Cum-Ex: Schwerwiegender Verdacht – klebt Olaf Scholz deswegen noch an seinem Sessel?

Bild: Kremlin.ru, CC BY 4.0 , via Wikimedia Commons

Die Ampel ist kollabiert, doch rasche Neuwahlen sind politisch nicht gewollt: Von „unabwägbaren Risiken“ schrieb die Bundeswahlleiterin nach einem Kontakt zum Kanzleramt in einem Brief, nachdem sie zuvor noch festgestellt hatte, dass raschen Neuwahlen nichts im Wege stehe. In den sozialen Netzen hegt man einen schwerwiegenden Verdacht: Könnten der Cum-Ex-Skandal und das sogenannte Bürokratieentlastungsgesetz IV, das im Januar in Kraft tritt, mit der Verzögerung zu tun haben?

Rasche Neuwahlen seien kein Problem, hieß es zunächst von der (von SPD-Innenministerin Nancy Faeser) einberufenen Bundeswahlleiterin Ruth Brand – doch nach einem Kontakt zum Kanzleramt folgte eine 180-Grad-Wende: In einem Brief an Olaf Scholz warnte sie plötzlich vor „unabwägbaren Risiken“. Wie Nius berichtet, könnte diese Formulierung zwischen Scholz-Vertrauten in der SPD und dem Umfeld der Bundeswahlleiterin abgestimmt und dann verschriftlicht und wiederum an Scholz gesandt worden sein.

Ähnlich entlarvend: Brand beklagte einen großen Papiermangel, den die Papierindustrie aber prompt dementierte. Es sei sehr wohl genug Papier vorhanden, um rasch die nötigen Wahlunterlagen zu beschaffen.

Zwar behauptete Olaf Scholz im ÖRR bei „Miosga“, er wolle den Termin für das Stellen der Vertrauensfrage nicht mehr selbst bestimmen. Die Union sieht hier allerdings eine Nebelkerze: „Scholz sollte jetzt keine weiteren Nebelkerzen werfen, sondern zügig die Vertrauensfrage stellen“, kommentierte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) gegenüber der „Bild„. „Dazu sind keine weiteren Absprachen notwendig. Bei diesem Verfahren liegt es allein am Kanzler, das Drama zu beenden und die Tür zum Neuanfang zu öffnen.“

Scholz und der Cum-Ex-Skandal

Warum klebt der Noch-Kanzler an seinem Sessel? In den sozialen Netzen sieht man einen möglichen Zusammenhang zum „Bürokratieentlastungsgesetz IV“ und dem Cum-Ex-Skandal. Scholz hatte 2016 und 2017 als damaliger Bürgermeister von Hamburg bekanntlich mehrere Treffen mit dem Warburg-Banker Christian Olearius. An den Inhalt der Gespräche will der heutige Noch-Kanzler sich nicht mehr erinnern können – was aber Medien wie t-online zufolge nicht der Wahrheit entspreche. Man bezieht sich dabei auf interne Dokumente. Brisante Schriftstücke würden zudem von der Bundesregierung zurückgehalten, wie im Januar angeprangert wurde.

Deutschlands ehemalige Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker ist inzwischen zurückgetreten und arbeitet nunmehr als Geschäftsführerin bei der Bürgerbewegung „Finanzwende“. Auf deren Website wird erörtert, dass vor allem die Vorkommnisse in Hamburg ein Schlaglicht auf enge Verstrickungen zwischen der Finanzszene und der Politik werfen würden: „Obwohl das Hamburger Finanzamt 2016 knapp 50 Millionen Euro CumEx-Gelder von der Warburg Bank zurückfordern wollte, entschied Hamburg in letzter Minute der CumEx-Bank die gestohlenen Steuergelder einfach zu überlassen. Kurz zuvor traf sich Olaf Scholz, damals amtierender Bürgermeister, mit Christian Olearius, Eigentümer der Warburg Bank.“ Scholz bestreitet aber jede politische Einflussnahme. Es gilt die Unschuldsvermutung.

BSW-Politiker Fabio De Masi legt offen, dass er schon im Frühjahr Klage eingereicht hatte.

Der offenkundige Schutz von Scholz durch die Bundesregierung – etwa durch das angeprangerte Zurückhalten brisanter interner Dokumente des Finanzministeriums – wäre freilich dahin, wenn die aktuelle Regierung durch eine neue ersetzt wird. Der Bundeskanzler genießt zwar an sich keine Immunität in Deutschland, sehr wohl aber die Abgeordneten – und Scholz und seine Minister haben Mandate im Bundestag, sind also (noch) vor Strafverfolgung geschützt.

