„Nur ja keinen Zwang: Ist unsere Politik beim Impfen zu feige?” – Das war der abstruse, aber vielsagende Titel einer “Hart aber fair”-Sendung im November 2021, damals noch unter der Moderation von Frank Plasberg. Warum nicht einfach alle Ungeimpften zusammentreiben und zwangsimpfen? Es wäre doch feige, es nicht zu tun? Das sollte dieser Titel wohl aussagen – und das entsprach wohl auch der Weltanschauung von fünf Personen im Studio. Die einzige Ausnahme: eine Philosophin, die für die Rechte der Ungeimpften eintrat und sich zur Strafe im Kreuzfeuer wiederfand. Bei ihr hat Plasberg sich nun öffentlich entschuldigt.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Die Gräben, die in den Corona-Jahren gezielt durch die Gesellschaft gezogen wurden, um einen widerständigen Teil der Bevölkerung durch Ausgrenzung und das Aufstacheln der Massen zum Einknicken zu zwingen, wurden nie zugeschaufelt. Allerdings haben sich die Mehrheitsverhältnisse verändert: Mit jeder “Verschwörungstheorie”, die sich in den vergangenen Jahren bestätigt hat, bekamen die Kritiker der Obrigkeit mehr Zulauf. Für viele Täter von damals bedeutet das, dass sie in Zukunft noch radikaler gegen die eigene Bevölkerung vorgehen wollen. Für andere führte es dagegen zum Hinterfragen der eigenen Positionen – und zu einem gewissen Einlenken.
Oberste Verfechter der von der Politik vorgegebenen Narrative saßen und sitzen in den Medienhäusern – vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen. Behauptet man bei den Polit-Talkshows von ARD und ZDF gern, es gehe um Debatten und Meinungspluralität, wird dort in Wahrheit eher ein betont ungleicher Kampf gegen Kritiker der politischen Führung ausgetragen: Gemeinhin lädt man eine Person mit unliebsamer Sichtweise ein, gegen die sich dann alle anderen Studiogäste samt Moderator zusammenrotten.
Fünf gegen eine bei “Hart aber fair”
In den Corona-Jahren wagte man es mitunter kaum mehr, diese kritischen Personen überhaupt einzuladen, zu infektiös erschienen wohl deren Standpunkte. Im November 2021 ließ man aber doch eine Stimme zu Wort kommen, die (obwohl selbst geimpft) sich klar auf die Seite der Ungeimpften stellte und einen Impfzwang ablehnte: Bei “Hart aber fair”, damals noch moderiert von Frank Plasberg, stellte sich die Philosophin und Journalistin Svenja Flaßpöhler der “Pandemiebeautragten” des Kreises Tübingen Dr. Lisa Federle, dem Journalisten Georg Mascolo, dem Immunologen Prof. Dr. Carsten Watzl und dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen Stephan Weil (SPD).
Nicht nur die übrigen Gäste, sondern auch Plasberg wetterten gegen Flaßpöhlers Argumentation. Dabei war die am Punkt und hervorragend vorgetragen – Zusammenschnitte finden sich noch in den sozialen Netzen. “Ich halte es wirklich für fatal und für falsch, Menschen zu kriminalisieren, die von ihrem Recht Gebrauch machen, Eingriffe in ihren Körper abzulehnen“, hatte sie konstatiert und später bekräftigt, dass die Ungeimpften kein dummes Kollektiv seien. Das Recht auf Selbstbestimmung müsse akzeptiert werden – mündige Bürger könne man „nicht wegsperren wie kleine Kinder in einen Stubenarrest“. Schon gar nicht für eine Impfung, die Infektionen und die Verbreitung des Virus ohnehin nicht verhindert. Sie verdeutlichte, dass die Impfung nicht von so vielen Menschen aus stupider Bockigkeit abgelehnt wird, sondern dass es dafür sehr wohl verschiedene Gründe gibt, die nicht einfach von der Hand gewiesen werden können.
