Soldaten für Neutralität – Grüne attackieren jene, die sich für Rechtsstaat und Verfassung einsetzen

Bild: freepik / nikitabuida

Nach einigen medialen, aber wenig überraschenden Übergriffen auf die Kundgebung „Soldaten für Neutralität“ am 21.9.2022 in Wien geht es jetzt parlamentarisch weiter. Abgeordnete der Grünen attackieren nun im Rahmen einer Anfrage im Nationalrat zwei Offiziere des Österreichischen Bundesheeres, die im Aktivstand sind und am Platz der Menschenrechte mutig ihre Stimme für die Beibehaltung der immerwährenden Neutralität Österreichs erhoben.

Ein Kommentar von Andrea Drescher

Kein Wunder bei einem grünen Vizekanzler Kogler, der die verfassungsrechtlich verankerte Neutralität Österreichs mit der erschreckend lapidaren Bemerkung „Wer neutral ist, macht sich mitschuldig!“ vom Tisch fegt.

Auf der Homepage des österreichischen Parlaments war am 3.10.2022 eine Anfrage der grünen Abgeordneten Eva Blimlinger, David Stögmüller, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Teilnahme von Bundesheer-Offizieren bei der Kundgebung der Gruppierung „Soldaten für Neutralität“ am 21.9.2022 in Wien zu finden.

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_12451/imfname_1472027.pdf

Die Datei trägt den Namen imfname_… streicht man „me“ ist der Name eine Permutation des Wortes „infam“. Das passt gut: Die parlamentarische Anfrage der Grünen strotzt nämlich vor Falschaussagen und enthält auch Verleumdungen.

So kann man dort lesen: „Laut Informationen auf der Website steht die Gruppe ,,für die Neutralität Österreichs“ gegen Sanktionen gegen Russland und gegen die Kooperation der österreichischen Nachrichtendienste mit jenen der Vereinigten Staaten“.

Fakt ist: Die Gruppe steht für die Einhaltung des Bundesverfassungsgesetzes vom 26.10.1955 über die Neutralität Österreichs, das aktuell wohl noch gültig ist. Und das hat Konsequenzen.

Das Bundesverfassungsgesetz besagt im Artikel 1 Folgendes:

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.

Die Tatsache, dass sich Österreich an folgenden militärischen Aktionen beteiligt

  1. EU-Battlegroups (d.h. Kampfgruppen der EU-Krisenreaktionskräfte),
  2. PESCO (Permanent Structured Cooperation, ständige strukturierte Zusammenarbeit),
  3. NATO PFP (Partnership for Peace, Partnerschaft für den Frieden) und
  4. US-Drohnenprogramm durch die Bundesheer-Abhörstation Königswarte bei Hainburg in NÖ, die von den USA finanziell unterstützt wurde,

steht mit dem o.g. Artikel der Bundesverfassung im Widerspruch. Die Beteiligung an Sanktionen, die ausschließlich eine der beiden Kriegsparteien betreffen, lässt sich ebenfalls kaum mit dem gesetzlich verankerten Status der immerwährenden Neutralität unseres Landes vereinbaren.

Weiter kann man in der parlamentarischen Anfrage lesen:

„Laut Informationen sollen neben mehreren ehemals aktiven Soldaten – darunter ein General und ein Oberst im Ruhestand – auch mindestens zwei aktive Offiziere des österreichischen Bundesheers die Kundgebung mitorganisiert haben.“

Mir ist nicht bekannt, woher die Parlamentarier ihre Informationen beziehen. Fakt ist: Zum Organisationsteam gehörten neben mir drei weitere Aktive: Klaus Schreiner, Elfie Greiter sowie Oberst i.R. Gottfried Pausch. Weitere Teilnehmer mit militärischem Rang wurden ausschließlich als Redner eingeladen und hatten mit Planung oder Organisation der Kundgebung nichts zu tun.

