In Deutschland hat sich eine Partei von und für Migranten gegründet: Die türkische „DAVA“ ist bereits auf Stimmenfang und will bei den Europawahlen 2024 antreten. Sie gilt als Ableger von Erdoğans AKP-Partei. Angeblich soll „DAVA“ für „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ stehen. In einem Gastkommentar erörtert der österreichische Unternehmensberater und Politiker Efgani Dönmez, selbst türkischstämmig, andere Bedeutungen dieses Namens und erklärt die Hintergründe der Partei.
Ein Gastkommentar von: Efgani Dönmez & Wegbegleiter
„DAVA“ ist ein Schlüsselbegriff der türkischen nationalistisch-reaktionär-konservativen Szene und meint „Mission“. Jene, die diese Mission umsetzen, nennen sich „Anhänger der Mission“. Ihre Aufgabe ist es, „der Sache zu dienen“. Jene, die sich „von der Sache abwenden“, werden in der nationalistischen Szene für vogelfrei erklärt, und zum „Abschuss“ freigegeben.
Es ist durchaus bezeichnend, dass die Partei, die derzeit in Deutschland gegründet werden soll, den Namen „DAVA“ trägt. Die Begründer der Bewegung behaupten hingegen, der Name sei von den Initialen der deutschen Worte „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ abgeleitet. Zahlreiche Beobachter sehen in der Bewegung einen verlängerten Arm von Erdoğans AKP-Partei in Deutschland. AKP bedeutet übersetzt „Gerechtigkeit und Entwicklung“. In den 23 Jahren, in denen sie an der Macht ist, hat die Partei es nicht nur versäumt, die Türkei zu entwickeln, sondern auch die Gerechtigkeit zerstört, die Vielfalt angegriffen und versucht, einen homogenen Menschen- und Kulturtypus zu schaffen. Es ist schon ein Widerspruch in sich, dass eine von der AKP inspirierte Organisation, die die Vielfalt in der Türkei zerstört hat, sich in Deutschland „Vielfalt“ nennt.
Es besteht kein Zweifel, dass dies einer der neuen politischen Schachzüge von Erdoğan ist. Damit hofft er, seine Unterstützerinnen und Unterstützer in Deutschland unter einem Dach zu versammeln und sich ein Standbein in der deutschen Politik aufbauen zu können, ebenso wie einen Abgeordneten in das Europäische Parlament zu entsenden. Das Timing ist allerdings etwas heikel. Noch vor zwei Monaten, als das Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft im Deutschen Bundestag diskutiert wurde, erklärte der CDU-Abgeordnete Alexander Throm: „Keiner sollte sich wundern, wenn wir dann einen AKP-Ableger Erdoğans in Deutschland haben“. Die erstarkende deutsche Rechte wird die Gründung der DAVA als neuen Beweis für ihre ausländerfeindliche These nutzen.
Schon vor der Gründung der Partei sorgte sie für Reaktionen in der deutschen Presse. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass Erdoğan die Spielregeln in den türkisch-europäischen Beziehungen bestimmt; der Ball liegt in seinem Spielraum. In der Flüchtlingskrise, im Ukraine-Krieg, bei der NATO-Mitgliedschaft Schwedens, in der Israel-Hamas-Krise und jetzt in der DAVA-Frage macht Erdoğan zwei oder drei Schritte nach vorne, Europa reagiert, und selbst, wenn Erdoğan einen Schritt zurück macht, gewinnt er am Ende. Ankara wird diese Taktik wohl so lange durchziehen, bis Europa aufwacht.
„DAVA“ hat im Türkischen noch eine zweite Bedeutung: Sich an eine gerichtliche Instanz wenden, um eine juristische Lösung zu finden. Die Türkei ist derzeit mit 23.400 Anträgen das Land mit den meisten Verfahren auf der Tagesordnung des EGMR. Mit anderen Worten, die Türkei hat die höchste Anzahl von Verfahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Europa. Wie Hunderttausende von Andersdenkenden in der Türkei müssen auch viele im Ausland lebende kritische Stimmen damit rechnen, von der Regierung oder deren verlängerten Arme in Europa verklagt zu werden. Trotz allen juristischen Verfahren und Klageandrohungen aus dem Umfeld der AKP und nationalistisch-islamistischen Milli Görüs wird das Aufzeigen und Thematisieren dieser bedenklichen Entwicklungen der türkischen Einflussnahme durch AKP-Ableger in Europa unbeirrt fortgesetzt.