Der Maulkorb als rettender Fallschirm? Der Mythos von der Wirksamkeit der Maske

Bild: R24

Die Maske als Sicherheitsgurt oder gar als Fallschirm: Diese kuriosen Vergleiche waren in den Corona-Jahren allgegenwärtig. Und tatsächlich wurden sie von Teilen der Bevölkerung übernommen, die im Glauben an die Wirksamkeit daraufhin gehorsam Maskenpflichten befolgten und all jene Menschen an den Pranger stellten, die es wagten, ohne Maulkorb vor die Tür zu gehen. Doch worauf beruht der Mythos zur Wirksamkeit von Masken zur Vermeidung von Krankheiten? Dem geht die GGI-Initiative in einer aktuellen Aussendung auf den Grund.

Mechanistische Evidenz – überschätzte Rolle bei Krankheiten und Erregern

Presseaussendung der GGI-Initiative am 30.11.2023

Der Mythos um die Wirksamkeit von Masken hält sich hartnäckig. Die GGI-Initiative diskutiert dazu die Rolle der mechanistischen Evidenz. Zunächst unterscheidet man zwischen Verletzung und Krankheit. Verletzungen resultieren aus Energieeinwirkung. Demgegenüber stehen übertragbare Krankheiten. Verletzungen zeichnen sich durch sofortige Wirkung, eine einzelne direkte Einflussgröße und begrenzte Bandbreite an Endpunkten aus. Im Gegensatz dazu ist die Diagnose von übertragbaren Krankheiten ungenauer, ihre Ursachen sind vielschichtiger. Mechanistische Evidenz spielt bei Verletzungen bzw. diesbezüglichen Schutzmaßnahmen eine nennenswerte Rolle. Bezüglich Schutz vor der Übertragung von Erregern bestehen bei physischen Barrieren aber Fallstricke. Interventionen wie Masken und Sicherheitsgurte haben jeweils unterschiedliche Anwendungen. Klinisch-experimentelle Studien gelten für die Wirksamkeit von Masken nach wie vor als Goldstandard.

Krankheit vs Verletzung

Im Zuge der Debatten rund um den Mythos der Nützlichkeit von Masken und Mund-Nasen-Schutz ist regelmäßig der Vergleich mit Sicherheitsgurten oder gar Fallschirmen aufgekommen. Doch sind dahingehende Vergleiche überhaupt sinnvoll? Die meisten Leute erfassen intuitiv den Unterschied zwischen ‘Verletzung’ und ‘Krankheit’. Nachfolgend der Versuch, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen:

Verletzungen entstehen durch Einwirkung physikalischer, chemischer, thermischer oder elektrischer Energie, aber auch Strahlenenergie. In der Global Burden of Disease (GBD) Klassifizierung machen Verletzungen die Gruppe III aus. Übertragbare Krankheiten (transmissible diseases, TDs) fallen in die Kategorie I. [1] Covid-19 zählt zu den TDs.

Verletzungen weisen drei Merkmale auf, die sie von übertragbaren Krankheiten unterscheiden.

  • Zeitverzug: Zwischen der Einwirkung einer der o. g. Energiearten und der Manifestierung des Schadens vergeht sehr wenig Zeit, Sekundenbruchteile bis höchstens wenige Stunden. Bei TDs dagegen liegen zwischen Ansteckung und Symptomen selten nur einige Stunden, meist geht es um Tage oder Wochen. Je länger der Zeitabstand, desto eher kann eine weitere – jedoch unerkannte – Exposition als eigentliche Ursache für eine Gesundheitsfolge dazukommen.
  • Einflussgröße: Bei Verletzungen spielen indirekt zwar durchaus einige Faktoren eine Rolle, z. B. Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand. Die Komposition aller indirekten Faktoren geht aber in die Körperzusammensetzung ein. Diese ist somit der einzige personenbezogene Faktor, der direkt auf die Schwere einer Verletzung Einfluss nimmt. Bei TDs dagegen beeinflussen diese und weitere Faktoren in einem nicht einschätzbaren Zusammenspiel Verlauf und Schwere der Krankheit.
  • Bandbreite an Endpunkten: Bei Verletzungen gibt es nur eine geringe Bandbreite an möglichen Endpunkten. So führt z. B. ein hinreichend schwerer Schlag auf Gliedmaßen zu einem blauen Fleck, Bluterguss oder auch Knochenbruch. Die Energieeinwirkung hat unmittelbar meist lokale Folgen. Wie schwer die Verletzung ausfällt, hängt nur von der Körperzusammensetzung und der Energieintensität ab. Bei zwei ähnlich zusammengesetzten Personen ist bei gleicher Energieeinwirkung näherungsweise gleicher Schaden absehbar. Bei TDs können hingegen zwischen schwerer Krankheit (bis hin zum Tod) und Symptomfreiheit viele organspezifische und systemische Endpunkte auftreten, und zwar in ganz unterschiedlichem Ausmaß auch bei scheinbar vergleichbaren Personen.