Nun folgen längere Absätze über zwei der beteiligten Offiziere, in denen diese ins rechtsextreme Eck gestellt werden. Zu den Inhalten möchte ich mich an dieser Stelle nicht äußern, da ich beide Herren erst auf der Kundgebung kennengelernt habe. In Anbetracht des infamen Framings der gesamten Anfrage neige ich jedoch dazu, die hier aufgeführten Aussagen ebenfalls stark in Zweifel zu ziehen.

Zum nächsten Passus:

Die Kundgebung wurde in vielen, unter anderem auch rechtsextremen und Corona-kritischen Kreisen angekündigt und promotet; so auch auf dem offiziellen TelegramKanal des verurteilten Rechtsextremen Martin Sellner.“

Hier arbeiten die Anfragesteller genauso perfide wie manche Medien, die eine Kundgebung zu einer „Kundgebung von Holocaustleugnern und Neo-Nazis“ erklären, weil ein verurteilter Holocaustleugner – namentlich Gottfried Küssel – dort gesichtet wurde. Ja. Auch im Kanal von Martin Sellner wurde der Aufruf geteilt. Hier stellt sich mir die Frage: „Wenn ein Neo-Nazi auf seine Uhr schaut und sagt, es ist 17.30 – müssen wir dann alle unsere Uhren wegwerfen?“ Und daran anschließend möchte ich die grünen Anfragesteller fragen: „Wie wollen Sie es verhindern, dass Ihre Veranstaltungen von Menschen verbreitet werden, deren politische Auffassung Sie nicht teilen.“

Seitens des Organisationsteams stand von Anfang an fest, dass die Kundgebung absolut neutral zu verlaufen hat. So konnte und kann man auf der Webseite lesen:

Um der Neutralität Österreichs auch im Rahmen der Veranstaltung gerecht zu werden, sind keinerlei Parteifahnen oder Fahnen anderer Länder erwünscht. Auch Plakate mit Bezug auf andere wichtige Themen sind nicht erwünscht. Unsere Ordner werden angewiesen, darauf zu achten. Wir freuen uns über die Fahne Österreichs, weiße Fahnen bzw. die blauen Friedensfahnen. Wir bitten um Verständnis.“

Und genauso wie Holocaust-Leugner das Recht haben, als Mensch gegen einen möglichen Impfzwang zu demonstrieren, muss es Identitären erlaubt sein, sich für Neutralität einzusetzen. Auch wenn ich persönlich mit Küssel und Sellner – bzw. den zugehörigen Personengruppen – nichts, aber auch gar nichts, zu tun haben möchte: Wir leben (angeblich noch) in einem Rechtsstaat, also ist das eine Selbstverständlichkeit.

Aber wie Gottfried Küssel für das passende Framing der Corona-Maßnahmen-Kritiker sorgte, dient Martin Sellner gleich mehrfach zum Framing der Neutralitätskundgebung.

Die parlamentarische Anfrage geht weiter mit den Worten:

Aufgezeichnet und gestreamt wurde die gesamte Kundgebung unter anderem von einem regelmäßigen Gefährten Sellners, Manuel Müllner.“

Ich kenne Manuel Müllner persönlich, habe einige Aktionen in den vergangenen Jahren gemeinsam mit ihm durchgeführt und weiß daher, dass er nicht politisch rechts verankert ist. Er hatte nach eigenen Angaben mit Sellner Kontakt, um Hintergrundinformationen zur Person Gottfried Küssel zu erhalten, der bei den Corona-Demos immer wieder auftauchte. Auf meine Frage, ob er ein „regelmäßiger“ Gefährte Sellners sei – wie von den Grünen behauptet – sagte er:

Regelmäßiger Gefährte bin ich nicht. Ich war nie auf einer seiner Demos und habe mich immer bemüht, ihn zu meiden. Also ich bin auch kein Gefährte und würde mich nicht als solcher sehen. Leider wird man in der den Regierungskurs kritisierenden Szene allzu leichtfertig mit Rechtsextremismus, und damit automatisch mit Sellner in Verbindung gebracht.“

Dass man in einem Rechtsstaat mit jedem sprechen darf, ohne dass daraus eine inhaltliche Übereinstimmung abgeleitet wird, sollte eigentlich ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein. Wie die Anfragesteller zur Aussage des „regelmäßigen Gefährten“ kommen, ist mir völlig unerklärlich. Manuel Müllner, der sich schon seit Monaten aus der Demo-Szene zurückgezogen hat und nur auf meine Bitte hin das Streaming übernahm, behält sich rechtliche Schritte gegen die grünen Anfragesteller vor.

