Dass grüne Lokalpolitiker im Saarland zur AfD wechseln, sorgt für Aufsehen und erschüttert die Parteikollegen. Was Medienberichte zu diesem Thema geflissentlich ignorieren, ist die Tatsache, dass die Grünen mit ihrer aktuellen Politik ihre ureigenen Positionen (und damit ihre eigenen langjährigen Anhänger) verraten. Ein Gründungsmitglied der Grünen, Prof. Dr. Ulfried Geuter, ist nun aus ebendiesem Grund nach über 45 Jahren aus der Partei ausgetreten. In seiner Begründung rechnet er mit der derzeitigen Politik der nunmehr Olivgrünen ab und kritisiert im Zuge dessen ganz besonders Außenministerin Annalena Baerbock und Anton Hofreiter.
Grüne sahen sich gemeinhin immer als Weltverbesserer, die Leid verhindern wollten. Dazu gehörte auch, sich für Frieden und die Beendigung von Kriegen einzusetzen. Heute ist von diesen Grundsätzen nichts mehr zu spüren: Stattdessen hat man sich zu den wohl größten Kriegstreibern in der deutschen Parteienlandschaft gemausert, die selbst FDP-Politikerinnen mit Verbindungen zur Rüstungsindustrie in nichts nachstehen. Aus „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“ wurde „alle Waffen in die Ukraine, die wir haben“. Einerseits warnt man vorm bösen Russen, andererseits provoziert man ihn, wo man nur kann. Wer deswegen vor einem Dritten Weltkrieg warnt, wird als „Putin-Versteher“ oder Schlimmeres bezeichnet.
Bei Urgrünen sorgt das für Entsetzen. Ulfried Geuter war Gründungsmitglied der Partei: Er wurde beim Gründungstreffen der „Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz“ am 5. Oktober 1978 Mitglied. 1980 ging diese Liste in die neu gegründeten Grünen über. Doch nun tritt er aus der Partei aus und begründet das in einer Erklärung, die auf dem „Blog der Republik“ publiziert wurde. Unter Bezug auf einen Essay von Antje Vollmer gibt er an, die Grünen hätten ihre friedens- und umweltpolitischen Ideale dem bloßen Ziel geopfert, „mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker“. Ganz besonders kritisiert er in seiner Erörterung Annalena Baerbock und Anton Hofreiter und warnt vor einem drohenden Dritten Weltkrieg.
Bei den Grünen haben diejenigen außenpolitisch das Sagen bekommen, die nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass der Westen, Europa und Nordamerika, die Rolle als Hegemon verloren hat. Baerbock versucht die verlorene militärische und ökonomische Dominanz durch eine moralische zu ersetzen. Daher reist sie als Lehrmeisterin durch die Welt und verkündet überall was geschehen „soll“ oder „muss“. Das nennt sich wertegeleitete Außenpolitik und heißt, Chinas Staatschef bei einem offiziellen Besuch als Diktator zu bezeichnen oder auf dem G-20-Gipfel Lawrow mit erhobener Faust zuzurufen “Hören Sie auf mit dem Krieg”. Mit solchen Gesten kann sie sich als Gerechte fühlen und bei denjenigen punkten, die in Deutschland Empörung mit Vernunft verwechseln und sich wohl damit fühlen möchten, dass unsere Außenministerin ihnen zeigt, zu den Guten zu gehören und den Bösen entgegenzutreten.
Ulfried Geuter
Er bezeichnet Baerbocks Art der Politik als reine Inszenierung: Sie stelle sich schlicht als die „Gute“ dar, statt auch nur irgendetwas mit diplomatischen Mitteln zum Positiven zu verändern (oder es überhaupt zu versuchen). Die grüne Außenpolitik setze auf Empörung statt auf Vernunft. Er beschreibt hier im Kern eben jene hohle Politik des erhobenen Zeigefingers, für die Deutschland seit Langem international kritisiert und verlacht wird. Gutes erreicht man damit nicht: Man macht die Lage durch stetige Provokationen nur schlimmer.
Geuter mahnt, dass die Unterstützung korrupter Regimes vor dem Ukrainekrieg noch gegen die Menschenrechtspolitik der Grünen verstoßen hätte. Die Ukraine gilt als das mit Abstand korrupteste Land Europas. Hier zählen auch Geuters Ansicht nach nur die Interessen von Oligarchen. Selenskyj, selbst durch einen solchen ins Amt gehievt, baue durch das Kriegsrecht weiter seine Autokratie aus. Doch das alles werde von den Grünen heute vergessen.
Er betrachtet die Gefahr eines Dritten Weltkriegs offenkundig als hoch. Grund sei die Weigerung des Westens, anzuerkennen, dass die Welt multipolar geworden ist und der Westen seine Vormacht verloren hat. Wer mit moralischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln weiterhin um diese Vormacht kämpfe, müsse damit rechnen, dass die Weltordnung in einem großen Dritten Weltkrieg verändert werde. Es sei naiv, anzunehmen, dass Russland seine Atomwaffen nicht einsetzen werde. Für Geuter ist das Wissen, dass es bei einem Krieg in Europa hier keine Sieger geben wird, eine urgrüne Position. Die heutigen Grünen – allen voran Baerbock und Hofreiter – agieren gegenteilig. „Mit dieser Politik, die der Logik des Krieges folgt und die Sicherheit Europas und der Welt aufs Spiel setzt, um sich als die Gerechtesten der Gerechten fühlen zu wollen, habe ich nichts gemein. Daher trete ich aus den Grünen aus“, konstatiert er abschließend.
Dass er mit seinen Ansichten nicht allein ist, demonstrierte zuletzt auch der Parteiaustritt eines Lokalpolitikers im Saarland, der bei den nächsten Wahlen für die AfD kandidieren wird. Die Blauen seien nämlich die Einzigen, die die Waffenlieferungen in die Ukraine stoppen wollen. Grüne Hardliner geben sich hier freilich verständnislos. Dass Baerbock und Konsorten demnächst von ihrem gefährlichen Kurs abrücken werden, muss bezweifelt werden.