Eine friedliche Lösung in der Ukraine wurde verschlafen. Doch die Schlafwandelei geht weiter, befindet der stets so besonnene wie präzise Militärexperte Josef Paul Puntigam. Jeder Krieg beginnt lange vor dem ersten Schuss. Verschlafen wir auch den kommenden Krieg in Taiwan?
Kommentar, mit freundlicher Genehmigung von Brigadier a.D. Josef Paul Puntigam
„Andere mögen Kriege führen – du, glückliches Österreich, aber heirate!“ Wer kennt diesen Spruch aus dem Geschichtsunterricht seiner Schulzeit nicht? Heute hat sich dieser Spruch längst abgewandelt in: „Andere mögen sich Gedanken über die Vermeidung von Kriegen machen, du aber, glückliches Österreich, schlafe weiter!“
Nun, eines ist richtig – der Krieg in der Ukraine lässt sich nunmehr mit militärischen Mitteln allein nicht mehr klug lösen. Diese Chance wurde verpasst. Die militärische Kriegsverhinderung hätte vor 2014 einsetzen müssen – wurde aber auch vom Westen verschlafen – eben durch die „Schlafwandler“ der neuen Generation.
Mein Vater war Bauer und seine Schulbildung beruhte auf 8 Klassen Volksschule und 1 Jahr „Landwirtschaftliche Fachschule“. Er stand aber mit der Logik nie auf Kriegsfuß! Sein Credo lautete immer: „Du kannst nur das ernten, was du 12 Monate vorher gesät hast!“ 2022 ernten wir in der Ukraine, was die EU bzw. der Westen 2014 und davor gesät hat.
Solche Worte tun den modernen Schlafwandlern weh, ich weiß. Auch die militärische Karriere meines Vaters war mehr als bescheiden. Nach 6 Dienstjahren im Krieg ging er als Obergefreiter in die Gefangenschaft. Aber er verstand etwas von der Entstehung von Kriegen – da er logisch und folgerichtig denken konnte und daher immer betonte, dass jeder Krieg vor dem „ersten Schuss“ beginnt. Das muss ich jetzt, nachdem mein Vater bereits vor 46 Jahren in das „Dunkel hinabstieg“, als politische Denkrealität würdigen.
Jeder Krieg beginnt lange vor dem ersten Schuss. Ich kann meinen Vater nicht mehr fragen, was er vom Ukrainekrieg hält. Er sagte aber immer, wer die Ukraine hat, der hat Russland. Und Russland dominiert Europa. Das wissen auch die Amerikaner, den sie haben sich bereits 1916 (als es noch keine Nazis in Europa gab) militärisch ins europäische Geschick hineingegrätscht – und 1941 selbstverständlich wieder. Nur, 1941 sind sie gekommen, um zu bleiben. Ein Blick nach Deutschland, nach Rammstein genügt. Und um die Russen zu beherrschen, brauchen die USA Deutschland, Polen und das Baltikum!
Das meinte mein 1976 verstorbener Vater – dessen Beruf Bauer war. Mitdenkender Bauer! Damals, als er lebte, herrschte in den angesprochenen Gebieten die Sowjetunion, militärisch abgebildet im Warschauer Pakt.
Was tun in der Ukraine? Frieden schaffen unter Weglassung jeglicher Emotion, ohne Realitätsflucht, ohne Scheinweltallüren, aber mit viel gesundem Menschenverstand und Glaubwürdigkeit! Frieden kann man nur als glaubwürdiger Friedensstifter schaffen. Und Glaubwürdigkeit ruht auf den Spitzen der Bajonette, in den Speichern der Vorsorgewirtschaft, in den Gängen der charaktervollen Köpfe. Eseleien in den derzeitigen gesellschaftlichen Ausformungen skurriler Art schaffen keine Glaubwürdigkeit.
Der Krieg in der Ukraine ist schlimm – schlimm auch deswegen, weil auf jeder Seite die falschen Kapitäne am Steuerrad sitzen und daher das „Schiffchen“ leicht in unruhige Gewässer kommt. Aber ich bin nicht besorgt. Ich halte es mit Karl Valentin, der einmal gesagt haben soll: „Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist!“
Taiwan: Anschwellende Kriegsgefahr im Pazifik
Schlimm wird es, wenn wir die anschwellende Gefahr im Pazifik – um Taiwan – wieder verpennen. Noch können die USA, Japan, aber auch die EU durch glaubwürdigen militärischen Schulterschluss – abschrecken. Noch. Aber ich glaube, dass wir diese für mich größte Kriegsgefahr unter Einsatz aller Mittel friedlich lösen können.
Gelingt uns das nicht – dann gnade uns Gott! Mein Vater starb bereits im Alter von 61 Jahren. Aber solange er lebte, warnte er vor der „Gelben Gefahr“. Ich gehe mit einer strengen Sorgenfalte in die nächste Zeit. Misstrauisch beäuge ich die Präsidenten der USA, Chinas und Russlands. Aber noch misstrauischer beäuge ich das Wahlverhalten meiner Landsleute, die in der politischen Personalauswahl der letzten Jahrzehnte keine gute Hand bewiesen.
Misstrauisch beäuge ich jene Menschen, die zwar oft und gerne über die „plurale Gesellschaft“ schwadronieren, aber nicht wahrhaben können, dass der „Pluralismus“ in der Vielfalt, in der toleranten Vielfalt besteht. Wortkreationen wie Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker, Schwurbler, Putinversteher, Amihure zeigen ein grassierendes Bild einer beginnenden Meinungseinfalt statt Meinungsvielfalt auf. Da muss man sich wirklich im Ernst fragen: Wie können sonst so kluge Leute so dumm sein?