Iran, China, Russland, Indonesien und Weißrussland – in diesen Ländern war oder ist der Messenger-Dienst Telegram durch staatliche Zensurmaßnahmen blockiert, oder es gibt mindestens Bestrebungen dazu. Markus Söder (Ministerpräsident Bayerns, CSU) forderte nun, Deutschland in diese Liste elitärer Zensur-Staaten einzureihen. Den beliebten Messenger will er einfach „abschalten“. Widerspruch gegen diese verfassungswidrige Einschränkung der Meinungsfreiheit kommt insbesondere von der AfD.
Ein Kommentar von Max Bergmann
Die Begründung für ein Telegram-Verbot liegt auf der Hand. Söder erklärte, man müsse „radikalen Querdenkern“ ihre Kommunikationsplattform nehmen. Auf Telegram finden sich zahlreiche zensurfreie Informationsquellen (auch Report24 informiert Leser zensurfrei auf Telegram). In dem Messenger organisieren sich zunehmend auch regierungskritische Gruppen in vielen autoritären Systemen der Welt. In Deutschland beispielsweise werden auf Telegram derzeit regelmäßig Spaziergänge im Kampf gegen den Zwangsmaßnahmen-Wahn organisiert. Vielen Politikern ist das natürlich ein Dorn im Auge. „Wir müssen rasch die gesetzliche Möglichkeit schaffen, Telegram abzuschalten“, sagte Söder in der WELT AM SONNTAG.
Zahlreiche Medien griffen diesen totalitären Ton auf. So erklärte die Tagesschau, „Corona-Leugner“ nutzten Telegram in verschlüsselten Chats, „um ihren Gewaltfantasien freien Lauf“ zu lassen. Gleichzeitig wurde durch das öffentlich-rechtliche Medium der tragische Einzelfall eines in Idar-Oberstein ermordeten Studenten erneut für perfide Propaganda im Sinne der Regierung instrumentalisiert. In einem Kommentar bei WELT erklärte man Telegram gleich pauschal zu einem Ort des Hasses und der Gewalt, und das „nicht erst seit Corona“.
Im „Kampf gegen rechts“ sind linker Hass und Hetze zweckdienlich
Gegenüber WELT ließ Markus Söder in einem Interview seinen totalitären Fantasien außerdem freien Lauf. So sagte er, er sei enttäuscht über die „halbherzigen Aktivitäten des Bundesjustizministers gegen Hass und Hetze im Internet“. Natürlich meinte er damit Hass und Hetze von rechts, denn Söder ist, wie viele andere Menschen in Deutschland, auf dem linken Auge blind. Hass und Hetze vom äußersten linken Rand scheinen zweckdienlich zu sein, in dem nicht erst von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ausgerufenen „Kampf gegen Rechtsextremismus“. In diesen Kreisen wird mit „Rechtsextremismus“ in der Regel pauschal alles umschrieben, was nicht linksradikal oder linksextremistisch ist.
Radikalisierte Twitter-Nutzer im Dunstkreis einer linksextremen Stiftung
Doch ist wirklich explizit Telegram eine Gefahr? Der Blick in andere soziale Netzwerke liefert Antworten. Auf Twitter beispielsweise haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Accounts (Beispiel siehe hier, hier, hier oder hier und viele weitere) etabliert, die das soziale Netzwerk gezielt nach vermeintlichem „Hass von rechts“ durchsuchen, melden und zur Strafanzeige bringen – Blockwartmentalität vom Feinsten. Das Vorgehen von Twitter-Nutzern wie „Mica4711“ oder „JuergenG64“ ist fast immer identisch: Der konservative Nutzer wird durch die linken Blockwart-Profile erst blockiert, bei Twitter gemeldet und dann mit der „Hassmelden-App“ denunziert und bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Unter den Hashtags #ReportTheMob und #HetzlichenDank stacheln sich diese linksradikalen Profile gegenseitig an, feiern ihre Erfolge – wobei „Erfolg“ die permanente Sperre eines konservativen Profils oder gar eine erfolgte Strafanzeige gegen den Nutzer ist. Bearbeitet werden die Meldungen der „Hassmelden-App“ von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.
Recherchen zeigen, viele dieser „Melde-Profile“ auf Twitter haben auffallend tiefe Verbindungen zur oft als linksradikal angesehenen Amadeu-Antonio-Stiftung. Gegründet wurde die dubiose Stiftung im Jahr 1998 von Anetta Kahane, die von 1972 bis 1982 „Inoffizielle Mitarbeiterin“ (IM) der DDR-Staatssicherheit war. Weiters sollen sich einige dieser gut organisierten und vernetzten „Melde-Profile“ im Dunstkreis der Antifa Hamburg aufhalten, das behaupten zumindest Nutzer in dem sozialen Netzwerk. Auch fanatisch wirkender Impf-Fetischismus ist nach Analyse der Neuzeit-Stasi „Melde-Profile“ nicht von der Hand zu weisen. Viele begehen bei ihren Hetztiraden gegen rechte Nutzer selbst Straftaten. Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung, um nur einige Tatbestände zu nennen. Doch für die vermeintlich „gute Sache“ im „Kampf gegen rechts“ ist offenbar jedes Mittel legitim. Dabei radikalisieren sich die meist anonym auftretenden Nutzer in beängstigendem Ausmaß immer mehr. Selbst vor faktischen Morddrohungen, rechte Nutzer ins „jenseits“ (sic!) zu befördern, schreckt man nicht mehr zurück. Das alles passiert ohne jegliches Eingreifen der linken Regierung in Deutschland.