Die Rolle mechanistischer Evidenz

Der geringe Zeitverzug, die einzelne direkte Einflussgröße und die Abhängigkeit des Endpunkts von der Intensität der Einwirkung erleichtern die Erkenntnis eines ursächlichen Zusammenhangs ganz beträchtlich. Für falsche Diagnosen gibt es entsprechend geringen Spielraum. Beim Testen von Schutzausrüstung sind durch die vergleichsweise einfach feststellbare Kausalität hohe Effektstärken zu erwarten. Das plakative Extrembeispiel ist der Fallschirm. Ein Fall aus großer Höhe führt ohne Fallschirm unweigerlich zu schweren Verletzungen oder zum Tod. Funktioniert der Fallschirm, bleibt der Anwender unversehrt oder wird nur leicht verletzt.

Die sogenannte ‘mechanistische Evidenz’ spielt bei Verletzungen durchaus eine nennenswerte Rolle. Daher werden etwa Gurte oder sonstige Sicherheitsvorrichtungen in Fahrzeugen an Crashtest-Dummies oder ähnlichen proxies (Stellvertretern) getestet.

Übertragbare Krankheiten haben die oben genannten Merkmale nicht. Ob eine Intervention ursächlich gegen die Krankheit wirkt, ist ungleich schwieriger festzustellen. Falsche oder unzureichende Diagnosen passieren vergleichsweise oft. Hier mechanistischer Evidenz (etwa Masken) dieselbe Bedeutung einzuräumen wie bei Verletzungen ist nicht angemessen. Der prinzipielle Unterschied zwischen Verletzung und Krankheit – unabhängig davon, ob man den drei oben argumentierten Eigenschaften zustimmt – muss anerkannt werden.

Fallstricke auch bei Erregern von Krankheiten

An den obigen Ausführungen ändert sich nichts prinzipiell, wenn man nicht auf TDs, sondern auf deren Erreger abstellt. Denn die Annahme, dass beliebig beschaffene physikalische Barrieren unweigerlich alle Arten von Erregern abhalten, ist ein Trugschluss.

Falls ein Erreger keine Symptome hervorruft, entfällt in aller Regel der Anlass zum Nachweis – zumindest war das bis 2020 der Fall. Allein das führt eine Unterscheidung zwischen Anwendung und Unterlassen einer Intervention ad absurdum. Molekularbiologische Nachweise sind dazu oft fehlerbehaftet. Sampling bias spielt ggf. noch eine Rolle, d. h. wenn durch Anwendung einer Intervention mit zweifelhafter Wirkung (z. B. Masken) der Anlass zum Nachweis überhaupt entfällt, so wird eine Wirkung fälschlicherweise zugeschrieben.

Zu beachten ist, ob eine physikalische Barriere einen Erreger auffangen soll, ohne das Transportmedium zu beeinflussen, oder ob das ganze Medium an der Bewegung gehindert wird. So liegt die Wirkung von z. B. Präservativen darin, dass die Flüssigkeit, in der sich Erreger aufhalten können, komplett aufgefangen wird. Bei Lücken oder schlechter Passung wird von der Anwendung bekanntermaßen abgeraten. Masken dagegen halten die Luft, über die Atemwegsviren übertragen werden, nicht auf. Zudem werden sie meist nicht adäquat getragen und liegen nicht dicht an. Dadurch wird der Luftstrom nur umgelenkt, von einer zuverlässigen Filterwirkung kann hier keine Rede sein.

Darüber hinaus hängt die Übertragung von Erregern – besonders Atemwegsviren – neben einer physikalischen Barriere von weiteren äußeren (Luftfeuchtigkeit, UV-Licht, etc.) und körperinneren Umständen (Clearing an Schleimhäuten, etc.) ab. Zuletzt ist mittlerweile nahezu gesichert, dass im Fall von Atemwegsviren der sog. Saisonale Trigger zutrifft. Es ist also nicht die Rede von Ansteckung – Inkubation – Symptome, sondern Symptome bzw. Krankheit treten durch Änderung der äußeren Umstände ein. Der Erreger war bereits eine unbekannt lange Zeit anwesend.

Schlussfolgerung

Physikalische Interventionen wie Masken und Gurte haben jeweils grundverschiedene Anwendungsbereiche. Gurte sollen vor Verletzung schützen, Masken vor Krankheit bzw. der Übertragung von Atemwegsviren. Daher können beide Interventionen nicht gleichgesetzt werden. Mechanistische Evidenz spielt bei Krankheiten selbst nur eine geringe Rolle, gleiches gilt für manche Erreger (z. B. Sars-Cov-2). Der Goldstandard für eine allfällige Wirkung von Masken ist folglich die klinisch-experimentelle Studie (randomized-controlled trial, RCT).

Die GGI-Initiative stellt diese Ausarbeitung zur Diskussion. Wir sind gespannt, ob sich auf der Ebene eines sachlichen Diskurses deren Korrektheit ergibt, oder ob wir etwas übersehen haben oder unsererseits Trugschlüsse gezogen haben.

Quellenangaben

[1] Norton R, Kobusingye O. Injuries. N Engl J Med 368, pp 1723-1730, 2013. DOI: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMra1109343

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