Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien und Frankreich lehnen es ab, Russland aus dem Zahlungssystem SWIFT auszuschließen. Sie fürchten die Konsequenzen dieses Schritts: nämlich das Ende der Gaslieferungen. Der ukrainische Außenminister versucht weiter Druck zu machen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich geweigert, Sanktionen gegen Russland zuzustimmen, die einen Ausschluss aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT beinhalten würden. Neben dem Stopp der Zertifizierung für die Nord Stream 2-Pipeline lehnt er auch weitere Sanktionen im Energiebereich ab. „Im Sinne der Einigkeit und Entschlossenheit ist es sehr wichtig, dass wir die Maßnahmen beschließen, die jetzt in den letzten Wochen vorbereitet wurden, und alles andere für eine Situation aufheben, in der es notwendig ist, auch andere Dinge zu tun“, sagte Scholz auf einem EU-Gipfel. Damit versucht der Sozialdemokrat offenbar ein paar Wogen zu glätten. Sollte Deutschland nämlich solchen Sanktionen zustimmen, könnte Moskau mit der Schließung der Gashähne antworten.
Italien, Ungarn, Österreich und Frankreich sind ebenfalls dagegen, SWIFT zu den Sanktionen gegen Russland hinzuzufügen. Unter anderem, da diese europäischen Länder ihr Zahlungssystem für russisches Gas schützen wollen. Ohne brauchbare Zahlungsoptionen gibt es auch kein Gas mehr. Das ist diesen Regierungen durchaus klar. Deutschland, Österreich und Italien sind in hohem Maße von russischem Erdgas abhängig, das sie über das SWIFT-System bezahlen, und alle Länder haben enge Bankverbindungen zu Russland. Während die Tschechische Republik fordert, SWIFT in die Sanktionen einzubeziehen, wird Ungarn – angeführt vom Putin-Verbündeten Viktor Orban – wahrscheinlich nicht nachgeben. Italien ist sogar so weit gegangen, die EU aufzufordern, Luxusgüter aus der Sanktionsgleichung herauszunehmen, da russische Oligarchen zu deren Hauptabnehmern gehören. Laut dem russischen Außenminister hat sein italienischer Amtskollege jedoch gesagt, er werde auch für den Ausschluss Russlands aus SWIFT stimmen. Allerdings steht Russland als Alternative im Zahlungsverkehr auch das chinesische CIPS zur Verfügung, was jedoch die Entdollarisierung weiter vorantreiben würde.
Die zurückhaltende Reaktion Westeuropas auf die Sanktionen hat Kiew in Aufruhr versetzt. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warnte vor dem „Blut an den Händen des Westens“, wenn russische Truppen in Kiew einmarschieren, berichtete der Guardian. „Ich werde in dieser Sache nicht diplomatisch sein“, twitterte er. Und weiter: „An einige europäische Staats- und Regierungschefs, die immer noch zögern: Jedes Jahr sagen Sie bei Gedenkveranstaltungen „Nie wieder“. Die Zeit, dies zu beweisen, ist jetzt gekommen. Russland führt einen grausamen Angriffskrieg in Europa. Hier ist der Test für Ihr „Nie wieder“: Verbannen Sie Russland aus SWIFT und werfen Sie es überall hinaus.“
Energiesanktionen sind bislang noch nicht auf dem Tisch. Die westeuropäischen Länder, insbesondere Deutschland, Italien und Österreich, würden sich dieser Idee widersetzen. Ohne europäische Einigkeit kündigte Biden gestern an, dass die neue Runde von Sanktionen die Auswirkungen auf den Energiesektor gezielt reduzieren würde – ein Opfer, das die Europäer nicht bereit sind, für die Ukraine zu bringen. „In unserem Sanktionspaket haben wir ausdrücklich vorgesehen, dass die Energiezahlungen weiterlaufen können. Wir überwachen die Energielieferungen genau auf Unterbrechungen“, sagte Biden am Donnerstag in einer Rede. „Wir haben uns mit den wichtigsten ölproduzierenden und -verbrauchenden Ländern abgestimmt, um unser gemeinsames Interesse an der Sicherung der weltweiten Energieversorgung zu wahren.“ Kein Wunder, importieren die USA doch auch viel Erdöl aus Russland. Und entsprechende Sanktionen könnten die Weltmarktpreise weit über die Marke von 200 Dollar pro Fass erhöhen. Nicht zu vergessen, dass Russland rund zehn Prozent des Öls weltweit fördert.