Medizin ist ein lukratives Geschäft – das zeigt sich nicht erst seit den Covid-Impfungen. Aus Kliniken weiß man schon seit Langem, dass Patienten aus finanziellen Interessen unnötige, aber teure Behandlungen aufgeschwatzt werden (ungeachtet aller Risiken der Eingriffe, versteht sich). Selbiges setzt sich zunehmend auch in deutschen Arztpraxen durch: Internationale Finanzinvestoren haben diese nämlich als vielversprechende Renditeobjekte entdeckt.
Jüngst veröffentlichte das ARD-Magazin Panorama Recherchen, denen zufolge allein im Bereich der Augenheilkunde bereits mehr als 500 Praxen in Besitz internationaler Private-Equity-Gesellschaften sind: Dreimal so viele wie noch vor drei Jahren. Doch auch Praxen von Zahnärzten, Radiologen, Orthopäden, Gynäkologen, Nierenfachärzten, Internisten und Allgemeinmedizinern seien betroffen. Genaue Zahlen darüber, wie viele Praxen bereits in fremder Hand sind, gibt es nicht: Der Wandel vollziehe sich nahezu unbemerkt, heißt es da.
Während die Investoren selbst natürlich vehement bestreiten, dass die Versorgung der Patienten beeinflusst wird, zeigte sich in einer Studie des IGES Instituts, dass Arztpraxen im Besitz von Finanzinvestoren systematisch höhere Preise für die Behandlung von Patienten abrechnen. In den Praxen sei das abgerechnete Honorar pro Behandlungsfall um mehr als zehn Prozent höher als in einer normalen Praxis, obwohl die Charakteristika der Patienten gleich sind – für die Autoren ein deutliches Zeichen, dass Praxen in Investoren-Besitz sich stärker an wirtschaftlichen Motiven ausrichten.
Unnötige Behandlungen
Doch was bedeutet das für die Patienten? Panorama beruft sich in den Ausführungen etwa auf eine Augenärztin:
„Die Augenheilkunde ist ein Gewerbe geworden“, sagt etwa eine Augenärztin im Interview mit Panorama. Sie hat für zwei große investorengeführte Ketten gearbeitet. „Es ist einfach ein Gewerbe, in dem möglichst viel Geld verdient werden soll.“ Sie berichtet davon, dass sie Patienten möglichst viele Zusatzleistungen verkaufen sollte, die sie selbst zahlen müssten – etwa für spezielle Untersuchungen. Vor allem sei es aber um die Operation des Grauen Stars gegangen. „Da sollten wir möglichst hohe Stückzahlen rekrutieren“, sagt die Ärztin. Denn mit solchen einfachen Standard-Eingriffen lässt sich offenbar gut verdienen. Das geht auch aus Geschäftsberichten von großen Ketten hervor.
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Und auf eine Zahnärztin:
Eine Zahnärztin sagt etwa im Panorama-Interview, dass ihr regelmäßig Diagramme vorgelegt worden seien. Sie zeigten, welche Umsätze sie selbst erzielte – mit Brücken, Kronen oder Implantaten – und wie viel mehr die Spitzen-Zahnärzte in der Kette erreichten. Solche Daten seien ihr und ihren Kollegen angeblich zur Motivation vorgelegt worden. Sie habe sich aber vor allem unter Druck gesetzt gefühlt.
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Sie sei selbst von sich erschrocken gewesen, dass viele Patienten von ihr Behandlungen bekommen hätten, die noch nicht nötig gewesen seien, sagt die Zahnärztin. Sie habe etwa Zähne angebohrt, die eigentlich noch gesund gewesen seien. Zudem habe es Druck gegeben, möglichst viel bei den Krankenkassen abzurechnen. Sie habe sich dann „irgendeine Begründung aus den Rippen geleiert, falls es mal zu einer Kontrolle kommt“.
Je mehr Praxen aufgekauft werden, desto mehr wird dieses Vorgehen zum Standard und desto schwieriger wird es, als Patient eine medizinische Behandlung zu bekommen, die tatsächlich sinnvoll ist. Man ist also nicht mehr nur Impfvieh, sondern mutiert zunehmend zum Goldesel, an dem sinnfrei herumgedoktert wird, bis die Investoren mit dem generierten Profit zufrieden sind.
Deutschlands gesamtes Gesundheitssystem wird auf Profit getrimmt
Dass der Moralkompass im deutschen Gesundheitssystem keinesfalls nach Norden zeigt, ist vielen Bürgern noch immer nicht ausreichend bekannt: Zu groß ist das Vertrauen in die „Götter in Weiß“. Dabei wissen informierte Menschen durchaus, dass wirtschaftliche Interessen in zahllosen Kliniken seit Langem an erster Stelle stehen. So las man schon 2014 bei dw.com:
Um wirtschaftlich zu überleben, gehen etliche Kliniken dazu über, Patienten bei zeitlich planbaren Behandlungen unnötige, aber sehr gut bezahlte Operationen zu empfehlen. Das wird zwar offiziell von der Deutschen Krankenhausgesellschaft bestritten, aber von Ärzten, die den Alltag in Kliniken kennen, immer wieder bestätigt. Die Ärzte Paul Brandenburg aus Berlin und Bernd Hontschik aus Frankfurt am Main stellten sich für eine Fernsehreportage sogar vor die Kamera und sagten unmissverständlich: „Ärzte in Kliniken werden täglich darauf getrimmt, Profit zu generieren.“ Wer die meist unter vier Augen geäußerten Anweisungen nicht erfülle, dem drohe die Schließung seiner Abteilung und damit der Arbeitsplatzverlust.
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Das bezieht sich keinesfalls nur auf Kliniken, die „ums Überleben“ kämpfen. Viele Krankenhäuser gehören internationalen Finanzinvestoren. Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt werden kleine, unrentable Häuser aufgekauft, in größere Verbünde zusammengefasst, rentabler gemacht und weiterverkauft. Selbiges geschieht mit Alten- und Pflegeheimen. Selbst ambulante Pflegedienste sind betroffen. Und nun sind die Arztpraxen an der Reihe. Dabei wird der Fokus nicht nur auf teure, unnötige Behandlungen verschoben: Es werden auch immer wieder Leistungen abgerechnet, die in Wahrheit nie erbracht worden sind. Und:
Eine Reihe von Mitarbeitern solcher Arztketten im Besitz von Finanzinvestoren berichtet zudem dies: Nach dem Eigentümerwechsel seien sie von der neuen Geschäftsführung angewiesen worden, den Patienten möglichst viele Zusatzdiagnosen zu stellen, die sich mit den Kassen abrechnen ließen. Diagnosen, die zum Teil schlicht falsch seien. Die Patienten wüssten davon nichts – denn die Rechnung geht ja nur an die Krankenkasse. Einer leistet, ein anderer lässt leisten, ein Dritter zahlt.
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Politik greift nicht ein
Dass diese Entwicklung nun auch bei Arztpraxen um sich greift, ist den Gesundheitsministern der Bundesländer übrigens durchaus bekannt: Der stetig steigende Anteil investorengetragener Praxen werde mit „wachsender Sorge zur Kenntnis genommen“, gab man laut Panorama im vergangenen November bekannt. Man forderte das Bundesgesundheitsministerium dazu auf, eine Gesetzesinitiative zu veranlassen, die den weiteren Aufkauf von Praxen beschränkt. Jedoch: Lauterbachs Ministerium hält das für „rechtlich schwierig“. Die körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung hat hier bekanntlich ohnehin keinen Stellenwert.