksextremen, die sich als „woke“ deklarieren. Sehr beliebt ist es auch, anderen den Mund zu verbieten. Keine Theorien zu hinterfragen. Damit würde man ja „spalten“. Das Gegenteil ist wahr, letztendlich spaltet man dadurch, dass man nicht hinterfragt und damit oft auch das Falsche gewähren lässt.
All das zeigt sich auch bei vielen der früheren Alphatiere und Führungsfiguren des Corona-Widerstands. Müsste ich eine Karte zeichnen, wer wen nicht mag, wer wen sogar angezeigt hat und wer auf wessen Veranstaltung unter keinen Umständen mehr auftreten würde, wen den anderen als kontrollierte Opposition, Mitarbeiter des Verfassungsschutzes oder Globalist beschimpft – da wäre inzwischen viel Papier nötig. Und ja, wir sind damit schon lange am Niveau des oben erwähnten Kindergartens angelangt. Es geht bei vielen schon lange nicht mehr um „die Sache“, sondern ausschließlich um das Ego. Es wird nicht nur dann gesprochen, wenn es etwas zu sagen gibt, sondern völlig manisch, wann immer sich die Gelegenheit bietet, in jedes Mikrofon geröhrt. So wird auch oft zum tausendsten Mal dasselbe gesagt – und damit auch gut verschleiert, was wirklich wichtig ist – auch weil die Protagonisten große Angst davor haben, in die Bedeutungslosigkeit und Vergessenheit zu versinken.
Wer nicht bei jeder absurden Theorie mitmacht, ist der Feind
Besonders intensiv tobt der Krieg darüber, wer aufgewachter ist, bei immer absurder werdenden Randgruppenthemen. Immer unter dem Vorzeichen, dass man schon alles weiß und den anderen gar nicht mehr zuhören müsse. Die Erde wäre eine Scheibe, Produkte mit Froschlogo mit mRNA-Impfungen versetzt, Saharastaub besteht in Wahrheit aus Chemtrails, aus den Wolken regnet Graphenoxid und jede Wolkenformation ist gewiss das Produkt von HAARP. Falls Sie eine dieser Aussagen jetzt „getriggert“ hat, also besonders aufregt, sind Sie Teil des Problems. Wer Reste von Toleranz und vor allem Humor bewahrt hat, würde sich darüber nicht aufregen müssen. Das Problem vieler Menschen im kritischen Widerstand ist, dass sie einige oder alle dieser Theorien mit einer bösartigen Verbissenheit verteidigen, nicht darüber reden wollen – und bereit sind, alle Andersdenkenden zu beschimpfen und abzuwerten. Und auch hier zeigt sich, dass man um nichts besser ist, als die Gegenseite.
Es besteht kein Unterschied darin, ob man verbreitet, dass die Menschen bald an der schrecklichen Hitze sterben würden – oder dem täglichen Angstporno, dass aus jedem Flugzeug im Himmel Gift rieselt. Das tatsächliche Gift ist die verbissene Panik, mit der man auf die eigentliche Schönheit des Lebens verzichtet. Gerade jene, die immer behauptet haben, sie wären so offen und tolerant, würden gerne selbst recherchieren und sich natürlich alle Meinungen anhören, sind zu den schlimmsten Meinungsfaschisten geworden. So wie man mit den meisten Gläubigen kein kluges Gespräch über die Existenz Gottes führen kann, da es sich um ein unumstößliches Dogma handelt, kann man mit Froschlogo-Gläubigen nicht darüber reden, dass sie einem Betrug eines Satirekanals aufgesessen sind. In der Praxis gibt es sie nicht, diese Toleranz, sie ist ein schöner Traum – und auch eine Schutzbehauptung, damit man sich auf der Seite der Guten wähnen kann, während die anderen …
Wichtiger denn je: Abgrenzung gegenüber negativen Einflüssen
Am Ende des Tages wird jeder von uns versuchen müssen, sein kleines Stück privates Glück zu bewahren – und schlechte Einflüsse von sich fernzuhalten. Welche Grenzen man dabei zieht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Menschen, die sich dazu entschlossen haben, die tägliche Angst des Systems mit eigenen Ängsten zu erweitern und mit diesen auf Mission zu gehen, sind wahrscheinlich kein guter Umgang. Sich von ihnen zu trennen, sei es im realen Leben als auch in Sozialen Medien, ist keine Schande, sondern eine bewusste Entscheidung zum Positiven hin. All jene, die in ihren zahlreichen Formaten nicht aufklären, sondern damit beschäftigt sind, gegen andere Menschen zu hetzen, werden wohl nicht viel dazu beitragen, diese Welt ein kleines Stück besser zu machen. Dabei ist es oft schwierig bis unmöglich, nicht wütend über jene zu werden, die in völliger Selbstverständlichkeit unsägliche Schmutzkübel über jene ausleeren, die seit 2020 ohne auf eigene Nachteile zu achten aufgeklärt und gekämpft haben.
Es ist ein ewiges Spiel: Wer ist dazu in der Lage, andere besser zu machen – und wer drückt seine Mitmenschen durch Angst, Hass und Feindschaften stets nach unten? Und ist man dazu fähig, sich selbstkritisch zu analysieren, um festzustellen, welchen Weg man selbst eingeschlagen hat? Und zuallerletzt, wie ist es mit der Bescheidenheit. Wie wichtig ist man tatsächlich in einem schier unendlichen Universum – und wäre nicht manchmal auch etwas davon angemessen, das als „Demut“ bekannt ist?