Der Standard, der unseren Insiderinformationen nach weitaus mehr Wissen über den Fall haben könnte, als man zu publizieren wagte, ließ am 9. März folgenden launigen Nebensatz fallen: Zu den Kunden eines Wiener Promi-Koksdealers gehörte auch „ein Dienstleister, der damit wirbt, auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zu betreuen.“ Die ÖVP schweigt eisern.
Es ist ein interessanter Fall, der da am 9. März in Wien verhandelt wurde. Ein Promi-Koksdealer war aufgeflogen. Er soll seinen Geschäften seit rund 10 Jahren nachgegangen sein. Wer ihn auffliegen ließ, wurde nicht publik gemacht, doch auch in Society-Kreisen sind Motive wie Rache und Neid nicht fremd. Speziell in Wien menschelt es an allen Ecken und Enden.
Spannend ist, dass der Standard trotz kolportierten intensiven Wissens über den Fall nur folgende Informationen preisgab:
Eine ehemalige Miss, ein Kulturmanager, diverse Selbstständige sowie ein Dienstleister, der damit wirbt, auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zu betreuen. Dieser Dienstleister kaufte nur zwei Gramm gegen Bargeld – aber ungefähr 18-mal nutzten die C.s seine Leistung im Tausch gegen Kokain.
DerStandard über die Kunden des verurteilten Promi-Kokainhändlers
Uns wurde ein der Name aus dem Umfeld von Bundeskanzler Sebastian Kurz zugespielt. Ein Mann, der im Geschäft des Dealers im ersten Bezirk ein und aus gegangen sein soll. Auf unsere diesbezügliche Anfrage an die Presseabteilung des Kanzler erhielten wir erwartungsgemäß keine Antwort. Ob es sich bei der im Standard erwähnten ehemaligen Miss um eine in den Ibiza Skanda verwickelte Schönheit handeln könnte, die in ÖVP wie auch Medienwelt ausgerechnet seit April 2017 hohes Ansehen genießt, konnte bislang ebenso nicht eruiert werden. Es gibt ja so viele Ex-Missen in der Wiener Society.
Die Gerüchteküche ist am explodieren
Tatsächlich mehren sich allerdings die „Einschläge“ rund um den sauberen Bundeskanzler, aus den Kratern spritzt zuweilen auch mal ein großer Drecksbatzen auf die früher als so sauber geltende Weste. Interessant sind hierzu ebenso launige Nebensätze aus der Befragung von Ex-Bundeskanzler Kern vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Dort wurde thematisiert, dass es auch über andere Politiker heimlich aufgenommene Filme geben soll, beispielsweise aus den Hinterzimmern von so manchem Society-Lokal in Wien. Aufgekommen wäre das Thema unter anderem im deutschen Wirecard-Untersuchungsausschuss:
Dort habe der Ibiza-Detektiv davon gesprochen, dass es noch andere Videos von österreichischen Politikern gebe. Dabei gehe es um Hinterzimmer in Clubs und Drogenkonsum.
Christian Hafenecker, FPÖ, im Ibiza Untersuchungsausschuss zu Christian Kern
Kern wollte dazu keine Wahrnehmungen gemacht haben. Dabei halten sich diese Gerüchte schon sehr lange und beharrlich. Darüber soll auch in jener unseligen Nacht in der Finca auf Ibiza geplaudert worden sein. Eine ausführliche Recherche findet sich hierzu auf der Seite zoom.info, veröffentlicht am 22. August 2019. Darin wurde auch thematisiert, dass Ex-FPÖ-Chef HC Strache darüber nachdachte, seinen damaligen politischen Hauptkonkurrenten mit Informationen über dessen angeblichen Party- und Drogenvorlieben ausschalten zu können. Strache sprach damals davon, dass es Beweise und Fotos für dieses Fehlverhalten gäbe. Nach Aufkommen der Ibiza-Affäre distanzierte und entschuldigte er sich für seine Aussagen.
„Die Geschichte gehört gespielt“, flüstert Strache beschwörend. Und dieser Wirt sei der Schlimmste, (…) der größte Drogen-Dealer Wiens.“
Zitat HC Strache, Ibiza Videos
Ein hochrangiger Politiker der politischen Konkurrenz sei bei jenem Wirt „Stammgast“. Es gebe spezielle Nebenzimmer. „Da gehen die dann nach hinten“, flüstert Strache, „und dann haben die da Orgien“ – „Drogenorgien!“
Aus: Die Ibiza-Affäre, Innenansichten eines Skandals, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Kiepenheuer & Witsch
Inzwischen brodelt die Gerüchteküche immer heftiger. „Wussten Sie, dass Personen in ihrem Umfeld behaupten, dass ein Foto kursiert, dass Sie beim Konsum von Kokain zeigt?“, war quasi die Werbe-Behauptung der oben erwähnten Seite Zoom, die im Jahr 2019 eine 12-teilige Serie über den Bundeskanzler und seine Freunde in der Wiener Gastronomieszene publizierte. Die ÖVP dementierte damals energisch, sprach von dirty campaigning. Nach verhaltener Resonanz herrschte damals wieder Schweigen im Blätterwald.
Für lästige Fragen sorgt der Umstand, dass die Wiener Gastro-Größe und Kurz Intimus Martin Ho einige Zeit lang Mitglieder des berüchtigten Motorradclubs „United Tribuns“ als Sicherheitspersonal beschäftigte. Die Biker-Gang wird von den Sicherheitsbehörden der organisierten Kriminalität zugeordnet. Laut der damaligen Recherchen von „Zoom“, die sehr gut belegt waren und bis heute von keinem Gericht gekippt wurden, soll der Motorradclub, höflich formuliert, dem Drogenhandel nicht sonderlich „fern“ stehen.
Mutmaßlicher Mitwisser hatte tödlichen Unfall
Was die Gerüchteküche bewegt: Ein wichtiger Zeuge aus dieser Szene hatte im Herbst des Vorjahres einen unglücklichen Unfall beim Bergsteigen. Der junge Mann, Matthias P., ist nun tot und kann zu den Hintergründen nicht mehr befragt werden. Das United Tribuns-Mitglied war Geschäftsführer der Ares Safety GmbH, welche die Security für besagte Clubs inklusive der angeblichen Hinterzimmer organisierte.
Im Vorjahr gelang der internationalen Justiz ein Schlag gegen eines der mächtigsten Drogenkartelle Europas. Mit dabei: Köpfe der United Tribuns. Berichtet wurde darüber nur im Ausland was vielleicht auch daran liegt, dass der hauptsächlich daran beteiligte bosnische Investigativjournalist Morddrohungen erhielt.
Es ergibt ein spannendes Bild, wenn solche Personenkreise mit der Sicherheit (und laut „Zoom“ auch mit dem Drogenhandel) in Clubs betraut sind, wo Größen der Österreichischen Innenpolitik verkehren. Gänzlich unplausibel ist die Vermutung nicht, dass dort auch heimlich das eine oder andere Foto oder das eine oder andere Video entstanden ist. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Wahrheit kommt irgendwann immer ans Licht, weil über die Jahre mehr und mehr Leute davon wissen.