Das alles wollten die anderen aber nicht hören. Und auch der Mainstream wollte von Flaßpöhlers Argumenten nichts wissen. Unvergessen sind solche Überschriften, wie sie etwa die Frankfurter Rundschau produzierte:

Ungeimpfte gefährden die Corona-Geimpften, indem sie sich nicht mit offensichtlich minderwertigen modRNA-Therapien injizieren lassen – denn wären die wirksam, würde man als Impfling ja nicht durch Ungeimpfte gefährdet werden. “Wie dumm kann man sein?”, fragte sich damals ein wachsender Teil der Bevölkerung angesichts der immer abstruser werdenden politischen und medialen Hetzorgie gegen die Unbeugsamen, die sich weigerten, den altdeutschen Kadavergehorsam an den Tag zu legen. Zwang und Totalitarismus ohne den versprochenen Nutzen – hier ging es nicht um Gesundheit, sondern um Macht, um ein kopfloses Brechen des Widerstands von Teilen des Souveräns.
Ironischerweise war es Plasberg selbst, der in der besagten Sendung im November 2021 die Frage stellte: “Gibt es ein Recht auf Dummheit?” Aber er meinte natürlich die Ungeimpften.
“Stillhalten”, um zu überleben
Im Oktober 2024 gab Flaßpöhler dem Cicero im Rahmen eines Podcasts ein Interview, in dem sie auch die damalige Erfahrung in dieser Sendung und die Konsequenzen aus ihrer Sicht schilderte. Sie beschrieb, dass sie im Laufe der Show realisiert hätte, dass jedes weitere Wort sie nur noch mehr zerstören würde. Die Sendung hallte offensichtlich lange für sie nach. Sie beschrieb das Gefühl, dass sie einem Tier gleich stillhalten musste, um nicht totgebissen zu werden.
Das war (und ist bis heute) das politisch und medial forcierte Vorgehen gegen Abweichler: Auf diese wird mit solcher Aggressivität losgegangen, dass sie um ihre Existenz bangen und sich gezwungen sehen, zu verstummen. Das ist keine Demokratie. Und diese Krankheit blüht bis heute: Wer die Ukraine nicht heiligsprechen will, ist ein Putintroll, wer Frieden will, ist sowieso geisteskrank und wer es auch nur im Ansatz wagt, die für jedermann offensichtlichen Konsequenzen der illegalen Massenmigration zu kritisieren, der steht auf einer Stufe mit Adolf Hitler (mit der tragischen Konsequenz, dass mancher, der in diese Ecke gedrängt wird, sich irgendwann fragt, ob der Nationalsozialismus wirklich so schlimm war, denn anscheinend ist ja eh jeder Nazi).
“Alle geben Ihnen nachträglich recht”
Schon in dieser Podcastfolge legte Flaßpöhler offen, dass Plasberg persönlich sich bei ihr entschuldigt habe. Das hat er nun im März auch öffentlich noch einmal getan: Bei der “lit.Cologne”, einem Literaturfestival, traf sie abermals auf der Bühne auf Plasberg als Moderator. Er selbst sprach sie auf ihre Erfahrungen an, woraufhin Flaßpöhler angab, sie habe wohl ein kleines Trauma davongetragen. Keines ihrer Argumente habe irgendwie verfangen: “Es war, als würde ich gleich abgeschoben in eine Schwurbelecke, als würde ich mich als Subjekt auflösen.”
Plasberg berichtete daraufhin, dass ihn noch am selben Abend seine Frau für sein Verhalten kritisiert habe: Sie hielt ihm vor, was er “da gemacht hätte”. Er erzählte: „Ich habe mich für die Sendung geschämt. Ich habe nicht verstanden, dass Sie darüber reden, wie eine Gesellschaft in einer Notlage miteinander umgeht. Das tut mir furchtbar leid. Und eigentlich müssten Sie hier heute sitzen mit einem Selbstbewusstsein bis zur Decke, weil: Alle geben Ihnen nachträglich recht.“
Zu wenig, zu spät, finden viele. Besser als nichts, finden andere. Immerhin: Einsichten wie diese sind es, die einen öffentlichen Diskurs in Zukunft wieder ermöglichen könnten. Denn wenn auch die vermeintlichen Hüter der Meinungshoheit realisieren, dass sie schrecklich falsch liegen und sich vor aller Augen unmöglich machen können, überlegen sie beim nächsten Mal vielleicht zweimal, ob sie jemanden wegen eines konträren Standpunktes fertig machen sollten. Ein Zuschütten der Gräben in der Gesellschaft ist aktuell dennoch nicht absehbar, denn die Politik gibt sich die größte Mühe, durch einen immer erbitterteren Kampf gegen Kritiker und Abweichler neue Schluchten aufzureißen.