Eine Auflistung macht aktuell die Runde: Angeblich wäre eine Reihe von Krankheitsbildern in Italien förmlich explodiert. Darunter Herzmuskelentzündung, Totgeburten, Lungenembolien und dergleichen mehr. Als spärliche Quelle wird „Statistisches Institut der Regierung“ angegeben. Ein solches gibt es aber nicht. Wir haben versucht, die Behauptungen nachzuvollziehen.
Das nachfolgende Bild wird aktuell massiv in sozialen Medien verbreitet. Erstmals tauchte es um den 11. Oktober auf. Wer sich mit internationalen Gesundheitsstatistiken beschäftigt, wird Teile davon als plausibel einschätzen. Weniger plausibel ist allerdings der Teil mit den angeblich „plötzlich und unerwarteten“ Todesfällen. Italien hat rund 60 Millionen Einwohner. In Industrieländern ist eine Todesrate von etwa 1% bis 1,5% der Bevölkerung pro Jahr plausibel, alles darüber kann man als Übersterblichkeit mutmaßen. Wenn hier also 548.000 Tote in neun Monaten behauptet werden, ist das prinzipiell möglich, es kann sich aber nur um die Gesamtzahl der Toten handeln – aus allen nur denkbaren Gründen. Das würde dann auf eine Übersterblichkeit hinweisen, die dem Rest Europas entspricht.
Italien hatte im Jahr 2020, dem Jahr der behaupteten Corona-Pandemie, 746.146 Sterbefälle gemeldet. Diese Zahl steht in keiner Relation zur Behauptung „plötzlich und unerwartet“. Und will man mit der Formulierung suggerieren, dass die Todesfälle mit der Impfkampagne zusammenhängen, dann ist das Jahr 2020 ein schlechtes Beispiel, denn da wurde, wenn, dann erst im Dezember gespritzt.
Quelle ungenau oder frei erfunden
Als Quelle wurde „Statistisches Institut der Regierung“ angegeben. Ein solches Institut gibt es nicht. Wenn man von einem Übersetzungs- oder Flüchtigkeitsfehler ausgehen will, muss man annehmen, dass das ISTAT gemeint war (Istituto nazionale di statistica) – sozusagen das Statistische Zentralamt. Dieses hat mit der Regierung nur über Umwege etwas zu tun, es ist Teil des italienischen Staatsapparates.
Das ISTAT veröffentlicht jährlich Gesundheitsberichte – diese beziehen sich aber meist auf das Vorjahr oder das Vorvorjahr – denn das Reporting scheint nicht so einfach zu sein und die Daten müssen gruppiert und aufbereitet werden. Natürlich wissen wir, dass beispielsweise auch das statistische Zentralamt in Österreich auf politischen Zuruf hin bemüht ist, gewisse kritische Daten anders darzustellen oder nicht öffentlich zugänglich zu machen. Solche Vorgänge sind überall in Europa zu erwarten.
Todeszahlen für 2022 betreffen wenn, dann alle Gründe
Wie eben auch in Österreich gibt es in Italien regelmäßige Berichte zu Todesfällen. Zunächst sind diese unspezifisch und ohne Ursachen und werden später spezifiziert. Die neuesten Zahlen beziehen sich auf Jänner bis August 2022, wobei der August nur geschätzt ist. Veröffentlicht wurden die Daten am 20. September. Gesichert bekannt ist in diesem Zeitraum eine Gesamtzahl von 476.617 Toten. Tatsächlich könnten, bezieht man den September mit ein, die behaupteten 548.000 Toten für ganz Italien seit Jänner zutreffen – dies sind aber Todesfälle aus allen erdenklichen Gründen und außerhalb jeglichem verwertbaren Kontext. Die behaupteten Zahlen der Vorjahre stehen in keiner Relation zu der Zahl von 2022, sie können auch frei erfunden sein.
Was die einzelnen Krankheitsbilder betrifft, wären die Menschen in vielen Ländern Europas interessiert an aktuellen Gesamtstatistiken. Diese gibt es zumeist nicht – und wenn, dann nur für Fachpersonal im medizinischen, universitären und statistischen Bereich. Tatsächlich existieren diese Zahlen in Italien nur für das Jahr 2020. Für 2021 und 2022 hat ISTAT keine Zahlen publiziert und es ist glaubwürdig, dass sie in diesem Statistikamt auch noch nicht vorliegen. Wie oben ausgeführt, sind derlei Detailstatistiken auch in Italien nicht öffentlich.
Wie kann man selbst prüfen?
Unser Ratschlag ist: Verbreiten Sie solche Nachrichten nicht ohne gut darüber nachzudenken oder selbst einmal Google zu bemühen. Das ist bei behaupteten Zahlen sehr einfach und wir empfehlen die Landessprache zu verwenden. So könnte man folgende Suchvorgänge in Google eingeben:
- improvvisamente e inaspettato 548.000 +site:it
- mortalità in eccesso 548.000 +site:it
- decessi 155.000 222.000 548.000 +site:it
- aborti spontanei 279 +site:it
- infarto / infarti 269 +site:it
- embolia polmonare 458 +site:it
- disfunzione ovarica 437 +site:it
- sclerosi multipla 680 +site:it
- cancro al seno 487 +site:it
Keiner dieser Suchvorgänge ergibt ein sinnvolles Ergebnis. Alleine daraus ist abzuleiten, dass es sich um nicht sachdienlichen Hirnschiss handelt, der ausschließlich dazu dient, die Faktenchecker zu füttern und den Widerstand zu diskreditieren.
Insgesamt wäre es zwar durchaus möglich, dass es im Jahr 2022 eine starke Zunahme von Multiple Sklerose Fällen gab – das ist aber durch nichts zu beweisen – schon gar nicht durch so ein windiges Posting ohne genaue Quellenangabe. Deshalb verweisen wir bei Report24 immer auf die Quellen, die wir für unsere Berichte heranziehen – dann können die „Faktenchecker“ zwar brüllen, im Kreis springen und sich einnässen, aber es bleibt ihnen nur die Möglichkeit zu lügen (von der sie häufig Gebrauch machen). Wichtig ist es, bei der beweisbaren Wahrheit zu bleiben, dann wird sich diese auch durchsetzen.
Tatsächliche Übersterblichkeit in Italien und wie man damit umgeht
In Italien führt man die zusätzlichen Todesfälle (beispielsweise 53.000 im Juli 2022 in ganz Europa) auf die „extreme Hitzewelle“ zurück. Andere Gründe als der Klimaschwindel wurden im Online-Medienportal Rinnovabili.it nicht diskutiert. Auch die Universität Padua tippt auf die Klimakrise.
Ein anderer, aktueller Artikel aus dem Oktober berichtet über Übersterblichkeit in allen Altersgruppen und eine enorme Zunahme von Demenz in Sizilien. Dort wird „Umweltverschmutzung“ als Begründung herangezogen.