Angesichts der Ukraine-Krise stellten sich manche Zeitgenossen die Frage, ob eine persönliche Beteiligung am Kriegsgeschehen rechtlich möglich sei. Der Verfassungsschutz bejaht diese Frage – aber nur, wenn keine Kriegsverbrechen begangen werden. Das Gesetz, dass man dann seine Staatsbürgerschaft verliert, ist totes Recht. Der Autor dieses Textes wurde bereits 2014 persönlich zum Morden in der Ukraine eingeladen. Ein damals beteiligter Kombattant wurde kürzlich wegen Folter verurteilt.
Eine Analyse von Florian Machl
Zunächst müssen Sie, lieber Leser, anerkennen, dass der Krieg in der Ukraine nicht mit Putins Einmarsch begann. Geschossen wird spätestens seit 2014 – und das mit Billigung und im Auftrag der ukrainischen Regierung, die in diesem Jahr mit westlicher Hilfe an die Macht geputscht wurde. Seither bekämpfte man mit militärischen Mitteln die mehrheitlich russische Bevölkerung von Donezk und Luhansk, welche schon damals die Unabhängigkeit von der Ukraine anstrebte.
Einladung zum Morden
In jenem Jahr wurde ich von einem mir persönlich bekannten Facebook-Kontakt aus Westösterreich dazu eingeladen, in der Ukraine zu kämpfen. Nachdem ich mich ersichtlich gerne mit Kampfsport beschäftigen würde, wäre es ja sicherlich interessant, einmal „echte Erfahrungen“ zu sammeln. Einigermaßen irritiert fragte ich nach. Nachdem die Einladung für die ukrainische Seite ausgesprochen wurde, fügte ich hinzu, dass ich an den dort aktiven Neonazis von Pravvy und Azow nicht interessiert sei. Das wäre kein Problem, lautete die Antwort. Ich müsse nur anreisen, könne mir vor Ort die Waffen kaufen, die ich einsetzen möchte und dann per Taxi zu einer der beiden Seiten fahren, um mitzukämpfen. Mit ein paar hundert Euro wäre man schon dabei. Im Grunde genommen ein völlig menschenverachtender Ablauf, wie man ihn nur aus Computerspielen kennt. Ich lehnte ab. Abgesehen davon, dass Krieg und das Ermorden von Menschen kein Spaß ist, hatte und habe ich keinerlei persönlichen Bezug zum Krieg in der Ukraine.
Nervenkitzel für Gelangweilte
In die Ukraine zu ziehen, um dort Krieg zu spielen – nein, eigentlich um Krieg zu führen – schien für etliche Österreicher ein besonderer Nervenkitzel gewesen zu sein. Ein Beteiligter fiel den Behörden schon recht früh auf. Der „Vorarlberger“ Benjamin F., Sohn eines tunesischen Einwanderers, wurde im Jahr 2017 im polnischen Dorf Dorohusk an der Grenze zur Ukraine verhaftet, als er wahrscheinlich zum Zweck, sich an weiteren Kriegshandlungen zu beteiligen, einreisen wollte. Österreichische Behörden forderten seine Auslieferung. Der Österreicher soll schon in Syrien und im Irak gekämpft haben und gab damals mehreren Mainstream-Medien Interviews über seine Kriegserfahrungen.
Laut Innenministerium waren bis 2017 insgesamt 300 Österreicher amtsbekannt, die sich an Kampfhandlungen in anderen Staaten beteiligten. 40 davon fielen im Kampf, 90 waren zu jenem Zeitpunkt wieder nach Österreich zurückgekehrt. Wie ich aus persönlichen Erzählungen weiß, gab es in verschiedenen Konflikten auch immer wieder Mitbürger, die als Nervenkitzel übers verlängerte Wochenende in den Krieg zogen. Erstmals fiel mir diese Praxis im Jugoslawien-Krieg auf.
Vorwurf: Mord an Zivilisten und Soldaten die sich ergeben hatten
Zurück zu Benjamin F. Der Kleinwalsertaler war nach ersten Kriegseinsätzen im Jahr 2016 aus der Ukraine nach Österreich zurückgekehrt. Dort hatte er seit 2014 auf der Seite ukrainischer Milizen gekämpft, die den Auftrag hatten, die Zivilbevölkerung im abtrünnigen Donbass zu terrorisieren. In Österreich war auch noch ein Verfahren wegen eines Drogendeliktes gegen F. offen. Die Verhaftung im Jahr 2017 hatte den Hintergrund, dass man F. Kriegsverbrechen im Donbass vorwarf. Auf zahlreichen Fotos hatte er neben verstümmelten Leichen posiert. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Kriegsverbrechen. Zur Last legte man ihm die Ermordung von Zivilisten und Soldaten, die sich bereits ergeben hatten.
Laut KURIER, der eine Artikelreihe zum Sachverhalt publizierte, hätte der heimliche Krieg in der Ostukraine zu diesem Zeitpunkt bereits 10.000 Todesopfer gefordert. Dort kann man bis heute auch Videos von Kampfeinsätzen abrufen. F. kämpfte für den Pravvy Sektor, eine rechtsextreme Einheit, in der „Task Force Pluto“.
Vor drei Wochen noch war er nicht im Pub, sondern in der Ukraine an der Front; da gab es keine Karte mit dutzenden Speisen und Getränken, sondern Kartoffeln und Wodka, Wodka und Kartoffeln. Er erzählt von seinem verrückten Kollegen, der ihn fragte, den Gefangenen einen Raum weiter meinend: „F., darf ich ihm das Ohr abschneiden?“ Und das Schlimme war, sagt F., „man wusste nie, ob er es ernst meint oder nicht. Aber ich bin mir sicher, hätte ich ja gesagt, er hätte es gemacht.“ Er erzählt von den anderen Kameraden, die den Gefangenen wenig später „kaputt gemacht“ hätten, „da hat man die Augen nicht mehr gesehen, so zugeschwollen war das Gesicht.
