Auch wenn das chinesische Atomwaffenarsenal noch lange nicht an jenes Russlands und der Vereinigten Staaten heranreicht, so setzt Peking offensichtlich vor allem auf Interkontinentalraketen als Trägersysteme. Dort könnten sie die Amerikaner bereits überholt haben.
Laut dem Strategischen Kommando (STRATCOM), das das US-Kernwaffenarsenal beaufsichtigt, haben die USA bei bestimmten Elementen ihres Interkontinentalraketenprogramms möglicherweise keinen zahlenmäßigen Vorteil mehr gegenüber China. STRATCOM übermittelte dem Kongress kürzlich eine als geheim eingestufte Feststellung gemäß einer Klausel im National Defense Authorization Act für das Haushaltsjahr 2022, die eine Benachrichtigung des Kongresses vorschreibt, wenn China die USA in mindestens einer von drei Komponenten seines ICBM-Bestands überholt.
James Inhofe aus Oklahoma, der ranghöchste Republikaner im Streitkräfteausschuss des Senats, drängte das Pentagon in einem am Montag an den STRATCOM-Kommandeur Admiral Charles Richard gesandten Brief, die Entscheidung wie gesetzlich vorgeschrieben freizugeben. „Wir haben nur die Spitze des Eisbergs gesehen, wenn es um Chinas wachsende militärische Macht geht“, schrieb Inhofe auf Twitter, wo er den Brief veröffentlichte. „Die [Biden-Administration] muss offen und ehrlich mit dem amerikanischen Volk über die Bedrohung sein, die Peking für die globale Ordnung und unsere Lebensweise darstellt.“
Nach dem Gesetz muss das STRATCOM den Kongress benachrichtigen, wenn China mehr Interkontinentalraketen (ICBMs) oder ICBM-Trägerraketen einsetzt als die USA. Die vom Pentagon in seinem jährlichen China-Bericht und einem Dokument des Congressional Research Service zusammengestellten Daten zeigen, dass die USA bei der Anzahl der eingesetzten ICBMs und ICBM-Trägerraketen immer noch einen zahlenmäßigen Vorteil gegenüber China haben. Dies deutet darauf hin, dass diese beiden Bedingungen die STRATCOM-Mitteilung nicht ausgelöst haben. Die dritte Komponente des Gesetzes löst die Benachrichtigung aus, wenn China mehr Atomsprengköpfe auf seinen Interkontinentalraketen hat als die USA.
Schätzungen zufolge hat China bereits mehr als 400 nukleare Sprengköpfe – und diese Zahl soll bis zum Jahr 2035 auf 1.500 ansteigen. Zudem habe Peking die Zahl der Interkontinentalraketen seit dem Jahr 2020 bereits verdoppelt. Da die Dongfeng-41 der Chinesen mehrere Sprengköpfe tragen könne, würde dies bedeuten, dass die 300 Interkontinentalraketen des Reichs der Mitte mehr als 400 solcher nuklearen Sprengköpfe mit sich bringen. Die Vereinigten Staaten besitzen insgesamt 400 Minuteman III-Interkontinentalraketen, die jeweils nur einen Sprengkopf tragen können.
Nach Angaben des Congressional Research Service verfügten die USA im September 2021 über 1.389 Sprengköpfe auf insgesamt 665 stationierten ICBMs, U-Boot-gestützten ballistischen Raketen und schweren Bombern. Das sind immer noch deutlich mehr als die Chinesen an angriffsfähigen Atomsprengköpfen besitzen.