Die Digitalisierung sensibelster Gesundheitsdaten und deren langfristige Speicherung schreiten in Österreich zügig voran. Damit nehmen auch die Angriffe auf das Grundrecht auf Datenschutz stetig zu. Die Rechtsanwälte für Grundrechte warnen aktuell vor einem neuen Gesetz, demzufolge bis 2026 der gelbe Mutter-Kind-Pass Geschichte sein wird: Stattdessen werden persönliche Daten über Schwangerschaftsuntersuchungen und Gesundheit von Mutter und Kind jahrzehntelang elektronisch gespeichert. Wer Kinderbetreuungsgeld erhalten möchte, wird um diesen sogenannten eEKP nicht herumkommen.
Im Folgenden lesen Sie die Stellungnahme der Rechtsanwälte für Grundrechte:
Stellungnahme zum elektronischen Eltern-Kind-Pass: Speicherung von Massen sensibler Daten auf Vorrat
Elektronischer Eltern-Kind-Pass bis 2026 geplant: Speicherung von sensiblen Daten von Schwangeren und Kindern auf Vorrat
Der gelbe Mutter-Kind-Pass soll nun Geschichte sein. Anfang April wurde ein Gesetz vorgelegt, mit dem geplant ist, bis 2026 die bisher auf Papier festgehaltenen persönlichen Daten über Schwangerschaftsuntersuchungen und Gesundheit von Mutter und Kind voll digitalisiert zu erfassen. Dr. David Suntinger hat sich den Gesetzestext genauer angesehen – mit dem Ergebnis: Mit Blick auf das Grundrecht auf Datenschutz lässt er einiges zu wünschen übrig, wie auch andere Institutionen in ihren Stellungnahmen schon erkannt haben.
Hier lesen Sie unsere Stellungnahme, die Sie auch auf der Parlamentshomepage noch unterstützen können! Link: eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG; Eltern-Kind-Pass-Gesetz, Änderung (602/SN-259/ME) | Parlament Österreich
Stellungnahme zum eEltern-Kind-Pass-Gesetz (eEKPG)
Im Anschluss an „erfolgreiche“ e-Health-Applikationen wie den eImpfpass und das Zentrale Impfregister soll nun nach dem Willen des Gesundheitsministers ein weiterer Meilenstein in einer Reihe von massiven Eingriffen in das Grundrecht auf Datenschutz gesetzt werden. Im Fokus der Bestrebungen jener Bundesregierung, die sich bereits durch die temporäre Einführung einer allgemeinen Impfpflicht „verdient“ gemacht hat, soll es nun zu einer massiven, massenhaften Vorratsdatenspeicherung sensibler gesundheitsbezogener Daten von Kindern, Schwangeren und Obsorgeberechtigten kommen.
Die Rede ist von dem Ministerialentwurf für die Einführung eines Elektronischen Eltern-Kind-Pass-Gesetzes, kurz eEKPG. Wie schon im Zusammenhang mit der Einführung des Zentralen Impfregisters, so soll auch hier von dem Prinzip der Freiwilligkeit abgegangen werden, das bei Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) noch als selbstverständlich gegolten hat – als Gegengewicht zu den enormen Missbrauchsmöglichkeiten, die mit der massenhaften Speicherung von Gesundheitsdaten einhergehen.
Im Gegensatz zum Zentralen Impfregister erfolgt die Datenerhebung zwar nicht ausweglos über das Zentrale Melderegister (ZMR). Dennoch ist die Zahl der österreichischen Familien denkbar gering, die auf den Bezug von Kinderbetreuungsgeld verzichten werden, um nicht im Elektronischen Eltern-Kind-Pass (eEKP) erfasst zu werden.
Voraussetzung für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld ist die Teilnahme an Untersuchungen im Rahmen des Eltern-Kind-Pass-Untersuchungsprogrammes. Bei Teilnahme an diesem Programm sind Gesundheitsdienstleistungsanbieter – wie Krankenhäuser und
Ärzte – nach dem vorliegenden Entwurf verpflichtet, eine ganze Reihe personenbezogener Gesundheits- und sonstiger Daten zu erheben und im eEltern-Kind-Pass zu speichern.
Die lange Speicherdauer von 30 Jahren bewirkt
- nicht nur eine beinahe unübersehbare und weitreichende Kontrollmöglichkeit für den Gesundheitsminister,
- sondern auch unübersehbare Risiken für die betroffenen Personen durch mögliche Datenlecks, wie diese – siehe das Negativbeispiel GIS – gerade hierzulande häufig auftreten.
Der Eindruck, dass mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sowohl das Grundrecht auf Datenschutz als auch die vom Unionsrecht in Gestalt der DSGVO sonst geschützten Rechte und Freiheiten betroffener Personen weiter massiv eingeschränkt werden sollen, erhärtet sich durch den vom Gesetzgeber vorgesehenen weitgehenden Ausschluss von Betroffenenrechten.
Das zentrale Recht auf Auskunft soll auf eng limitierte Abfragemöglichkeiten im Rahmen der zur Verfügung gestellten technischen Zugänge eingeschränkt werden – wie bereits im Zusammenhang mit dem Zentralen Impfregister bekannt. Die Rechte auf Widerspruch und Einschränkung der Datenverarbeitung sollen vollkommen ausgeschlossen werden, soweit Betroffene sie gegen die Auswertung der massenhaft gespeicherten Gesundheitsdaten durch den Gesundheitsminister zu schwammigen, intransparenten Zwecken wie
- „Beantworten gesundheitspolitischer Fragestellungen“,
- „Auswertungen der medizinischen Überwachung“ oder
- „Evaluierung des Nutzungsverhaltens“
geltend machen möchten. Der Gesetzesentwurf nähert sich hier Formulierungen, die aus den Nutzungsbedingungen von Plattformen sozialer Netzwerke stammen könnten.
Als Anwälte für Aufklärung sprechen wir uns entschieden gegen diesen neuen Angriff auf das Grundrecht auf Datenschutz aus. Die dem Entwurf eingeschriebenen Ziele der „verbesserten Erreichbarkeit bildungsferner Familien und Frauen“ oder des „vereinfachten Zugangs zu Untersuchungsergebnissen für beteiligte Gesundheitsdiensteanbieter“ können nicht annähernd die Gefahren aufwiegen, die mit einer zentralen Vorratsdatenspeicherung sensibler Gesundheitsdaten einhergehen. Die Gesetzesvorhaben aus dem Hause des Gesundheitsministers in den letzten Jahren zeigen: Gerade das in den Erläuterungen weiters genannte Ziel „gesundheitspolitischer Steuerung“ muss zu Wachsamkeit und Widerstand aufrufen.
Verein Rechtsanwälte für Grundrechte – Anwälte für Aufklärung
ZVR-Zahl 1421037629
Wien, 30.4.2023