Die Affäre Lena Schilling ist inzwischen so eskaliert, dass sogar große deutsche Medien berichten. Natürlich unschuldsvermutet, soll das junge, klimaradikale Mädchen, welches von den österreichischen Grünen auf den gut bezahlten Posten in der EU gesetzt wird, eine Reihe persönlicher, aber auch rechtlich relevanter Verfehlungen gesetzt haben. Die österreichische Innenpolitik liest sich aktuell wie eine Teenagerserie voller sexueller Ausschweifungen, Gerüchten und Enttäuschungen. Doch wem nutzt der Trubel? Wir hätten da mehrere Ideen …
Ein Kommentar von Florian Machl
Ausgerechnet das Zentralorgan von allem, was sich in Österreich im linken Politikbereich tummelt, der Standard, hat die Affäre angestoßen. Das kam für alle Beteiligten sicherlich überraschend, denn das Wohlwollen des Standard galt den Grünen bis dahin als sicher. Der Skandal wurde am 7. Mai 2024 mit der Veröffentlichung „Schlechtes Klima – Lena Schillings EU-Kandidatur gerät in Turbulenzen“ bekannt, seither kommen in allen Medien nahezu stündlich neue Details. Übrigens: Ein Titel, der wörtlich lautete „Schilling soll Vorwürfe gegen Klubchefin Maurer verbreitet haben“ verschwand wie durch Geisterhand wieder aus dem Online-Angebot des Standard.
Man fühlt sich als Report24 Chefredakteur gut eingebettet in dieses Fegefeuer der kindischen Skandälchen. Zuletzt hatte der Standard so intensiv auch gegen unser Haus kampagnisiert, als sich der dortige Chefredakteur-Stellvertreter in Straßburg von den Vertretern freier Medien belästigt fühlte. Wir lernten daraus: Man hat dort eine sehr dünne Haut und sieht kein Problem damit, auf dieser Basis Andersdenkende anzupatzen – teilweise mit sehr abenteuerlichen Formulierungen, die das Reich der Mythen und Märchen streiften. Genau so aufgeregt ist man in der dortigen Redaktion auch jetzt:
Ich habe gestern in einem Podcast mit Info-Direkt Chefredakteur Michael Scharfmüller über das Thema gesprochen, der auch weiterhin via YouTube verfügbar ist. Dabei war es mir wichtig, zu betonen, dass Schilling generell eine Fehlbesetzung ist, mit der man die Wähler Österreichs verspottet. Man fühlt sich an Sebastian Kurz erinnert, der auch als junger Wunderknabe wie bei einem Teenie-Band-Casting an die Spitze der Partei geholt wurde – und wir wissen, wie es endete. Es ist schlichtweg unredlich, junge, unerfahrene Menschen in solche Positionen zu entsenden, wo sie dann über Schicksal und Leben der Bürger Europas entscheiden dürfen – beispielsweise den Ukrainekrieg oder die Verteilung von Steuermilliarden.
Und ausnahmsweise gebe ich dem Standard Recht, wo Günter Traxler in einem Kommentar schreibt:
Für das, was ihr von verschiedenen Seiten vorgeworfen wird, ist sie selber verantwortlich. Aber eine gutmeinende, politisch eher unbedarfte Klimaaktivistin allein aus parteipolitischer Not zur Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl zu befördern, war nicht nur ein Fehler der grünen Parteiführung, es war auch ein Vergehen an einem unerfahrenen jungen Menschen.
Wem nutzt die Affäre Lena Schilling?
1. Die Sozialisten (SPÖ)
Ein „gelernter Österreicher“ weiß, dass Veröffentlichungen wie jene im Standard – begleitet von einer hochemotionalen Kampagne – nicht einfach so passieren. Ein Motiv haben wir schon erwähnt, die Journalisten dort sind schnell einmal persönlich beleidigt. In diesem Fall kann das aber – für die Erstveröffentlichung – nicht die ganze Wahrheit sein. Die Kampagne wurde wohl vielmehr befeuert, nachdem Österreichs Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler die Inhalte der Recherche als „anonymes Gefurze und Gemurkse“ bezeichnet hat. Kogler, der stets den grundsoliden Eindruck hinterlässt, nicht ganz nüchtern zu sein, hat damit mehrere Journalisten nicht nur persönlich beleidigt, sondern ihre offenbar intensive Recherchetätigkeit unsachlich herabgewürdigt. Das verzeiht man in diesem Medienhaus nicht.
