Militante Gruppen und islamistische Milizen wachsen im Zuge der Unruhen in Kasachstan. Das zentalasiatische Land an der Südgrenze Russlands könnte in einen veritablen Bürgerkrieg abrutschen. Welche Rolle spielt die CIA dabei?
Der kasachische Präsident und internationale Nachrichtensender berichten, dass die kasachischen Sicherheitskräfte die Kontrolle über die meisten Straßen in Almaty übernommen haben, wo es seit Tagen zu Unruhen gekommen ist und Gebäude der Zentralregierung in Brand gesetzt wurden. Auch in anderen Großstädten wurden schwere Militärfahrzeuge und Waffen eingesetzt. Dies geschah, nachdem Präsident Kassym-Jomart Tokajew nach Angaben von Reuters und staatlichen Medien seinen Sicherheitskräften befohlen hatte, „ohne Vorwarnung zu schießen“. In einer am Freitag ausgestrahlten Fernsehansprache bekräftigte er, dass die Demonstranten und Randalierer „vernichtet“ würden, da die bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Unruhen zu „Antiterrormaßnahmen“ übergegangen seien.
Wie die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS berichtet, gab es laut dem kasachischen Präsidenten mindestens „sechs Wellen von terroristischen Angriffen“ in der Stadt Almaty. „Die Gangster und Terroristen waren sehr gut ausgebildet, organisiert und wurden von der Spezialzentrale befehligt. Einige von ihnen sprachen nicht-kasachische Sprachen. Es gab mindestens sechs Angriffswellen von Terroristen in Almaty, insgesamt 20 Tausend von ihnen“, schrieb er auf seinem Twitter-Account. „Die Analyse der Situation hat gezeigt, dass Kasachstan mit einem bewaffneten Angriff konfrontiert ist, der von außerhalb des Landes ausgebildeten Tätern und terroristischen Gruppen gut vorbereitet und koordiniert wurde“, betonte er.
Islamisten und Nationalisten auf dem Vormarsch
Die Aktivitäten nationalistischer Organisationen haben in Kasachstan das Auftauchen von Zellen radikaler Islamisten ermöglicht, die in mehreren Städten des Landes Unruhen organisiert haben. Dies erklärte der Militärexperte Viktor Murachowski am Donnerstag, den 6. Januar, gegenüber der russischen Tageszeitung Iswestija. „Aufgrund der Tatsache, dass viele Nichtregierungsorganisationen auf dem Territorium von Kasachstan tätig sind, und in der Tat gibt es einen recht einfachen Zugang zum Territorium, von Einwanderern aus Afghanistan. Ich meine nicht Afghanen nach Nationalität, sondern diejenigen, die dort als Teil von dschihadistischen Gruppen gearbeitet haben, und in Syrien, und so weiter. Das Auftreten von Schläferzellen von Dschihadisten, radikalen Islamisten ist kein Geheimnis„, sagte Murakhovsky. Er wies auch auf die Aktionen einer Reihe von nationalistischen Gruppen hin, darunter die „Russophoben“. Also jene Kräfte in der ehemaligen Sowjetrepublik, die gegenüber Russland als frühere zentrale Sowjetmacht eine prinzipiell ablehnende bzw. feindliche Haltung einnehmen. Murachowski zufolge wurde das „Erwachen“ der radikalen Islamisten in Kasachstan durch die Duldung der Behörden ermöglicht.
Am Donnerstag gab das Innenministerium des Landes an, dass mindestens 18 Polizisten und Sicherheitskräfte getötet und Hunderte verwundet und verletzt wurden. Es sollen auch tausende Menschen inhaftiert worden sein. Da während des Chaos keine internationalen Medien vor Ort waren, war es für Beobachter jedoch schwierig, die Zahlen zu bestätigen, zu denen wahrscheinlich auch Dutzende Tote unter den Demonstranten gehören. In der Zwischenzeit deutet ein am Freitag in den sozialen Medien verbreitetes Video darauf hin, dass sich organisierte bewaffnete aufständische Gruppen bilden, um gegen die Regierung und die ausländischen Verbündeten wie die russischen Truppen, die sie unterstützen, zurückzuschlagen.
