Am 23. Juni veröffentlichten die Rechtsanwälte für Grundrechte – eine maßnahmenkritische Anwaltsorganisation in Österreich – eine kurze Abhandlung über die Fragestellung, ob es sich bei Covid-19 Impfungen um eine strafbare Heilbehandlung im Sinne des Strafgesetzbuches, § 110, handeln könnte. Ansatzpunkt ist die Möglichkeit, dass Patienten nicht vollständig aufgeklärt wurden, selbst wenn die verabreichenden Ärzte dies – fälschlicherweise – annehmen.
Text: Rechtsanwälte für Grundrechte, 23. Juni 2021
Aufgrund der intensiven Impfwerbung und den von der Regierung eröffneten Impfstraßen stellt sich die Frage, in wie weit eine Impfung an gesunden Personen ohne Durchführung einer umfangreichen ärztlichen Aufklärung einem allfällig strafrechtlich relevanten Verhalten zugeordnet werden kann.
§ 110 StGB stellt „eigenmächtige Heilbehandlungen“ unter Strafe und soll so das Selbstbestimmungsrecht des Patienten schützen. Dabei geht um die Frage: „Liegt eine vorsätzliche Behandlung ohne die Einwilligung des Patienten vor?“ Zum strafrechtlich relevanten Täterkreis zählen nicht nur Ärzte oder medizinisches Personal, sondern jeder, der eine Behandlung durchführt. Das Delikt setzt Vorsatz voraus. Ein Täter, der nur irrtümlich glaubt, den Patienten aufgeklärt zu haben, handelt somit nicht im Sinne des § 110 StGB.
Die Einwilligung zu einer Heilbehandlung kann lediglich ein einsichts- und urteilsfähiger Patient aus eigenem erteilen. Zur Rechtswirksamkeit dieser Einwilligungserklärung bedarf es der umfangreichen Aufklärung, in welcher nicht nur die vorzunehmende Behandlung, sondern sämtliche damit verbundenen Risken samt möglicher Folge- und Nebenwirkungen detailliert dargelegt und allfällige Alternativen angeboten werden müssen.
Patient muss nach Aufklärung Folgen abschätzen können
Der Patient muss also, bevor er zur Behandlung die Einwilligung erteilt, abschätzen können, welche Folgen tatsächlich auf ihn zukommen und welche Behandlungsalternativen es für die konkrete Behandlung gibt.
Es entspricht der ständigen Judikatur, dass je gefährlicher, schwerwiegender und weniger dringlich die Heilbehandlung/der Eingriff ist, um so sorgfältiger die Aufklärung zu erfolgen hat. Eine hervorstechende Dringlichkeit scheint für Impfungen an gesunden Personen, insbesondere, wenn diese einer Altersgruppe angehören, bei denen ein schwerer Krankheitsverlauf aufgrund der bisherigen Erfahrung nicht zu befürchten ist, nicht vorhanden.
Auch wenn die Einwilligung nach den Rechtsgrundsätzen konkludent, sohin ohne ausdrückliche mündliche Erklärung, erteilt werden könnte, ist darauf hinzuweisen, dass ein bloßes Erscheinen des Patienten beim Arzt keinesfalls eine Einwilligung zu allen erdenklichen Behandlungen bedeutet.
Geschädigte müssen als Privatankläger auftreten
Der behandelnde Arzt muss sich nach der umfassenden Aufklärung zudem davon überzeugen, dass der Patient tatsächlich seine Ausführungen verstanden hat.
Es handelt sich bei diesem Delikt nicht um ein Offizialdelikt, welches mittels Anzeige bei einer Polizeiinspektion durch die Staatsanwaltschaft verfolgt würde. Es ist erforderlich, dass die geimpfte Person als Privatankläger gegen die impfende Person aus eigenem vorgeht. Dies auch mit den Kostenfolgen, die dieses Strafverfahren mit sich bringt.
Es gelten für die Überreichung der Privatanklage die Verjährungsbestimmungen des § 59 StGB, sodass die Anklage innerhalb Jahresfrist nach der Heilbehandlung dem zuständigen Gericht überreicht werden muss.