In den letzten zwei Jahren erlebten vier afrikanische Länder politische Umstürze. Nach Guinea und dem Tschad folgten Burkina Faso und Mali. In Guinea-Bissau gab es einen misslungenen Putschversuch. Ihre Gemeinsamkeit: Es handelt sich um ehemalige französische Kolonien, bzw. im letzteren Fall um eine frühere portugiesische Kolonie mit historischen Verbindungen zu Französisch-Afrika.
Afrika gilt generell als politisch instabil. Ethnische Konflikte, die aus den kolonialen Grenzziehungen resultieren, tragen ebenso dazu bei wie diktatorische respektive autoritäre Regimes. Doch oftmals entpuppen sich die neuen Regierungen als nicht weniger korrupt, autoritär und machtbesessen. So auch in Guinea, wo der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes, Alpha Conde, nach nunmehr zwölf Jahren vom Militär gestürzt wurde. Der offizielle Grund dafür: Er ließ die Verfassung des Landes ändern, um für eine dritte Amtszeit kandidieren zu können.
Kürzlich erst gab die Übergangsregierung des westafrikanischen Staates bei der ersten Sitzung der Übergangsversammlung seit dem Putsch vor fünf Monaten gegen Präsident Conde bekannt, dass das Land bald wieder zu einer zivilen Führung zurückkehren solle. Oberst Mamady Doumbouya, der den Staatsstreich anführte und als Interimspräsident vereidigt wurde, hat versprochen, „den Staat neu zu gründen“, die Korruption zu bekämpfen und das Wahlsystem zu reformieren, um „freie, glaubwürdige und transparente“ Wahlen abzuhalten. Das vorwiegend islamische Land ist eine ehemalige französische Kolonie und der weltweit zweitgrößte Bauxit-Produzent. Zudem besitzt das Land reiche Vorkommen an Gold und Diamanten.
Zuvor auch im Tschad
Das zentralafrikanische Land Tschad, wie Guinea ebenfalls eine frühere französische Kolonie und mehrheitlich islamisch, hat eine „lange“ Tradition an Putschen und Putschversuchen. Bis zu seinem Tod war die politische und militärische Karriere von Präsident Idriss Déby ein Spiegelbild der militarisierten Politik des Tschad und der globalen Verbindungen der politischen und militärischen Führer. Dieser Mann, der sich nur wenige Monate vor seinem Tod den Titel „Marschall“ verlieh, hatte sowohl in seiner Innen- als auch in seiner Außenpolitik mit der Waffe gelebt. Déby machte sich zu einem unverzichtbaren militärischen Verbündeten des Westens. Er war sich bewusst, dass sein politisches Überleben mindestens ebenso sehr von Paris und Washington D.C. abhing wie von seinem Heimatland. Die Verbündeten des Tschad haben nicht nur die Augen vor Menschenrechtsverletzungen im Lande verschlossen, sondern auch vor den Übergriffen von Débys eigener Armee auf die Zivilbevölkerung, sowohl im Tschad als auch in anderen Ländern, in denen sie interveniert hat. Doch am 19. April 2021 starb er im Norden des Landes auf dem Schlachtfeld.
Sein 37-jähriger Sohn, Generalleutnant Mahamat Idriss Deby Itno, übernahm rasch die Führung einer Junta, die sich Militärischer Übergangsrat (TMC) nennt. Nachdem er die Regierung entlassen, das Parlament aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt hatte, versprach er „freie und transparente“ Wahlen in 18 Monaten – eine Frist, die, wie er sagte, einmal verschoben werden könne, wenn „bestimmte Bedingungen“ nicht erfüllt würden. Im August kündigte Deby junior an, dass ein Ausschuss einen nationalen Dialog organisieren werde, um Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten. Er ging auch auf die Rebellen zu, einschließlich der FACT-Gruppe, die seinen Vater ermordet hatte, und erlaubte der Opposition und zivilgesellschaftlichen Gruppen, Märsche und Kundgebungen abzuhalten, was sein Vater während seiner 30-jährigen Herrschaft routinemäßig verboten hatte. Dennoch stellt sich hier die Frage, wie lange es dauert, bis die nächste Regierung dann von oppositionellen Kräften gestürzt wird.
Mali in der Putsch-Welle
Bereits seit Juni 2020 protestierten viele Menschen in Mali gegen das schlechte Management der Regierung gegen die laufenden Aufstände, die Korruptionsbekämpfung, die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 und die schwächelnde Wirtschaft. Sie forderten Präsident Ibrahim Boubacar Keïta zum Rücktritt auf. Am 18. August 2020 kam es schlussendlich zum Rücktritt des Präsidenten und eine Gruppe von Militäroffizieren übernahm das Ruder. Die von ihnen installierte Interimsregierung sollte für zwei Jahre im Amt bleiben, was später auf 18 Monate reduziert wurde. Doch das Ende sollte schneller kommen als geplant.
