Es sollte ein Befreiungsschlag sein, die Spritze für die Freiheit nach monatelanger Leidensphase durch sozialen und politischen Druck: Doch der 21-jährige Adrian S. aus einer Kleinstadt bei Berlin, der viele Freunde verlor, weil er ungeimpft war, leidet nach der Behandlung mit dem Vakzin von Johnson & Johnson sehr viel mehr als je zuvor. Unser Redakteur Max Bergmann hat sich in Bernau bei Berlin mit Adrian getroffen.
Von Max Bergmann
Für Adrian S. (Name von der Redaktion geändert) war vergangene Woche ein Punkt erreicht, an dem er sich dem Zwang ergeben musste, wie er mir im Gespräch erklärt. Im Telefongespräch vorab sagte Adrian, wir müssten uns „etwas weiter außerhalb treffen“. Zu groß die Angst, in seiner Heimatstadt erkannt zu werden, zu groß auch die Angst, jemand könnte ihn anhand seines richtigen Namens identifizieren. Ja, er wirkt, der soziale Druck. Adrian schrieb mir zuerst eine E-Mail, ihm fiel auf, dass ich viel aus und über Berlin berichte – seine Heimatregion. Und so treffe ich Adrian am Montag in einer mit der S-Bahn erreichbaren Kleinstadt bei Berlin, etwa 30km von seinem eigentlichen Wohnort entfernt, auch eine Kleinstadt im Landkreis Barnim. Wir begrüßen uns ganz selbstverständlich mit einem Handschlag, so wie das mal üblich war – aber man merkt, Adrian wirkt kraftlos.
Die saisonale Grippe-Impfung war für Adrian immer selbstverständlich
Adrian arbeitet jeden Tag mit vielen Menschen, wie er mir gleich zu Beginn des Gesprächs erklärt. Die Grippe-Impfung habe er sich deshalb auch immer geben lassen, sagt er. „Warum auch nicht, kennt man ja seit Jahrzehnten, Nebenwirkungen hatte ich da auch nie. Was man hat, hat man, dachte ich mir. Nehm ich halt mit“, sagt er. Er wirkt fast traurig als er das sagt, kraftlos und gebrochen. Auf meine Frage nach seinem Beruf erklärt er mir, er sehe jeden Tag hunderte, manchmal tausende Menschen und kommt mit ihnen in Kontakt. Er nennt den Namen seines Arbeitgebers: ein großer Name, den in der Umgebung jeder kennt. Er bittet mich, ihn nicht zu erwähnen.
Impfdruck auf junge Menschen steigt – trotz nicht vorhandener Gefährdung durch Virus
Der junge Mann ist 21 Jahre alt, 22 wird er „zwischen den Jahren“, erzählt er mir. In seiner Altersgruppe der 20- bis 29-jährigen Männer starben den Zahlen des Robert-Koch-Instituts nach mit Stand 16. November 2021 genau 68 Männer – und der Vollständigkeit halber 37 Frauen. Man könnte also annehmen, Adrian sei nicht gerade groß gefährdet, an SARS-CoV2 zu sterben. Warum er sich den Impfstoff nicht ebenso wie den Grippe-Impfstoff schon viel früher geben hat lassen, will ich wissen – die Argumentation wäre ja dieselbe, „Was man hat, hat man“. Wir sitzen im Goethe-Park, nur wenige Fußminuten des Bernauer Bahnhofs entfernt. Es ist kalt, stark bewölkt, leicht regnerisch. Aber in ein warmes, trockenes Café setzen dürfen wir uns nicht: Wir gelten beide als ungeimpft, und Adrians Freiheitsspritze ist ohnehin noch nicht wirksam genug. Auf dem Weg zum Park versorgten wir uns mit zwei großen Latte Macchiato to go.
„Schwurbler“ werden aus dem Freundeskreis aussortiert
„Ich hatte sogar einen Termin ausgemacht, als einer der ersten. Die hatten damals über die Krankenkassen Diagnosen ausgewertet und die Leute angeschrieben, ich bin zwar nicht in dem Sinne vorerkrankt, aber eine Verdachtsdiagnose des Hausarztes, die sich nie bestätigt hatte, reichte für die Berechtigung zur Impfung aus.“ Adrian kramt in seinem Rucksack, während er das erzählt. Er zeigt mir die Einladung, sie trägt ein Datum im 1. Quartals des Jahres. Aber er hatte es – bis jetzt – nicht getan. Warum, frage ich ihn. Ich hatte eine kurze, trotzige Antwort erwartet, aber Adrian verliert sich im Redefluss.