NetzDG im Widerspruch zum Grundgesetz: Löschzentren zensieren das Internet
Statt gegen Hass und Hetze linksradikaler Nutzer im Internet konsequent vorzugehen wird über ein Verbot des beliebten Messengers Telegram diskutiert – mit totalitär anmutenden Tönen. Die digitalpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Joana Cotar, erklärte unter Bezugnahme auf das geforderte Telegram-Verbot: „Die AfD lehnt diesen Vorschlag vehement ab. Länder, die bisher gegen Telegram vorgegangen sind, sind: China, Russland, der Iran, Weißrussland und Indonesien. Deutschland sollte sich hier unter keinen Umständen einreihen.“ Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz, auf Basis dessen derartige Zensurmaßnahmen stattfinden, ist ein wahrer Exportschlager in totalitäre Regime. Dem Grundgesetz nach findet eine Zensur zwar nicht statt, doch die Regierung weist mit dem umstrittenen NetzDG Konzerne unter Strafandrohung in Millionenhöhe an, gewisse Inhalte zu entfernen. Was entfernt wird, entscheiden dann aber meist internationale Großkonzerne wie Facebook, Twitter und Co., die Meinungsäußerungen in Löschzentren (Report24 berichtete) durch meist ungeschulte Mitarbeiter zensieren. Der Auftrag zur Zensur des Internets wurde von der Regierung faktisch übertragen an Konzerne.
Ampel will Telegram dem deutschen Zensur-Gesetz unterwerfen
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz findet derzeit auf Telegram keine Anwendung, da es als reiner Messenger-Dienst gilt und nicht als klassisches soziales Netzwerk. In der neuen deutschen Ampel-Regierung diskutiert man nun, Telegram diesem Zensurgesetz zu unterwerfen, notfalls mit Zwangsmaßnahmen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, sagte gegenüber der WELT: „Telegram ist kein reiner Messenger-Dienst, sondern unterliegt als soziales Netzwerk mit seinen teilweise weit mehr als 100.000 Personen umfassenden Gruppen der Regulierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.“
Bereits im April forderte das Bundesamt für Justiz in Bonn Telegram schriftlich auf, sich den deutschen Zensurmaßnahmen endlich zu beugen – bislang erfolglos. Unter dem Aktenzeichen VIII2 – 4090/2 – 6E – 7 – 0 – 1/2021 kontaktierte man die Telegram Chefs, die im Al Kazim Tower in Dubai, in den Büros 2301 und 2303 im 23. Stock, residieren. Die Tagesschau behauptete ohne Belege, manche Menschen hielten Telegram für eines „der gefährlichsten Unternehmen der Welt“. Es würden „nahezu unkontrolliert Hass, Hetze, rassistische und antisemitische Inhalte, Verschwörungsmythen über Corona oder islamistische Terrorpropaganda verbreitet werden“, und auch Drogen oder auch gefälschte Impfpässe seien bei dem Messenger-Dienst im Angebot, wie man dort behauptet. Auf das Schreiben des Bundesamtes für Justiz hat man seitens der Verantwortlichen bei Telegram bislang nicht reagiert.
Druck auf Apple und Co. könnte zu Verbannung aus AppStore führen
Doch wie viel Macht hat die deutsche Regierung hier tatsächlich, was steckt hinter den Forderungen, Telegram einfach „abzuschalten“? Auf WELT-Anfrage erklärte eine Sprecherin des Justizministeriums: „Das NetzDG enthält keine Ermächtigung, um dem Betreiber eines sozialen Netzwerkes den Betrieb zu untersagen. Das Bundesamt für Justiz, das für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständig ist, ist dementsprechend nicht befugt, eine solche Anordnung zu erlassen.“ Eine pauschale „Abschaltung“ scheint also selbst bei Anwendung des NetzDG auf Telegram derzeit rechtlich nicht möglich zu sein, auch wenn unzählige Politiker dies fordern.
Was aber durchaus kurzfristig möglich wäre: Eine Verbannung aus den offiziellen AppStores der Smartphone-Hersteller. Druck auf Apple, Google und Co. könnte dazu führen, den Download der Telegram-App für neue Nutzer zu verhindern oder zu erschweren. Telegram ist regelmäßig in den Top 3 Download-Charts der meistgeladenen Apps zu finden und gehört zu den Top 20 der Apps im Jahr 2021. Im Falle eines Download-Verbots könnten Android-Nutzer Telegram weiterhin durch die Freigabe „unbekannter Quellen“ aus anderen Portalen herunterladen und installieren. Doch Nutzer von Apple-Geräten wären außen vor: Das geschlossene System des Tech-Giganten aus Cupertino (Kalifornien) gilt als besonders sicher und verhindert derartige Eingriffe ins Betriebssystem. Nicht einmal der US-amerikanische Geheimdienst FBI konnte Zugriff auf Apple-Geräte erhalten.
Diskussion über Einschränkung der Meinungsfreiheit als Gradmesser für Verrohung
Eine vollständige Sperre des gesamten Telegram-Systems in Deutschland scheint derzeit also eher unwahrscheinlich, könnte aber im Fall der Fälle durch Nutzung von Premium-VPN Diensten umgangen werden. Derartige Dienste, die vorzugsweise auf dem SSTP-Protokoll basieren, verschleiern die Identität des Nutzers wirksam und durchbrechen meist sogar die scharfen chinesischen Zensurmaßnahmen. Kostenfreie VPN-Dienste sind hierfür in der Regel nicht leistungsstark genug. Telegram-Verbot hin oder her, eines jedenfalls ist Fakt: Allein die Diskussion darüber zeigt, die Gesellschaft verroht von Tag zu Tag mehr und Spaltung ist mittlerweile mehr die Regel als die Ausnahme.