Ben F., zitiert im Kurier
Seit Putins Einmarsch will man davon nichts mehr wissen, Medien wie „Die Presse“ behaupten, in der Ostukraine hätte nie ein Genozid stattgefunden – der OSZE lägen dafür keine Hinweise vor. Eine unglaublich widerwärtige, menschenverachtende und realitätsleugnende Aussage.
Ein- bis dreimal am Tag sei aus den Schützengräben aufeinander geschossen worden, begonnen hätte die Seite, der „zuerst fad war oder die zuerst besoffen war.“
Ben F., zitiert im Kurier
Dass der Krieg im Donbass konkret für die ukrainische Seite eher ein Spiel war, lässt sich ebenso aus der Berichterstattung der Medien herauslesen. So veranstalteten ukrainische Söldner Wettrennen mit erbeuteten Panzern auf den Feldern der Bauern oder fuhren damit einkaufen.
Bedingte Haft – Sieben Jahre nach der Tat
Unfassbare sieben Jahre später, die der Vorarlberger in Freiheit verbracht hat (Enthaftung am 31. Mai 2017), wurde nun ein Urteil gefällt. Das Landesgericht Feldkirch verurteilte ihn zu einer bedingten Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Folter konnte ihm nur in einem Fall nachgewiesen werden. F. und seine Komplizen hatten einen Zivilisten in einer Duschkabine gefangen gehalten und vielfach geschlagen und getreten. Dabei kamen mit Steine gefüllte Socken, Besenstiele und Schuhe zum Einsatz, man droht dem Mann damit, ihm die Ohren abzuschneiden. Die Übergriffe wurden gefilmt. Neben den psychischen Folgen trug das Opfer einen dreifachen Wirbelsäulenbruch davon, verlor zwei Zähne. Ein Arm und ein Bein wurden schwer verletzt, durch die zerstörte Kniescheibe kann er kaum noch gehen. Als Rechtfertigung wurde angegeben, dass man davon ausgegangen war, es habe sich um einen russischen Spion gehandelt.
Der Vorwurf des Mordes an Zivilisten und Kriegsgefangenen wurde von der Staatsanwaltschaft fallengelassen. F. habe sich nur nachträglich zu bereits toten Menschen gestellt und fotografieren lassen. Die Verstümmelungen wären im Zuge der Kampfhandlungen durch Sprengstoffe passiert. Nachdem F. in der Ukraine langweilig wurde – an der Front war zu wenig los – reiste er nach Syrien und kämpfte fortan gegen den IS. Im Irak und in Syrien „muss es brutal zugegangen sein“, erklärte „Die Presse“ in ihrer Berichterstattung vom Jänner 2022. Angeblich wurde er bei den Peschmerga aber nicht als Kämpfer akzeptiert, weshalb er wieder in die Ukraine zurückkehrte. Folgt man den Zeitungsberichten aus 2017, war F. für seine Taten in Österreich maximal ein Monat in Haft.
Dort wo der Tod ist, ist alles viel lebendiger.
Lebensweisheit des Benjamin F., zitiert in „Die Presse“, 26. Jänner 2022
Gericht sah zahlreiche Milderungsgründe
Als Milderungsgründe wurden die Aussagen von Kameraden herangezogen, die F. bescheinigten, hauptsächlich als Sanitäter eingesetzt gewesen zu sein. Sachkundige haben mir bestätigt, dass dies der beliebteste Trick unter Kombattanten sei, um Gerichte zu milden Urteilen zu bewegen. Darüber berichteten die gesamte heimische Medienlandschaft, unter anderem die OÖ Nachrichten. Ein Sprecher des rechtsextremen Pravvy Sektor erklärte im Jahr 2017 gegenüber der APA, Benjamin F. wäre ein echter Held, der viele Menschenleben gerettet habe. Mittlerweile kann die Verniedlichung und Verharmlosung der Kriegseinsätze des Mannes kaum noch gesteigert werden. Das Schweizer Tagblatt titelte: „Krankenpfleger erhält zweieinhalb Jahre Haft für Kriegsverbrechen„.
Tatsächlich arbeitet F. inzwischen als Krankenpfleger in der Ostschweiz, verdient 3.300 Franken netto und hat zwei Kinder. Nach dem Urteil gab er zu Protokoll, dass er seinem Folteropfer gerne finanzielle Hilfe zukommen lassen würde, falls man den Mann noch finden könne. Das Urteil war laut Tagblatt am 26. Jänner noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft sich nicht dazu geäußert hatte. Das Gericht hatte die gesetzlich geforderte Mindesthaft von 5 Jahren um die Hälfte unterschritten.
Staatsbürgerschaft nie entzogen
Die österreichische Staatsbürgerschaft hat F. allerdings immer noch, auch nach dem Urteil und der bewiesenen Tatsache, an militärischen Konflikten in fremden Ländern beteiligt gewesen zu sein. Das österreichische Gesetz sieht für diesen Fall zwar den Entzug der Staatsbürgerschaft vor, aber nur, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. Man kann sich dieses Gesetz also auch sparen – wie man sieht, sanktioniert Österreich das beschriebene Verhalten nicht. Welche Gefahr von zurückgekehrten, langjährigen Kriegsveteranen für die einheimische Bevölkerung ausgeht, wird nicht diskutiert. Da schaut man wieder so lange vornehm weg, bis „etwas“ passiert. Und dann wird wieder niemand verantwortlich sein, niemand etwas geahnt oder gewusst haben.