Mindestens 300 Raketen und Drohnen, aber im Prinzip keine Treffer? Nach den Erfahrungen aus der Ukraine, wie moderner Krieg funktioniert, ist das faktisch undenkbar. Die gesamte Aktion hinterlässt einen Beigeschmack – und kurioserweise auf beiden Seiten nur Sieger. Israel und die USA stehen als Helden über den Luftraum da, die wirklich alles problemlos abwehren können. Und der Iran hat den Islamisten gezeigt, dass man sich auch von Israel nicht alles gefallen lässt.
Ein Kommentar von Florian Machl
In der Nacht vom 13. April 2024 feuerte der Iran rund 170 Drohnen, 120 ballistische Raketen und 30 Marschflugkörper auf Israel ab. Im Grunde genommen traf kein einziges dieser Geschosse, 99 Prozent wurden durch das Zusammenwirken der israelischen und US-amerikanischen Streitkräfte abgefangen.
Zunächst hielt die Welt den Atem an. Dritter Weltkrieg, Atomkrieg – all das ist offen, wenn ein Land Israel attackiert. Und kritische Menschen wissen auch, dass „die Falken“ in den USA schon lange auf einen Krieg gegen den Iran drängen. Hinzu kommt, dass die USA noch stets einen Krieg begonnen haben, wenn es politisch schlecht um sie bestellt ist – und vor allem, wenn der Dollar noch weniger wert ist, als das Papier, auf das er gedruckt wurde.
Alles vorab bekannt
Nachdem man die Resultate der Angriffswelle kennt und die wenigen investigativen Journalisten ihre Arbeit aufgenommen haben, geht man von einem abgekarteten Spiel aus. So berichtete selbst der Business Insider in Deutschland: Jerusalem, Washington und Berlin wussten vor dem Angriff Irans genau, wo und wann die Mullahs zuschlagen würden. Deshalb habe es bislang auch keine militärische Antwort seitens Israel und den USA gegeben.
Wie wahrscheinlich ist es, dass man im Jahr 2024 mit allen Erkenntnissen moderner Kriegsführung zeitgleich über 300 Raketen auf ein Land abschießt, aber (so gut wie) keine trifft? Blicken wir in die Ukraine. Der dort seit Anfang 2022 tobende Krieg, der hunderttausende Menschenleben gekostet hat, brachte neue Erkenntnisse zu moderner Kriegsführung. Eine davon ist, dass viele westliche Luftabwehrsysteme an den Erfordernissen des Schlachtfelds vorbeigehen. Nehmen wir das Patriot-Luftabwehrsystem. Eines dieser Systeme kostet über eine Milliarde (Sie lesen richtig) US-Dollar. Eine einzelne Abwehrrakete kostet – je nach Quelle – zwischen 2 und 10 Millionen US-Dollar.
Erfahrungen aus der Ukraine
Das System wurde primär dazu entwickelt, Flugzeuge, Marschflugkörper und Raketen kürzerer Reichweite rechtzeitig zu zerstören. Dabei kann es nur einen relativ kleinen Bereich abdecken – Analysten erklärten zu Beginn des Ukraine-Krieges, dass eine Patriot-Batterie nicht in der Lage ist, ganz Kiev (839 km²) effektiv zu schützen, der effektive Schutzradius soll im Bereich von 160 km liegen. Im Mai 2023 wurde bekannt, dass Russland ein Patriot-Abwehrsystem „beschädigt“ hätte. Informelle Quellen sprachen von einem Totalverlust. Im März 2024 dasselbe Bild, diesmal untermauert durch Videoaufnahmen. Mindestens eines der deutschen Patriot-Systeme soll in der Ukraine durch einen russischen Iskander-Treffer vollständig zerstört worden sein.
