Politische Entscheidungen widersprechen immer wieder dem Hausverstand. Dr. Martin Steiner hat jüngst im Rahmen eines Schätzspiels das Phänomen der „Schwarmintelligenz“ untersucht: Nimmt man die Schätzungen aller Mitglieder einer Gruppe (beispielsweise zum Gewicht eines Gegenstands), so stellt sich heraus, dass die gesammelten Werte im Median sehr nah an der Realität liegen. Anders gesagt: Die Kombination der Fähigkeiten und Erfahrungen aller (!) Gruppenmitglieder führt ans Ziel. Dr. Steiner wirft die Frage auf: Was wäre, wenn man dieses Konzept der Schwarmintelligenz auf andere Lebensbereiche anwendet – beispielsweise auf die Politik?
Sehen Sie hier Dr. Steiners Video oder lesen Sie den Beitrag nachfolgend als Gastkommentar:
Ist Schwarmintelligenz die Rettung?
Dr. Martin Steiner befasst sich wissenschaftlich mit den Themen der Energieautarkie und Aspekten des Klimawandels. Ein Teil seiner Forschung betrifft auch das Thema „Schwarmintelligenz“.
Was ist das?
Schwarmintelligenz ist die Intelligenz der vielen – unter gewissen Bedingungen ist es möglich, dass eine Gruppe von Menschen (der “Schwarm“) bessere und vor allem weisere Entscheidungen trifft als die Einzelnen, bzw. auch bessere und weisere Entscheidungen als sog. „Experten“ oder Expertengruppen.
Steiner forscht u. a. zu genau diesen „Rahmenbedingungen“, die den Schwarm „weise“ macht. Drei davon sind:
- Diversität
- Unabhängigkeit
- Besondere Art der Dezentralisierung
Statistisches Phänomen
Die Schwarmintelligenz ist bereits gut bekannt als „statistisches Phänomen“. Beispielsweise ist eine Gruppe von Menschen sehr erfolgreich, wenn sie gemeinsam etwas schätzen soll. Und das jeweils unbeeinflusst voneinander (siehe die obigen drei Kriterien)!
Genau so etwas gab es beim Charity-Tanzabend am 30.9.2023 in der Stadthalle Ybbs. Dr. Steiner war mit seiner Partnerin dort tanzen. Es gab ein Schätzspiel: Es ging darum, das Gewicht eines Paars Tanzschuhe zu schätzen.
Nach dem Schätzspiel hat er die abgegebenen Schätzungen mit heimgenommen, weil er diese auswerten wollte. Die Auswertung wurde immer wieder aufgeschoben, bis er im Jänner 2024 für einige Tage etwas erkrankte. Daher erst jetzt das sensationelle Ergebnis!
Die beiden Tanzschuhe hatten ein Gewicht von 523 Gramm (Messung). Es gab 102 Schätzungen. Die niedrigste war 1,1 Gramm. Die höchste war 1245 Gramm. Wenn man jetzt aus allen Schätzungen den arithmetischen Mittelwert bildet und den Median, kommt folgende kleine Sensation raus:
Die Ybbser Tänzer haben geschätzt:
- arithmetischen Mittelwert 549,25 g (um 26,25 g daneben)
- Median: 518 g (um 5 g „daneben“)
In der wissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dass der Median bei Schwarmintelligenz-Experimenten immer näher bei der Realität liegt als der arithmetische Mittelwert.
Mehr Schwarmintelligenz in allen Lebensbereichen?
Und die Ybbser Sensation: die schwarmintelligenten Ybbser Tänzer haben gemeinsam NUR um 5 g „daneben“ geschätzt. Dies ist sehr verblüffend. Wäre es da nicht spannend, das Thema schwarmintelligenter Entscheidungen auch auf andere Bereiche ausdehnen? Zum Beispiel:
- auf die Art und Weise, wie Schüler beim Lernen kooperieren,
- wie man gemeinsam Produktentwicklungen vornimmt,
- oder überhaupt wie Menschen oder Menschengruppen weise Entscheidungen treffen können.
Wäre das nicht spannend, wenn Politiker keine klumpendummen Entscheidungen mehr treffen würden, sondern weise Entscheidungen?
Die Ergebnisse von Steiners Schwarmintelligenz-Forschung zeigen, dass der Weg zur schwarmintelligenten Entscheidung wie ein schmaler Berggrat sein dürfte, wenn man die Randbedingungen für Schwarmintelligenz einhält: Dann sind großartige und überraschende Ergebnisse möglich. Wenn man eine der Randbedingungen verlässt, dann stürzt man vom erfolgreichen Grat der Schwarmintelligenz hinab in das tiefe Tal der Klumpendummheit.
Feinde der Schwarmintelligenz sind:
- Intoleranz
- Indoktrination
- Manipulation
- Unfreiheit
- und natürlich das Thema „group think“.
Freunde der schwarmintelligenten Entscheidungen sind:
- Freiheit
- intrinsische Motivation
- und ein offener Verstand und Diversität.
Diversität – darunter versteht Dr. Steiner Unterschiedlichkeit und Vielfalt – bei einer schwarmintelligent agierenden Gruppe von Menschen bedeutet:
- verschiedene Lebenserfahrungen
- verschiedene Nationalitäten
- beide Geschlechter
- verschiedene Ausbildungen, also Interdisziplinarität
Wir alle können uns an katastrophale Fehlentscheidungen erinnern, als nur politisch vorselektierte Mediziner und klumpendumme Entscheidungsgrundlagen von einer ebenso klumpendummen abgehoben politischen Kaste herangezogen wurden. Daher der Ruf nach mehr Schwarmintelligenz in unserem Leben – und somit weiseren Entscheidungen für uns alle!