Als staatliche Zensurorgane haben Faktenchecker in diesen Zeiten viel zu tun. Doch nicht nur die Unterdrückung unliebsamer Tatsachen zählt zum täglichen Geschäft: Auch die Ehrenrettung geliebter Hegemonen steht im Fokus. Für US-Faktenchecker dürfte Präsident Joe Biden der wichtigste Vertreter dieser Kategorie sein. Dementsprechend empört fiel das Echo aus, als sich plötzlich die Nachricht verbreitete, ein Vogel hätte inmitten von Bidens Rede am letzten Donnerstag vor laufenden Kameras auf dessen Schulter defäkiert.
Ein Video des Vorfalls sehen Sie hier:
Tatsächlich zeigt die Slow Motion-Aufnahme bereits, dass der vermeintliche Vogelkot von eher körniger bis staubiger Beschaffenheit ist. Sprich: Entweder hat der gefiederte Täter einen Tierarztbesuch nötig – oder es handelte sich doch eher um herumfliegende Getreidepartikel. Biden hielt seine Rede nämlich in einem Maissilo in Iowa:
Dennoch verbreiteten die durchaus amüsanten Aufnahmen sich bald mit rasender Geschwindigkeit in den sozialen Netzen und auch große Medien sprangen zügig auf den Zug auf (siehe etwa hier oder hier). Den Kommentatoren ging es dabei aber weniger um das vermeintliche Vogel-Attentat, sondern vielmehr um Bidens Rede, in der er kurzerhand Wladimir Putin die alleinige Schuld für Amerikas beachtliche Inflationsrate von mittlerweile 8,5 Prozent gab. „Anscheinend unterstützen auch Vögel Bidens neuesten Trick nicht, um vom Schaden seiner schlechten Politik abzulenken“, war da beispielsweise zu lesen. Ein Twitterer gönnte sich einen Wortwitz mit Putins Namen und schrieb: „He’s gonna blame Vladimir Poopin‘ isn’t he?“
Faktenchecker schritten sogleich zur Tat und zerlegten eilig die Vogelkot-Behauptung (siehe etwa hier oder hier). Dass in Wahrheit Joe Bidens Rede dringend einen Faktencheck nötig hätte, ignorierte man erwartungsgemäß geflissentlich. Auch in den USA ist nämlich nicht etwa Putin das Problem, sondern die falsche Politik der Regierung: Im Februar 2021, einen Monat nachdem Biden das Präsidentenamt von Donald Trump übernommen hatte, lag die Inflationsrate noch bei 1,7 Prozent. Ein knappes Jahr später, im Januar 2022, war sie auf 7,5 Prozent gestiegen. Putins Einmarsch in die Ukraine war da noch Zukunftsmusik.