Der jahrzehntelange Parteienfilz hat ein politisches System geschaffen, in dem die Selbstbedienungsmentalität gedeihen konnte.
Ein Gastkommentar von Heinz Steiner
An politischen Skandalen war die Zweite Republik noch nie wirklich arm. Betraf dies früher vor allem die Großparteien SPÖ und ÖVP, folgten später auch noch FPÖ und BZÖ nach. Selbst die Grünen, die sich gerne als „Saubermänner“ präsentieren, blieben davon nicht ganz unbehelligt, wie der Wechsel von Eva Glawischnig zum Glücksspielkonzern Novomatic zeigt.
Nachdem der „Ibiza-Skandal“ zur Auflösung von Schwarz-Blau im Mai 2019 führte hat die Alpenrepublik nun die nächste Regierungskrise am Hals. Dieses Mal betrifft sie (den mittlerweile zurückgetretenen) Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen Führungsmannschaft. Die systematische Korruption, die auch vom grünen Regierungspartner offenbar gedeckt wurde, kommt mittlerweile scheibchenweise ans Tageslicht.
Medienkauf seit Jahrzehnten üblich
Doch die ganze Angelegenheit als „Ausrutscher“ zu bezeichnen greift nicht. Die Praxis, sich mittels Inseraten bei den großen Tageszeitungen und den Wochenmagazinen eine genehme Berichterstattung quasi zu erkaufen, gibt es schon seit Jahrzehnten. Kamen staatliche „Förderungen“ früher hauptsächlich der „Krone“ zugute, füllen diese jetzt auch die Kassen von „heute“, „Österreich“ und anderen Printprodukten. Dazu gibt es noch den ORF, der ohnehin als sehr parteiisch gilt und Dank der direkten politischen Einflussnahme auch als „Hofberichterstattungsinstrument“ der jeweils Regierenden dient.
Österreich hat eigentlich eine Politikkrise und keine Regierungskrise. Mit dem unter der SPÖ und der ÖVP eingeführten Parteienfilz (und der Aufteilung in „eine rote und eine schwarze Reichshälfte“) hat sie begonnen und wurde dann auch fortgeführt. Schwarz-Blau bzw. Schwarz-Orange hatte wo es nur ging „umgefärbt“ wie es dann unter Schwarz-Rot wieder „zurückgefärbt“ wurde. Und jetzt mit den Grünen im Regierungsboot kamen erneut solche parteipolitisch motivierten Umbesetzungen im staatsnahen und im staatlichen Bereich. Posten werden nicht nach Qualifikation, sondern nach Parteibuch vergeben.
Zeit für eine umfassende Staatsreform
Eine umfassende Staatsreform wäre eigentlich unerlässlich und angesichts der sich aufsplitternden Parteienlandschaft sogar ideal. Als SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eine Allparteienregierung ohne ÖVP ins Gespräch brachte (und dafür kritisiert wurde), zeigte es sich, dass dies nicht unbedingt ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ein Beispiel könnte man sich an der Schweiz nehmen, die einerseits auch Kleinparteien in den Nationalrat lässt und andererseits stets eine breite Konzentrationsregierung aus den stärksten Parteien aufstellt.
Für Österreich könnte eine solche Regierung aus ÖVP, SPÖ, Grünen und FPÖ bestehen. Theoretisch könnte man auch einen NEOS-Minister mit hinzunehmen und tatsächlich eine Allparteienregierung einsetzen. Dies hätte den Vorteil, dass es nicht ständig zu parteipolitisch motivierten Umfärbungen käme und jede relevante politische Kraft in Österreich auch in der Bundesregierung vertreten wäre – mit einem Schlüssel zur Vergabe der Ministerposten und Staatssekretäre nach Stärke der Parteien.
Der von Bundeskanzler Kreisky überlieferte Satz „Mochts wos woits, oba mochts es unta da Tuchent“ (sinngemäß: Macht was ihr wollt, aber lasst euch dabei nicht erwischen), der offenbar quer durch die Parteienlandschaft noch gilt, sollte keine Relevanz mehr haben dürfen. Saubere Politik braucht Kontrolle und Transparenz.