Der größte Nutznießer der Affäre ist aber ohne Frage die SPÖ. Wir befinden uns im Wahlkampf zu zwei großen und wesentlichen Wahlen – und da geht es bekanntlich immer schmutzig zu. Einige der Personen, welche an der Veröffentlichung der Affäre beteiligt sind, stehen der SPÖ äußerst nahe. Dabei ist vor allem das Aktivistenehepaar Bohrn-Mena zu erwähnen, die ein rechtliches Dokument zur Verfügung stellten, welches die Vorwürfe gegen Schilling einzementierte. Sie hatte eine Unterlassungserklärung unterschrieben, welche ihr verbietet, strafrechtlich relevante und höchst ehrenrührige Behauptungen über die Bohrn-Menas zu tätigen.
Die Zeitung DerStandard erhält traditionell aus Richtung der SPÖ oder den in Österreich üblichen Umwegen nennenswerte Inserateschaltungen. Einen kleinen Teil dieser Geldflüsse sehen Sie in der nachstehenden Grafik aus „Wien als Anzeigekaiser„. Nachdem zu erwarten ist, dass die Grünen bei den kommenden Wahlen überall signifikant abstürzen, wäre es denkbar, dass man sich beim Standard lieber an stabile Partner hält, auf deren Wohlwollen man auch längerfristig bauen kann. Dass sich die Stadt Wien irgendwann nicht mehr in den Krallen der Sozialisten befinden soll, ist faktisch undenkbar.
2. Interner Machtkampf bei den Grünen – will Zadic die Partei übernehmen?
Bei so mancher Affäre muss man nicht nur wahrnehmen, was gesagt wird – sondern vor allem auch, was nicht gesagt wird. Wer schweigt am lautesten? Das ist ohne Zweifel die amtierende Justizministerin Alma Zadic. Mir ist bislang keine einzige Äußerung von Zadic in der Affäre Schilling bekannt. Als man sich zu fünft auf die Bühne stellte, um Frau Schilling den Rücken zu stärken, waren zwar Werner Kogler, Leonore Gewessler, Sigi Maurer und Stefan Kaineder zugegen – nicht aber Frau Zadic.
Zadic ist in Wien Listenerste für die Nationalratswahl. Bei der sehr dünnen Personaldecke der Grünen gilt sie durchaus auch als Anwärterin für den Vorsitz der Bundespartei. Nachdem den Grünen ohne Frage bei der Europawahl massive Einbußen bevorstehen, ist die Obmanndebatte nur eine Frage der Zeit.
Hinzu kommt, dass Zadic im Weltwirtschaftsforum (WEF) als „Global Shaper“ gut vernetzt ist. Das WEF ist stets darum bemüht, dass die eigenen Schützlinge weltweit in die höchsten und besten Ämter gehievt werden. Wenn eine Schattenmacht wie das WEF darauf Lust verspürt, dass eine gewisse Nachricht in gewissen Medien veröffentlicht werden sollte, finden sich Mittel und Wege – das hat die Vergangenheit gezeigt.
Das nahtlose Zusammenspiel aller Beteiligten ließe sich also auch dadurch erklären, dass es innerhalb der grünen Partei mächtig brodelt und die Bundesparteiführung alles andere als beliebt ist. Ein Gönner- und Freundeskreis rund um Alma Zadic könnte durch die Affäre Schilling und die schwere Beschädigung von Kogler, Gewessler und Maurer nun die Chance sehen, die Parteiführung auszutauschen. Dafür spricht das Schweigen der Frau Zadic – sie lässt sich in diese Schmutzkübelaffäre nicht hineinziehen – obwohl sie sonst das gesamte grünlinke Klavier beherrscht, wenn es darum geht #metoo zu brüllen und die vermeintliche Diskriminierung von Frauen aufzuzeigen.
