Die Finanzen der kirchlichen Institutionen weltweit sollen bis zum ersten Oktober dieses Jahres an die sogenannte Vatikanbank, dem IOR, übertragen werden. Dies ordnete Papst Franziskus an. Doch was steckt dahinter?
Das Reskript von Franziskus legt fest, dass alle finanziellen und liquiden Mittel, die in anderen Banken als dem IOR gehalten werden, innerhalb von 30 Tagen nach dem 1. September 2022 in die Vatikanbank übertragen werden müssen. IOR steht für „Institut für die Werke der Religion“. Nach Angaben des National Catholic Register ist das IOR keine Bank, sondern ein Finanzinstitut:
Obwohl es gemeinhin als „Bank“ bezeichnet wird, ist das IOR technisch gesehen ein Finanzinstitut ohne Zweigstellen, das innerhalb des Vatikanstaates tätig ist, um Dienstleistungen für Kunden zu erbringen, zu denen der Heilige Stuhl und damit verbundene Einrichtungen, religiöse Orden, Geistliche, katholische Institutionen und Mitarbeiter des Heiligen Stuhls gehören. Die Zahl der Kunden des IOR sank um 472, von 14.991 Kunden Ende 2020 auf 14.519 im Jahr 2021. Fast die Hälfte der Kunden im Jahr 2019 waren Ordensgemeinschaften. Dem Jahresbericht zufolge ging der Nettogewinn des Finanzinstituts von 46 Millionen Dollar im Jahr 2019 und von 44 Millionen Dollar im Jahr 2020 auf 19 Millionen Dollar im Jahr 2021 zurück.
In der „Panikmache-Industrie“ wird dieser Schritt nun zum Anlass genommen, vor einer globalen Finanzkrise im Oktober/November dieses Jahres zu warnen. Papst Franziskus habe dies angeordnet, um die Vermögenswerte des Vatikans zu sichern. Doch was diese Weltuntergangspropheten nicht erwähnen, ist der Umstand, dass es schlussendlich völlig egal ist, wo sich die digitalen Assets in solch einem extremen Krisenfall befinden. Wenn die Fiat-Währungen (eigentlich sind es angesichts der geringen Menge an Bargeld an der gesamten Geldmenge ohnehin schon digitale Buchwährungen) zum Nullwert kollabieren, spielt es keine Rolle, ob sie auf Konten bei der Vatikanbank, bei der schweizerischen UBS oder einer ruralen Kleinbank in Timbuktu gebunkert werden. Dasselbe trifft auf Aktien, Anleihen und die verschiedensten Finanzkonstruktionen und Derivate zu. Auch lässt sich Immobilienvermögen nicht einfach so verschieben (darum sind Immobilien ja auch immobil und nicht mobil).
Andere (vor allem höchst zweifelhafte Seiten, die für die Verbreitung von Falschnachrichten bekannt sind und deshalb auch nicht verlinkt werden) versuchen, diesen Schritt mit Maßnahmen in Verbindung zu bringen, die innerhalb der katholischen Kirche grassierende Korruption zu verschleiern, indem man sämtliche Finanzen unter die direkte Autorität der Vatikanbank stellt. Indessen zeigt eine katholische Seite einen anderen Aspekt auf. Dort heißt es:
Die Änderungen scheinen der APSA, der Abteilung des Heiligen Stuhls, die als Staatsfonds, Vertragspartner und Zahlmeister für die Kurie fungiert, einen wichtigen Kompetenzbereich zu entziehen. Franziskus hat mehrere Jahre damit verbracht, die APSA als zentralen Investitionsmanager für den Vatikan aufzubauen. Doch die Reform vom Dienstag scheint die Verwaltung aller Vermögenswerte und Investitionen, abgesehen vom Immobilienportfolio des Heiligen Stuhls, von der APSA auf das IOR zu übertragen, das streng genommen nicht einmal eine kuriale Abteilung ist. Und all dies geschah ohne eine einzige Erwähnung der APSA im Text des Reskripts selbst. Franziskus‘ Änderung könnte auch dramatische Auswirkungen auf die finanzielle Rechenschaftspflicht im Vatikan haben und fast alle finanziellen Angelegenheiten der Kurie unter internationale Aufsicht stellen. Und um das zu erreichen, gab der Papst eine „Klarstellung“ heraus, die die vatikanischen Behörden anwies, ein Gesetz so zu lesen, dass es etwas völlig anderes bedeutet als das, was der Text tatsächlich sagt.
Demnach will Papst Franziskus die Zentralisierung der kirchlichen Finanzen durchsetzen, nachdem es ständig zu Streitigkeiten über Verantwortlichkeit und Kontrolle zwischen drei vatikanischen Institutionen (Außenministerium, Wirtschaftsministerium und APSA) kam. Diverse Skandale taten ihr Übriges, um ein Handeln des Papstes zu erzwingen, der sich schon vor seiner Ernennung in diesem Bereich engagierte. Insofern scheint dies lediglich ein (wenngleich durchaus bedeutender) Vorgang innerhalb der vatikanischen Bürokratie zu sein, in der Macht und Kontrolle neu geordnet werden. Die APSA wird künftig nur mehr die Immobiliengesellschaften des Vatikans verwalten und ein Kunde des IOR (also der Vatikanbank) sein.
Panikmacher, die diesen Schritt als Vorbereitung eines globalen Finanzcrashs im Oktober/November bezeichnen, setzen zu viel auf verschiedene Verschwörungstheorien. Auch wenn das internationale Finanzsystem auf jeden Fall marode ist und auf einen gewaltigen Kollaps zusteuert, so unterschätzen viele dieser Crashpropheten die Selbsterhaltungskräfte dieses Systems, welches vielmehr zur Schaffung von spezifischen Blasen (wie der Finanzkrise 2008/2009) neigt als zur kompletten Selbstauflösung. Und selbst wenn eine solche gewaltige Implosion durchaus möglich ist, so dürfte dies eher als „gezielter Vorgang“ durchgeführt werden, in dem die globalen Finanzeliten entsprechende Absicherungen für sich selbst umgesetzt haben. Doch dies ist ein anderes Thema für sich.