Schwarmangriffe, Ablenkungen
Dabei muss man sich vor Augen halten, dass nicht nur Russland über Hyperschallraketen verfügt. Auch der Iran will seit Mitte 2023 über Hyperschallwaffen verfügen. Diese sind mit herkömmlicher Flugabwehr kaum zu bekämpfen. Ein modernes Szenario eines Raketenangriffes sieht nach den Ukraine-Erfahrungen wie folgt aus:
Man beschäftigt die feindliche Flugabwehr mit möglichst vielen kostengünstigen Angriffen: Kleine Drohnen ab 1.000 Euro, im Wesentlichen ungelenkte „Homemade“-Raketen, wie sie von den Gaza-Arabern eingesetzt werden und dergleichen mehr. Ob auf der Gegenseite nun Patriot steht oder die israelischen Systeme „Iron Dome“, „David’s Sling“, „Arrow“ oder das neue „Iron Beam“: klar ist, dass diese Systeme nicht auf eine endlose Anzahl von Angriffswaffen reagieren können. Alle haben ihre Kapazitätsgrenzen.
Ist die Luftabwehr mit den vorangehenden Mini-Angriffen gebunden, wozu sogar ballistische Schüsse aus besonders einfachen Artilleriewaffen wie Mörsern zählen können, setzt man die Hauptwaffen ein. Das können herkömmliche Marschflugkörper, aber auch die modernen Hyperschallraketen sein, die ohnehin kaum bekämpft werden können. Der Iran soll mit der Fattah und Fattah 2 über Raketen verfügen, die bis zu 5000 m/s erreichen können. Hat man also sichergestellt, dass die gegnerische Luftverteidigung „leergeschossen ist“, wird man mit seinen teuren Hauptwaffen viel eher einen Treffer setzen.
Solche Treffer gelingen im Ukraine-Krieg beiden Seiten, und das tagtäglich. Die Strategie ist immer ähnlich – Einzelschüsse gibt es kaum noch. Wir sehen die oben beschriebene Ablenkungstaktik – oder Schwarmangriffe mit Raketen in hoher Zahl, von denen nicht alle abgewehrt werden können. Wir beschreiben am Ende dieses Artikels die israelischen Abwehrsysteme im Detail – daraus kann man ebenso schließen, ob die simultane Abwehr von 300 Flugkörpern wirklich so ohne Weiteres möglich ist.
Angriff des Iran, um „die Ehre zu wahren“
Epoch Times berichtete unter Berufung auf arabische Kommentatoren, dass am Angriff des Iran auf Israel etwas faul sei. Und dieser Gedanke ist alles andere als abwegig. Das Alternativmedium erklärt, dass der Angriff dazu gedient haben könne, die „persische Ehre“ zu wahren. Denn Menschen aus den Kulturkreisen des Nahen Ostens ist die Ehre sehr wichtig. Man kann sich nicht einfach schlagen lassen. Israel hatte den Iran zuerst geschlagen. Am 1. April wurde durch einen israelischen Angriff ein Konsulargebäude des Irans in Damaskus zerstört. Das Gebäude, mitten in der syrischen Hauptstadt, wurde dabei eingeebnet, mindestens 13 Menschen getötet. Darunter befanden sich hochrangige Militärs der iranischen Streitkräfte. Der Iran sieht sich aus weltlichen und religiösen Gründen als Todfeind Israels.
Das Ergebnis der iranischen Attacke vom 13. April überrascht. Von über 300 Flugkörpern (zunächst berichteten arabische Quellen von über 1.000 Raketen und Drohnen, die aktuellen Zahlen finden Sie ganz oben in diesem Artikel) wurden 99 Prozent abgefangen. Die wenigen Treffer richteten kaum nennenswerte Schäden an.
Arabische Welt vermutet Absprachen
Arabische Kommentatoren und Journalisten gehen davon aus, dass es sich um einen vorab vereinbarten Scheinangriff handelte. Dafür spricht auch das schnelle und beherzte Eingreifen der USA, welche gemeinsam mit Israel die anfliegenden Ziele bekämpften.
Yigal Carmon, dem Präsidenten des Memri zufolge hätten die USA den Angriff mit dem Iran koordiniert, damit niemand verletzt oder getötet würde. Demnach hätten die USA bereits am 13. April damit begonnen, Druck auf Israel auszuüben, damit jede Aktion Israels mit den USA abgesprochen würde. Joe Biden hätte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu auch telefonisch aufgefordert, nicht zu eskalieren und „vorsichtig und strategisch“ zu agieren.