Nachdem die gesamte Kundgebung jetzt im Nazi-Eck positioniert ist, gehen die Anfragesteller wieder auf die beiden Offiziere des Aktivstandes ein. Mitterer wird vorgeworfen, dass er seinen beruflichen Hintergrund erwähnt. Gaiswinkler soll „in einer an sich unauffälligen Rede gegen Ende einen (wie zu befürchten ist, klassifizierten) „nachrichtendienstlichen Bericht“ zitiert“ haben. 

Nach dieser unsachlichen und wenig überzeugenden Einleitung erfolgen die eigentlichen Fragestellungen an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die in meinen Augen darauf abzielen, beide Offiziere zu diskreditieren bzw. das BMLV indirekt dazu auffordern, ein Disziplinarverfahren gegen die beiden Soldaten einzuleiten.

Das BMLV war frühzeitig über die Planung der Kundgebung informiert. Die Pressestelle des BMLV erhielt am 9.8.2022 von mir eine diesbezügliche E-Mail. Ich erhielt keine Antwort vom Verteidigungsministerium, was von uns als „stillschweigende Zurkenntnisnahme“ gewertet wurde.

Insbesondere der 4. Fragenkomplex deutet für mich auf eine „besondere“ Art von Rechtsverständnis bei den Anfragestellern hin:

Wurde die Veranstaltung der „Soldaten für die Neutralität“ als staatsfeindlich eingeschätzt?

a. Wenn ja, mit welcher Begründung?

b. Wenn nein, warum nicht?

c. Wenn ja, hat es eine diesbezügliche Information an alle Angehörigen des BMLV gegeben in der eine Teilnahme untersagt wurde?

d. Wenn nein, warum hat es diese Information nicht gegeben?

e. Welche Maßnahmen wurden unternommen, um eine Teilnahme aktiver Teile des Bundesheeres zu verhindern?

Wie kann eine Kundgebung als staatsfeindlich beurteilt werden, in deren Rahmen die Redner appellieren, dass sich die österreichische Regierung ernsthaft für die Beibehaltung der gesetzlich verankerten immerwährenden Neutralität einsetzt?

Dürfen in Österreich etwa Bürger in Uniform öffentlich nicht mehr die gewissenhafte Einhaltung der Neutralität einfordern?

Von Neutralität zu sprechen ist – insbesondere für eine Friedensaktivistin wie mich – leicht. Viel leichter als für die Menschen, für die die Verteidigung des eigenen Landes zum „Arbeitsalltag“ gehört. Am Tag des Weltfriedens kamen daher diejenigen zu Wort, für die der Krieg eine – traurige – Realität darstellt. Den Soldaten, die den Mut hatten, sich auf der Kundgebung für die immerwährende Neutralität einzusetzen, gebührt unser Dank – und keine Übergriffe durch Politiker, denen offensichtlich an einer Ausweitung des Krieges bis nach Österreich gelegen ist.

Als diejenige, die die Kundgebung am 21.9.2022 eröffnen durfte, bin ich von dieser Entwicklung ausgesprochen entsetzt.

Ich war in meiner Jugend in Deutschland aktives Mitglied der Grünen bzw. ihrer Vorläufer-Partei Grüne Liste Umweltschutz und bin seit Jahren in der Friedensbewegung aktiv. Dass ich mich als Friedensaktivistin auf einer Bühne mit Soldaten finden würde, um für Neutralität zu werben, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Abschließend aber die Frage: Warum sind es Partei-Mitglieder der Friedens- und Umweltpartei der Grünen, die mit aller Macht zum Krieg zu mobilisieren scheinen – und alles aus dem Weg räumen wollen, das sich dem entgegenstellt?

Die Antwort darauf würde mich wirklich interessieren.

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