Nach völlig ausufernder Kritik aus dem Lager der „Hardliner“ wurde schnell noch einmal verschärft: Der Bundestag soll nun doch die Möglichkeit haben, die Corona-Vorschriften „einmalig“ und um maximal drei Monate über den 19. März 2022 hinaus zu verlängern, falls dies nötig erscheint.
von Holger W. Sitter
Ursprünglich waren die Ampel-Fraktionen aber übereingekommen, im März alle Corona-Einschränkungen vollständig zu beenden. Insbesondere Maßnahmen, die die Freiheit des Einzelnen besonders stark einschränken, will man offenbar aus dem Paragrafen 28a des Infektionsschutzgesetzes streichen. Da ich schon viel gehört und erlebt habe, behalte ich mir vor, das erst zu glauben, wenn es amtlich ist.
Dazu gehören Ausgangsbeschränkungen oder das Verbot, Sport auszuüben. Auch eine Schließung der Gastronomie oder des Einzelhandels soll es nicht mehr geben, ebenso wenig wie Reise- oder Übernachtungsverbote. Die Länder erhalten aber die Möglichkeit, unabhängig von Hygienekonzepten oder 2G- oder 3G-Regeln Kapazitätsbeschränkungen für öffentliche Veranstaltungen zu beschließen. Das Thema bleibt also heiß!
Totalitäre Inspiration aus Österreich
Die Idee nächtlicher Ausgangsbeschränkungen für alle Bürger in Österreich, hat deren grünem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein massenhaft Kritik von allen Seiten eingebracht. Zu Wochenbeginn trat ein Lockdown für Ungeimpfte in der Alpenrepublik in Kraft. Mückstein hatte vergangenen Sonntagabend in der ORF-Nachrichtensendung „ZiB2“ forsch angekündigt, dass am Mittwoch über nächtliche Ausgangsbeschränkungen für alle Bürger samt möglicher Schließung der Nachtgastronomie entschieden werden solle.
Dieses Beispiel hat die Ampel-Koalitionäre beflügelt, über ähnliche Regeln in Berlin nachzudenken. In der Verlosung sind zum Beispiel Homeoffice-Gebote, Testpflichten und Einschränkungen – insbesondere für jene, die sich impfen lassen könnten, aber nicht möchten. Allen voran möchte man an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsberufen ran und diese mittels einer Impfpflicht nunmehr zwingen, sich endlich der Nadel zu unterwerfen. Laut Grünen Fraktionschefin Göring-Eckardt ist dies nahezu fix – auch wenn noch keine endgültige Einigung erzielt wurde. Von einer Impfpflicht betroffen sind (einrichtungsbezogen, nicht berufsbezogen) zunächst Mitarbeiter in Pflegeheimen und Kindertagesstätten.
Dabei ist für viele das Problem ein ganz anderes. Die einen prägen in diesen Tagen den Begriff einer „Pandemie der Ungeimpften“ – andere halten dem entgegen, dass die Zahlen zu den Impfdurchbrüchen dringend mehr in den Blickpunkt gehören und man diesbezüglich aktiv werden müsse. Aber es ist ja nichts Neues, dass Experten, die keine allzu regierungsfreundlichen Empfehlungen zum Besten geben, keinerlei Gehör finden (dürfen).
Homeschooling: Lernrückstände schon jetzt kaum noch aufzuholen
Laut einer Allensbach-Umfrage wollen 93 Prozent aller Schüler endlich zurück in den klassischen Präsenzunterricht. Noch zu Beginn der Pandemie hieß es, dass die Gesundheit und Bildung der Kinder allerhöchste Priorität hat. Und die einstige Bildungsnation Deutschland hinkt weit zurück. Es wird schwer genug, wenn nicht sogar unmöglich, die Lernrückstände und Bildungslücken wieder aufzuarbeiten. Unsere Kinder jetzt erneut ins „Homeschooling“ und damit in die soziale Isolation zu verbannen, wäre für ihre Bildung sowie ihre und unsere Zukunft mehr als nur fatal.
Verordnungen gar nicht rechtswirksam?
Gestern machte mich ein befreundeter Journalist darauf aufmerksam, dass die erlassenen Verordnungen des Bundes zur Covid-19-Pandemie nicht im Bundesgesetzblatt verkündet sind, sondern lediglich im Bundesanzeiger. Doch dies ist lediglich eine Zeitschrift, die vom Bundesministerium für Justiz herausgegeben wird, allerdings der DuMont-Mediengruppe GmbH & Co. KG gehört.
Jetzt kommt man natürlich ins Nachdenken, denn nur wenn ein Gesetz oder eine Verordnung im Bundesgesetzblatt, dem einzigen amtlichen Gesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland, im vollen Wortlaut bekanntgemacht worden ist, dann erlangt nach Artikel 82 Grundgesetz das Gesetz oder die Verordnung seine oder ihre rechtswirksame Geltung. Sind sie aber nicht – und das macht einen stutzig!
So, oder so. Wir stehen an der Schwelle zu Veränderungen. Fragt sich nur, in welche Richtung das Pendel ausschlagen wird.
Über Holger W. Sitter
Holger W. Sitter war schon immer ein den Worten verpflichteter Freigeist. Schon 1987 übernahm er eine „linkskonservative“ Zeitung als Chefredakteur praktisch aus dem Nichts. „Mach es doch besser“, wurde dem Nörgler ans Herz gelegt und er tat, wie ihm geheißen.
Seine klassische Ausbildung machte er dann Anfang der 90er bei der WAZ in Essen und Dortmund, begleitete dann viele Jahre seinen Lieblingsverein in Sport-Kolumnen für die Westfälische Rundschau und gründete 2003 das Magazin „Gib mich die Kirsche“, das er dreizehn Jahre als Chefredakteur führte. Dann kam die Politik und holte ihn zurück – zuerst nach Düsseldorf, dann nach Berlin. Dort macht er nicht nur mit, sondern mischt sich ein. Für Report24 schreibt er jetzt mit Beginn der 20. Wahlperiode über Lach- und Sachgeschichten rund um den Bundestag.
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