Eskalation & Farbrevolution
Die Situation eskaliert stündlich und täglich weiter, und Kasachstan steht am Rande eines ausgewachsenen Bürgerkriegs, der von regierungsfeindlichen Aufständischen angeführt wird. Gleichzeitig werden Moskau und Peking immer lauter über das, was sie einen Regimewechsel, eine „farbige Revolution“, nennen, die möglicherweise mit Hilfe des Westens durchgeführt wird, wobei der Finger insbesondere auf die USA und möglicherweise auf die Ukraine gerichtet ist. China unterstützt das gewaltsame Vorgehen des kasachischen Präsidenten gegen die Demonstranten und Milizen und hofft, dass die „strengen Maßnahmen“ zur Ruhe führen werden. Präsident Xi Jinping erklärte, das Land sei entschieden dagegen, dass externe Kräfte in Kasachstan absichtlich Unruhen schüren und eine „farbige Revolution“ anzetteln. China sei bereit, Kasachstan in dieser schwierigen Zeit die nötige Unterstützung zukommen zu lassen, wurde Xi vom staatlichen Sender CCTV in einer Botschaft an seinen Amtskollegen in Kasachstan zitiert.
Nach Angaben des kasachischen Innenministeriums wurden seit Beginn der Unruhen landesweit fast 4.000 Menschen festgenommen und 26 bewaffnete Personen getötet. Almaty ist nach wie vor ein Brennpunkt der Gewalt, es gibt Berichte über Explosionen und beschädigte Polizeifahrzeuge. Am Freitagabend hatten die Schusswechsel im Stadtzentrum jedoch an Intensität verloren. In der westlichen Stadt Aktobe wurden sieben kasachische Polizeibeamte verletzt, während in Shymkent Medienberichten zufolge über 60 Menschen, darunter Militärs und Polizisten, verletzt wurden.
Welche Rolle spielen die CIA und Gülen?
Ein Faktor, der nicht unterschätzt werden darf, ist die islamistische Organisation FETÖ des türkischen Predigers Fetullah Gülen. Diese gilt seit dem Bruch zwischen Präsident Erdogan und dem muslimischen Kleriker und insbesondere seit dem Putschversuch gegen den türkischen Staatschef in der Türkei als Terrororganisation. Doch in Kasachstan unterhält das Netzwerk des Predigers dutzende Schulen. Gülen, der von der CIA in die Vereinigten Staaten gebracht wurde und dort den Schutz des US-Auslandsgeheimdienstes genießt, ist ein wichtiges Asset der Amerikaner für Aktionen in Zentralasien. Und Kasachstan als muslimisches Flächenland mit einer Grenze zu Russland und China ist für die Vereinigten Staaten umso mehr ein Schlüsselland. Kein Wunder also, dass die FETÖ-Schüler laut eines türkischen Berichts gezielt in den kasachischen Staatsdienst eingeschleust wurden, um so die (US-)Kontrolle über das strategisch zentral gelegene Land zu sichern.
Ein weiterer Unruheherd an der Grenze zu Russland dient zudem den US-Interessen, um so Moskau weiter zu schwächen. Gerade jetzt, angesichts der erneut eskalierenden Ukraine-Krise, sorgt dies für eine willkommene Ablenkung. Mit Islamisten hat die CIA ohnehin immer schon gerne zusammengearbeitet – von den Mudschaheddin in Afghanistan (die später zu den Taliban wurden) bis hin zu dschihadistischen Gruppen (inkl. dem „Islamischen Staat“ und Al-Kaida) in Syrien während der letzten Jahre. Da passen die islamistischen und nationalistischen Gruppen in Kasachstan perfekt ins „Playbook“.