Innerhalb der Grünen gibt es in jedem Fall etliche Bruchlinien, beispielsweise jene um die ehemalige grüne Vizebürgermeisterin Hebein. Und hier gibt es auch spannende Verbindungen. In einer Stiftung namens „COMÚN“ sitzen bzw. saßen gemeinsam: Frau Bohrn-Mena (Gründerin und Vorsitzende), Herr Bohrn-Mena (Gründer und Vorstand), Birgit Hebein und Lena Schilling (ausgeschieden). Zahlreiche Personen der „über uns-Sektion“ auf der Homepage stammen aus dem direkten, engen Umfeld der SPÖ, beispielsweise Eugen Freund oder Josef Weidenholzer. Sebastian Bohrn-Mena war übrigens für die Liste Pilz tätig, dem berühmten abtrünnigen Grünen, der aber noch beste Verbindungen in die Partei unterhält. Jüngst war er wegen einer gemeinsamen Aktion mit Alma Zadic in den Medien.
Die verbliebenen Getreuen der Lena Schilling sind hingegen auch klar, es sind ihre „Erfinder“: Leonore Gewessler, Sigi Maurer. Diese versuchen verzweifelt, mit all dem gewohnten Framing „gegen Rechts“ die Sache einzufangen – vergeblich. Dass DerStandard auf einmal ein rechtsradikales Hetzmedium sein soll, glaubt nicht einmal die grüne Parteibasis. Und der Werner, der macht da eben mit. Was sollte er denn auch sonst tun.
Man darf also nicht besonders darüber überrascht sein, wenn die Chefin der Grünen nach den Nationalratswahlen Alma Zadic heißt. Die Global Shapers des WEF werden sich freuen.
Was werden die Grünwähler tun?
Die Schilling-Affäre wird an der Wahlurne wohl für niemanden einen direkten Nutzen bringen. Es ist nicht anzunehmen, dass deshalb enttäuschte Grünwähler in Scharen zu anderen Parteien laufen. Die Grünen sind eher eine ideologie- und glaubensgetriebene Sekte. Allerdings kann man es auch innerhalb einer solchen Organisation deutlich übertreiben – und dann werden enttäuschte Wähler einfach zuhause bleiben. Die Situation sehe ich ähnlich wie damals, als die Spesenaffäre rund um HC Strache und seine Ex-Ehefrau in die Medien kam. Hunderttausende enttäuschte FPÖ-Wähler blieben der Wahl fern. Das ist die plausibelste Variante. Für die anderen Parteien werden die Mandate dann „billiger“ – aber ein Wähleraustausch wird nicht stattfinden.
Wie geht es mit Frau Schilling weiter?
Charakter und Persönlichkeit der Frau Schilling sind mir herzlich egal. Weniger egal ist der Umstand, dass es durch ihre Aktivitäten möglich ist, der Öffentlichkeit das Sittenbild in Politik und Medien näherzubringen. Besonders würzig ist der Umstand, dass der Journalist Rainer Nowak (aktuell Kronenzeitung), der gestern die Elefantenrunde zur EU-Wahl moderierte, Frau Schilling auch privat sehr gut kennen dürfte. Bei der Krone trat Schilling regelmäßig auf wie ein Superstar – hatte sogar eine regelmäßige Polit-Kolumne. Es ist doch schön, wenn Medien und Politik sich so gut vertragen. Auch das ist Österreich.
Wenn ein 23-jähriges Mädchen mit höchstem Abschluss „HBLA-Matura im Zweig Kunst“ nun die Chance hat, fünf Jahre lang nicht nur ein fürstliches Gehalt zu bekommen, sondern ständig auf Reisen gehen kann, zahlreiche Mitarbeiter anstellen und ein gewaltiges Spesenbudget ausreizen darf, stellt sich die Frage, ob sie diese Perspektive wirklich opfern würde. Es ist rechtlich völlig egal, ob die Grünen zu ihr stehen oder nicht – sie kann aktuell nicht einmal zurücktreten, wenn sie es wollte. Sie wird als Nummer Eins der österreichischen Grünen in diese Wahl gehen und mit hoher Sicherheit das Mandat für das EU-Parlament erhalten. Die Meinung der gesamten restlichen Welt ist dabei vollkommen irrelevant. Erst nach der Wahl könnte sie auf das Mandat verzichten – aber warum sollte sie das tun?