Epoch Times
Angriff, um Krieg zu vermeiden?
Tatsächlich sollte der Angriff des Iran nicht zur Eskalation, sondern zur Deeskalation dienen. Man habe im Inland das Gesicht wahren wollen, um damit einen Kriegsausbruch zu vermeiden. Somit habe es sich um eine reine Show gehandelt. Dass im Grunde genommen 100 % der Angriffe völlig ins Leere liefen, lässt kaum andere Schlüsse zu.
Iran kündigte Handlung vorab an
Dafür spricht auch die iranische Indiskretion, die völlig offen erfolgte. Der Iran startete die Drohnen und prahlte sofort auf offiziellen Kanälen damit – wohl wissend, dass die Fluggeräte acht Stunden benötigen würden, bis sie in Israel eintreffen. Die Vorankündigung durch offizielle Stellen des Iran lasse darauf schließen, dass der Angriff nicht ernst gemeint war, sondern eher symbolischen Charakter hatte. Für diese Theorie spricht auch der Umstand, dass Israel den Luftraum rechtzeitig eine Stunde vor dem Eintreffen der Angriffswelle schloss, außerdem zog man Truppen aus den Gebieten ab, wo man mögliche Treffer erwartete.
Was zwischen Tel Aviv und Teheran stattfand, war nichts anderes als eine Schlägerei zwischen zwei Verbündeten unter der Schirmherrschaft eines größeren Verbündeten, nämlich der USA, mit dem Ziel, die leichtgläubigen alten Araber zu verspotten …
Anwar Malek, Journalist aus Frankreich
Das sind die Abwehrsysteme Israels
Das eingangs beschriebene Patriot-System kann, so die technische Beschreibung, sechs Ziele mit einer Höchstgeschwindigkeit von 3.000 m/s bekämpfen.
Die Leistungsdaten von Iron Dome sind jenen von Patriot nicht unähnlich. Es kann ein Gebiet von 150 qm² geschützt werden, dabei werden bis zu sechs anfliegende Ziele zeitgleich bekämpft. Eine Rakete aus Iron Dome kostet (wiederum: je nach Quelle) zwischen 50.000 und 150.000 US-Dollar. Stern berichtete im Jahr 2019 allein auf weiter Flur, eine Abwehrrakete würde sogar nur 20.000 kosten, pro Abwehrvorgang sind zwei Raketen nötig. „Günstig“ ist die Abwehr der oben erwähnten Billigraketen jedenfalls nicht.
Sehen wir uns die anderen erwähnten Abwehrsysteme Israels an. David’s Sling wurde zur Abwehr von Raketen, die aus 70 bis 300 km Entfernung abgeschossen wurden, entwickelt, eine Abwehrrakete kostet 1.000.000 US-Dollar. Die Stärke des Systems liegt darin, auch besonders tief fliegende Angriffswaffen in wenigen Metern Höhe kontern zu können – die Maximalhöhe liegt bei 15 km. Die Höchstgeschwindigkeit der bekämpfbaren Ziele soll rund 2.500 m/s betragen.
Mit dem Arrow System (Arrow 2, Arrow 3) verteidigt sich Israel gegen Langstreckenraketen. Es soll gleichzeitig bis zu 14 Ziele bekämpfen können, selbst wenn sich diese in 100 km Höhe befinden und 2.400 km entfernt sind (Arrow 3). Eine Abwehrrakete soll an die 500.000 US-Dollar kosten.
Gegen Billigwaffen ist das Iron Beam System konzipiert. Ein Schuss daraus kostet nur 2.000 US-Dollar und würde die bisherige extreme Asymmetrie zwischen Angriffs- und Verteidigungskosten ausgleichen. Damit ist die Abwehr von Zielen in einem Radius von 7 km möglich – es handelt sich um eine Laser-Energiewaffe. Die genauen Leistungsdaten sind unbekannt, da das System so neu ist. Ebenso ist unbekannt, ob es überhaupt schon voll funktionsfähig und im Einsatz ist.