Litauen hat eigene Sanktionen gegen Moskau verhängt und blockiert den Transit durch das eigene Territorium in die russische Exklave Kaliningrad. Moskau kann sich entsprechend rächen – militärisch oder auch mit dem Ende der Stromversorgung des NATO-Landes.
Am Samstag hat die litauische Führung erklärt, dass die Sanktionen gegen die russische Exklave Kaliningrad in Kraft treten. Das heißt, sämtlicher Güterverkehr aus Russland über Weißrussland nach Kaliningrad und zurück über die Landverbindung durch den NATO-Staat wird untersagt, wenn es sich dabei um von der EU sanktionierte Produkte handelt. Laut Reuters betrifft dies auch Kohle, Metalle, Konstruktionsmaterial und „fortgeschrittene Technologien“. Angesichts dessen, dass rund die Hälfte sämtlicher Güter über die Eisenbahnverbindung in das Gebiet fließen, wird dies die Versorgungslage dort etwas verschlechtern.
Während man seitens der osteuropäischen NATO-Länder (insbesondere jene im Baltikum) offensichtlich darauf hofft, dass Russland versucht, sich militärisch einen Korridor durchzuschlagen, dürfte die Reaktion Moskaus eher asymmetrisch ausfallen. Die englischsprachige russische Seite „StalkerZone“ berichtet dazu:
Für einige war der Vorfall ein Grund, den Suwalki-Korridor und die Aussicht auf eine endgültige Lösung des Problems mit militärischen Mitteln zurückzurufen. Im Prinzip gibt es dafür eine rechtliche Grundlage. Der Kaliningrader Transit ist fester Bestandteil des Abkommenspakets zwischen Litauen, Russland und der Europäischen Union. Nachdem er garantiert wurde, erhielt Litauen die Ratifizierung des Staatsgrenzvertrags. Im Falle einer einseitigen Verletzung der Transitvereinbarungen durch Vilnius geht die Legitimität der Grenze verloren, und Moskau erhält das Recht, die Grenze zu halten, wo immer es dies für richtig hält.
Und weiter:
Aber dies ist immer noch eine extreme Option. Natürlich sind die Risiken eines direkten Zusammenstoßes zwischen Russland und der NATO gestern deutlich gestiegen, und es gibt genug Interessenten in Übersee, die angesichts der Tatsache, dass die Ukraine nicht standhält, versuchen, das Risiko zu erhöhen, indem sie auch die Balten in den Ofen werfen. Ich hoffe ja, dass es diesmal keinen Weltkrieg geben wird, aber ein Nervenkrieg lässt sich nicht vermeiden.
Die russischen Analysten gehen davon aus, dass Moskau den Hebel bei der Energieversorgung ziehen wird, denn die baltischen Länder hängen größtenteils noch am sowjetischen Netz. Der sogenannte „BRELL-Ring“ (eine Grafik dazu finden Sie im StalkerZone-Artikel) umfasst das Stromnetz des nordwestlichen Russlands, Weißrusslands, Estlands, Lettlands und Litauens. Da Litauen sein Atomkraftwerk in Visaginas auf Druck der EU abschaltete, besitzt es keine Energie-Autonomie im Stromsektor mehr. Das heißt: Dreht Moskau dem baltischen Land den Saft ab, wird es rollende Blackouts geben. Gleichzeitig hat Moskau in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass Kaliningrad sich in Bezug auf Elektrizität selbst versorgen kann. Litauen müsste also Strom aus Weißrussland kaufen, was es bislang abgelehnt hat (weil Minsk ein Atomkraftwerk 50 Kilometer von der litauischen Hauptstadt Wilna entfernt bauen will). Die Fragen, die sich dann stellen, sind: Werden die Litauer in Minsk anfragen? Und noch mehr, ob Lukaschenko dann zustimmt und Moskau in den Rücken fällt, oder ob er die Lieferung von Strom dann kategorisch ablehnt.
Auf jeden Fall spielt Litauen ein gefährliches Spiel, welches die Stabilität der gesamten baltischen Region gefährdet. In Wilna muss man sich im Klaren darüber sein, dass Moskau auf jeden Fall auf diese Blockade reagieren wird – und vor allem, dass die Reaktion (trotz der Möglichkeit infolge des trilateralen Abkommens) nicht militärisch sein wird. Zudem dürfte es der litauischen Regierung auch bekannt sein, dass Moskau den Hebel dort ansetzen wird, wo es den Menschen wehtut. Auch wenn der Kreml bislang äußerste Zurückhaltung gegenüber Litauen (und den anderen baltischen Ländern Lettland und Estland) zeigte, obwohl sie trotz der EU-Vorgaben weiterhin die Minderheitenrechte der russischen Bevölkerung in ihren Ländern mit Füßen treten.