Der malische Staatsstreich von 2021 begann in der Nacht des 24. Mai 2021, als die Armee der ehemaligen französischen Kolonie unter der Führung von Vizepräsident Assimi Goïta Präsident Bah N’daw, Premierminister Moctar Ouane und Verteidigungsminister Souleymane Doucouré gefangen nahm. Assimi Goïta, der Chef der Junta, die den malischen Staatsstreich von 2020 angeführt hatte, kündigte an, dass N’daw und Ouane entmachtet würden und dass im Jahr 2022 Neuwahlen abgehalten würden. Die Europäische Union hat nun gegen mehrere hochrangige Mitglieder der malischen Übergangsregierung, darunter den Premierminister, gezielte Sanktionen verhängt und dies mit der Verzögerung von Wahlen und fehlenden Reformen begründet. Allerdings dürfte auch die Rolle Russlands in dem westafrikanischen Land mit ein Grund für die harsche Haltung Brüssels sein. Immerhin kann es Paris nicht erlauben, dass Moskau in seiner früheren Kolonie zu viel Einfluss gewinnt.
Nun auch Burkina Faso
Nach 2015 erlebte die ebenfalls frühere französische Kolonie Burkina Faso in Westafrika erneut einen gewaltsamen Regierungswechsel. Der Militärputsch vom 24. Januar, durch den der Präsident von Burkina Faso, Roch Marc Christian Kaboré, gestürzt wurde, fand inmitten einer sich verschärfenden Sicherheitskrise im Land statt. Sowohl die Zivilbevölkerung als auch die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte haben seit langem ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, auch mit der politischen Führung durch Kaboré. Der jüngste Staatsstreich in Burkina wurde von Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba inszeniert, der kürzlich zum Chef der dritten Militärregion des Landes befördert wurde.
Seit 2015 ist das Land mit einer beispiellosen Krise konfrontiert, die in sechs Jahren schätzungsweise 7.569 Menschen das Leben gekostet und mehr als 1,6 Millionen Menschen vertrieben hat. Häufige Angriffe dschihadistischer Aufständischer zielten auf Zivilisten und Regierungsbeamte ab, insbesondere auf die Streitkräfte, die schwere Verluste erlitten haben. Auch Lehrer, Beamte und Justizbedienstete werden angegriffen, was dazu führt, dass die öffentlichen Dienste in den vom Konflikt betroffenen Gebieten nicht mehr genutzt werden können. Im Juni 2021 wurden bei einem Angriff auf das Dorf Solhan, unweit der Grenze zu Niger, mindestens 132 Menschen getötet. Es war einer der tödlichsten Anschläge des Landes, doch war er kein Einzelfall. Allein im Jahr 2021 verzeichnete Burkina Faso rund 1.337 krisenbedingte gewalttätige Zwischenfälle mit 2.294 Opfern.
Und das trotz Kaborés Bemühungen, der Sicherheit Priorität einzuräumen. Im Januar 2020 rief seine Regierung die Volontaires pour la défense de la patrie ins Leben, ein Korps von zivilen Hilfskräften, das die nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unterstützen soll. Die meisten seiner Mitglieder stammen aus ehemaligen Gemeindemilizen. Die Regierung hat auch haushaltspolitische Anstrengungen unternommen. Diese Investitionen haben jedoch weder die Lebensbedingungen noch die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte wesentlich verbessert, was nur zum Teil auf Probleme bei der Finanzverwaltung zurückzuführen ist. Vielmehr wurden sie durch anhaltende Ausrüstungs- und Versorgungsprobleme geschwächt, während dschihadistische Gruppen stärker wurden.
Putschversuch in Guinea-Bissau
Auch in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau, ein kleines westafrikanisches Land, geht es aktuell rund. Der Präsident von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embalo, hat einen Putschversuch überlebt, sagt aber, dass viele Mitglieder der Sicherheitskräfte bei der Abwehr eines „Angriffs auf die Demokratie“ getötet wurden. Am Mittwoch kehrte Ruhe in die Straßen der Hauptstadt Bissau ein, einen Tag nachdem mit Maschinengewehren und Sturmgewehren bewaffnete Männer den Regierungspalast angegriffen hatten.
Embalo befand sich zusammen mit Premierminister Nuno Gomes Nabiam im Regierungspalast, als dieser am Dienstagnachmittag von schwer bewaffneten Männern umstellt und angegriffen wurde. Embalo sagte, die Schießerei habe fünf Stunden lang gedauert. „Es war nicht nur ein Putsch. Es war ein Versuch, den Präsidenten, den Premierminister und das gesamte Kabinett zu töten“, sagte er. Der staatliche Rundfunk sagte, die Schießerei habe den Regierungspalast beschädigt und „Eindringlinge“ hätten Beamte in dem Gebäude festgehalten. Mit Truppen beladene Militärfahrzeuge fuhren durch die Straßen der Hauptstadt, während die Menschen aus dem Gebiet flohen.
Ein sicherheitspolitisches Debakel
Angesichts dessen, dass gerade das islamisch geprägte Westafrika als ein Schwerpunkt dschihadistischer Gruppen und Milizen gilt, ist diese politische Instabilität geradezu ein sicherheitspolitisches Debakel. Allerdings zeichnet sich die frühere Kolonialmacht der Region, Frankreich, nicht gerade als wirkliche Hilfe aus. Vor allem die Migration aus der Region nach Europa stellt ein Problem dar: Mit den Migranten ziehen nicht selten auch Islamisten mit, die dann in Frankreich und Europa weiter ihrer destruktiven „Arbeit“ nachgehen.