Auch der neue Bundesfinanzminister Kukies – ein Scholz-Vertrauter – wirft Fragen auf: Er traf sich ebenfalls mit Olearius.

Im Januar geht das Schreddern los

Vor diesem Hintergrund birgt die offensichtliche Verzögerungstaktik bei den Neuwahlen besondere Brisanz, denn im Januar tritt das „Bürokratieentlastungsgesetz IV“ in Kraft, das eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre beinhaltet. Diese Belege sind wichtige Beweismittel bei Steuerdelikten wie Cum-Ex und Cum-Cum. Anne Brorhilker warnte schon lange vor Beschluss des Gesetzes: „Die Täter wissen sehr genau, welchen juristischen Sprengstoff sie in ihren Kellern und auf ihren Servern haben. Sobald das Gesetz in Kraft ist, werfen die ihre Schredder an.” Ohne Beweise keine Anklage, keine Verurteilung, kein Zurückholen des gestohlenen Geldes. Zwar wurde die Verjährungsfrist für diese schweren Delikte auf 15 Jahre erhöht, doch wenn nach acht Jahren die Beweise geschreddert werden können, läuft die Strafverfolgung ins Leere.

Zwar wurde dem Gesetz eine Ergänzung hinzugefügt, wonach für Personen oder Gesellschaften unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzen eine Sonderregelung gilt: Die Verkürzung der Aufbewahrungspflichten soll hier erst mit einem Jahr Verzögerung in Kraft treten.

Quelle

Doch ob das ausreicht? Das Zeitfenster für die Ermittlungen ist nun mehr als eng, die Uhr tickt. „Dieses Jahr müssen die Finanz- und Justizminister*innen in Bund und Ländern nutzen, um Ermittlungsbehörden zu unterstützen, damit bei möglichst vielen Banken, Fonds und Versicherungen Beweise gesichert und Ermittlungen eingeleitet werden, bevor die Belege geschreddert werden dürfen“, so liest man auf der Website der Bewegung „Finanzwende“. Andernfalls kommen die Täter mit Milliardengewinnen davon. Wie groß ist der Wille, das zu verhindern? Wie stark ist die Politik involviert?

Ein älteres Video von Anne Brorhilker. Die erwähnte Petition sammelte über 327.000 Stimmen; das Gesetz wurde trotzdem beschlossen.

Der Cum-Ex-Skandal der Privatbank M. M. Warburg & Co. ist durch die umstrittene Verbindung zu Olaf Scholz der wohl brisanteste, aber bei Weitem nicht der einzige Skandal dieser Sorte. Während der Normalbürger bei jeder Unachtsamkeit in Steuerdingen an den Pranger gestellt und hart bestraft wird, scheint man Bankern mit Vitamin B entgegenzukommen. Ein verheerender Eindruck, der da beim Steuerzahler entsteht. Naturgemäß sind es vor allem linke Kräfte, die bei Steuerraub auf die Barrikaden gehen, doch in Summe geht es hier laut der „Finanzwende“ um mindestens 10 Milliarden Euro – zieht man andere Finanzmarkttricks wie Cum-Cum hinzu, landet man nach konservativen Schätzungen bei mindestens 35 Milliarden Euro, die der Staatskasse geraubt wurden. Gigantische Zahlen, gerade, wenn man die stetigen Zankereien um den Bundeshaushalt bedenkt. Dieses Geld gehört den Bürgern und sollte zu ihrem Wohl eingesetzt werden.

Inwieweit das Inkrafttreten des Gesetzes dazu beitragen könnte, dass Scholz sich noch am Kanzlersessel festkrallt, bleibt offen. Obwohl konkrete Beweise für ein politisches Einwirken bislang fehlen, ist das Misstrauen der Bevölkerung dem Noch-Kanzler gegenüber immens. Fakt ist, dass das Bürokratieentlastungsgesetz IV ein riesiges Geschenk für einflussreiche Steuerbetrüger ist. Dass Politiker, die in irgendeiner Form in solche Verbrechen verwickelt sind, kein Interesse an einer Aufarbeitung haben dürften, sondern sich selbst schützen wollen, ist dabei mehr als naheliegend.

Scholz wird am 6. Dezember erneut vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft befragt.

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