Brauchen wir den Lockdown wegen Pollen?
Kaum ein Medium ließ sich am Dienstag die dramatische Headline zum Pollenflug als neuem „Infektionstreiber“ entgehen. Denn, oh Schreck: Einer Studie von Forschern der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums München zufolge sollen Pollen in der Luft zu mehr Corona-Infektionen führen!
In Zeiten, wo die Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung ihren Höhepunkt erreicht hat, ist das natürlich ein gefundenes Fressen – nicht zuletzt, weil die Pollen-Saison bereits begonnen hat. „Pollenflug treibt Infektionszahlen nach oben“, titelte da etwa ganz apokalyptisch die BILD. „Corona-Ansteckungsrisiko steigt bei Pollenflug – so können Sie sich schützen„, hieß es da wiederum serviceorientiert beim Focus. Medien wie das Hamburger Abendblatt weisen im Text direkt auf die ultimative Lösung des „Problems“ hin: „Corona und Pollenflug: Lockdown schützt Menschen„, verspricht ein Zwischentitel die Rettung.
Doch besteht überhaupt so viel Grund zur Sorge, dass man direkt die nächsten Lockdown-Empfehlungen formulieren muss? Wir haben uns die Studie genauer angesehen.
Vorweg: Dass starker Pollenflug die Infektanfälligkeit gegenüber bestimmten Viren erhöhen kann, ist keine neue Erkenntnis. Starker Pollenflug kann die Immunabwehr der Schleimhäute schwächen – die genauen Effekte werden noch erforscht. Gilles et al. beschrieben in einer Vorgängerstudie, dass Pollen einen negativen Effekt auf antivirale Interferone ausüben: In der Nasenschleimhaut wurden Typ I und Typ III-Interferone bei Exposition mit Birkenpollen herunterreguliert. Die neue Studie legt nun nahe, dass Pollen auch die Anfälligkeit für eine Corona-Infektion bis zu einem gewissen Maße beeinflussen könnten.
Autoren wollten keine Panik schüren
Was Mainstream-Medien zum nächsten Panik-Narrativ aufblasen, ist in Wahrheit ein Studienergebnis, das vielleicht als gut gemeinter Hinweis für stark gefährdete Risikogruppen verstanden werden kann – nicht aber zur Angstmache verwendet werden sollte (oder will). In der Studie heißt es diesbezüglich sogar (hier für Sie ins Deutsche übersetzt):
Unsere Ergebnisse legen nahe, dass bei gleichzeitigem Kontakt mit SARS-CoV-2 (durch andere infizierte menschliche Träger) und Pollen in der Luft, bei begünstigenden Wetterbedingungen, eine virale Infektion gefördert werden kann. Zwar ist es von Bedeutung, die Öffentlichkeit über das Risiko zu informieren, die Formulierung sollte jedoch mit größtem Bedacht gewählt werden, um Missverständnisse zu vermeiden und keine Panik auszulösen.
Nun, offensichtlich hat die Mainstream-Journaille sich (wie so oft) nicht weiter mit der Studie befasst. Denn während die Autoren sich der Einschränkungen in der Aussagekraft ihrer Ergebnisse sehr wohl bewusst sind und die Ergebnisse entsprechend vorsichtig formulieren, wird die Öffentlichkeit medial schon auf den Corona-Tod durch Pollen vorbereitet.
Studienkonzept
So wird in den Artikeln durchweg hervorgehoben, dass Daten zu Pollenbelastung und SARS-CoV-2-Infektionsraten aus 130 Regionen in 31 Ländern auf fünf Kontinenten zu Rate gezogen wurden. Gelogen ist das nicht. Die Verteilung jener Regionen gestaltet sich allerdings folgendermaßen:
Diese Karte zeigt die zur Analyse verwendeten Messstationen für die Pollenkonzentration: Der Großteil befindet sich offensichtlich in Europa; wie viele Messstationen aus einem Land herangezogen worden sind, variiert dabei stark. Die Daten der Stationen zur Pollenkonzentration wurden über individuelle Zeiträume mit den „Infektionsraten“ am jeweiligen Ort verglichen. Es wurden vornehmlich Daten von Mitte März bis Anfang April verwendet: Danach stoppte wegen Lockdown-Maßnahmen die Datenerhebung. In die Analyse flossen laut den Studienautoren zudem diverse klimatische Werte sowie Daten zur Bevölkerungsdichte mit ein, aber auch, ob in der jeweiligen Region ein Lockdown verhängt worden war oder nicht.
Datenmaterial zu Infektionsraten problematisch
Problematisch hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse ist, dass die Erhebung von Infektionsraten in verschiedenen Ländern auf sehr unterschiedliche Weise erfolgte. Die Autoren selbst geben an, dass in vielen Regionen nur lückenhaft Daten zur Verfügung standen oder es zu wenige Fälle gab – in solchen Fällen wurde mit der Zahl der Covid-19-Fälle im ganzen Land gerechnet, der direkte Bezug zur Region der Pollen-Messstation geht so jedoch verloren. Obendrein variierten die Teststrategien der einzelnen Länder schon zu Beginn der Corona-Krise stark.
Die Autoren geben an, dass die errechneten Korrelationen nahelegen, dass Pollen ein modulierender Faktor bei der Infektion mit SARS-CoV-2 sein können – theoretisch könnten sie bei hoher Konzentration und passenden Wetterbedingungen die Infektionsraten um 10 bis 30% erhöhen. Ist die Pollenkonzentration im Frühling bei niedrigen Temperaturen sehr hoch, sollten Risikogruppen den Autoren zufolge unter Umständen besser partikelfilternde Masken tragen, sofern sie Kontakt zu vielen Menschen haben, die das Virus übertragen. Natürlich ist auch an keiner Stelle ist die Rede davon, dass Menschen wegen des Pollen-Effekts schwerer erkranken würden.
Kein Grund zur Panik
Der Umgang der Mainstream-Journaille mit Studien, die ins Narrativ einer ständigen Lebensgefahr durch das Corona-Virus passen könnten, ist bezeichnend. Es kann nur jedem kritischen Menschen dringend nahegelegt werden, Quellen im Zweifelsfall selbst zu recherchieren und zu prüfen. Denn Studien wie die aktuelle von Athanasios Damialis et al. erheben selten Anspruch auf völlige Korrektheit: Jede Studie hat limitierende Faktoren, die die Aussagekraft der Ergebnisse beeinflussen.
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