Impfung und OP-Maske als Statussymbol in sozialen Medien
„Auf meinen Termin sollte ich damals fast 6 Wochen warten. Eigentlich nicht lang, andere mussten länger warten. Aber diese 6 Wochen haben gereicht um die Entwicklung in meinem Umfeld zu beobachten. Plötzlich fragten sich gegenseitig alle, ob sie denn schon geimpft sind, oder wenigstens einen Termin haben. Einer zeigte mir damals stolz sein Profil auf einer Dating-Plattform. Er hat „Impfung 1/2“ im Text geschrieben. Ganz oben, dass es auch niemand übersieht. Auf dem Profilfoto hatte er eine OP-Maske an, ich hab das nicht weiter kommentiert. Ein paar wenige Freunde sagten, sie hätten wohl nicht vor, sich impfen zu lassen. Die Mehrheit unter uns war schockiert. Anfangs versuchten sie einfach nur zu überreden, aber daraus wurde schnell Druck. Sie haben sich dann doch alle impfen lassen. Schwurbler sind das, die sich nicht impfen lassen, und Impfgegner, haben die immer gesagt. Lustig, das Wort Schwurbler nutzte vor Corona niemand. Heute ist alles und jeder Schwurbler, der noch ein bisschen nachdenkt“, Adrian lächelt während er das sagt, in seinen Augen erkannte man trotzdem tiefe Trauer und Resignation.
Wegen Impfstatus ausgrenzt: Wenn Freunde zu Feinden werden
War das Verhalten seines Umfelds ausschlaggebend für seine „Impfverweigerung“, frage ich ihn, und ich benutze dieses Wort ganz bewusst. Ich bin gespannt auf seine Reaktion. „Ich verweigere nichts. Habe ich nie getan“, sagt er. Man merkt in seiner Stimme, dass ihn das Wort trifft. „Ich habe einfach für mich selbst entschieden. Wer garantiert mir denn, dass diese künstlich erzeugten Spike-Proteine in meinem Körper keinen Schaden anrichten? Wo sind die Langzeitstudien, die die Unbedenklichkeit belegen? In den Medien lese ich immer nur Sachen wie …“, Adrian überlegt kurz. „Hochwirksam. Nebenwirkungsfrei. Äußerst seltene Nebenwirkung“. Er fragte sich recht früh, ob das objektive Berichterstattung ist oder einfach nur die Mitarbeit der Medien, möglichst viele Menschen zum Impfen zu drängen.
„Ja, das Umfeld war am Ende ausschlaggebend, mich nicht impfen zu lassen. Ich soll plötzlich weniger wert oder gar gefährlich sein, weil ich einen gar nicht ausreichend geprüften Impfstoff nicht erhalten will, nur weil die Mehrheit es tut und ich aber noch abwarten will? Und mich dann dazu von Freunden drängen lassen? Nein, dazu war ich zu stolz. Das wollte ich nicht! Ich habe mich viele Monate selbst zurückgezogen und Kontakte vermieden. Mit solchen Menschen wollte ich nichts zu tun haben“, und er meinte damit die Freunde, die ihn oder andere wegen des Impfstatus ausgrenzten.
Ausgewogener Medienkonsum statt einseitiger Berichterstattung
Adrian wirkt gut informiert, wenn er spricht, und er spricht klar und deutlich. Er weiß offenbar, wovon er spricht. Ich möchte wissen, wo er sich informiert. „Ich halte nichts von einseitiger Berichterstattung. Viele Medien beleuchten nur die eine Seite. Ich möchte hier jetzt auch niemanden an den Pranger stellen, und niemanden besonders hervorheben. Aber für mich war relativ schnell klar, ich brauche eine Mischung in meinem Medienkonsum. Anfang des Jahres habe ich angefangen, mich mit freien Medien zu beschäftigen. Ich lese mehrere davon regelmäßig und habe mir angewöhnt, das mit den Berichten in den öffentlich-rechtlichen Medien zu vergleichen. Die Unterschiede fallen auf. Es wirkt fast ein bisschen so als würden die etablierten Medien vieles einfach weglassen“. Das Wort „etabliert“ erregt meine Aufmerksamkeit. In so manchem politischen Spektrum wird von „etablierten Parteien“ gesprochen, in Abgrenzung zur eigenen Partei. Ich frage Adrian, ob er sich politisch engagiert. „Nein. Sicher nicht. Für mich sind das am Ende alles Verbrecher. Ich sehe mich von keiner Partei in Deutschland vertreten“, sagt er mit überzeugter Stimme.
Impfung aus politischen Gründen – Medizinische Gründe spielen keine Rolle mehr
Ich frage Adrian, warum er sich nun anders entschieden hat, warum er sich nun doch impfen hat lassen. Und, wie es ihm damit geht – physisch und psychisch. Adrian schluchzt. Er braucht einen Moment, sich zu sammeln. Dabei holt er seinen gelben Impfpass hervor, er hatte ihn in seiner Hosentasche. Er gibt ihn mir wortlos, sieht dabei auf den Boden. Es fällt auf, er fühlt sich damit unwohl. Ob ich reinschauen darf, frage ich. Er nickt nur. Adrians Impfpass ist gut gefüllt, ein „Impfverweigerer“ ist er ganz offensichtlich nicht. Auch zahlreiche Grippe-Impfungen sind eingetragen, und nun: „COVID-19 Vaccine Janssen“ am 8. November. Mein erster Gedanke: Warum Johnson & Johnson? Das frage ich Adrian. „Aus politischen Gründen, ganz klar. Montag letzte Woche wurde ja bekannt, Ungeimpfte dürfen an sich gar nichts mehr. Auf Arbeit müsste ich jeden Tag einen neuen negativen Test machen, das ist doch die totale Schikane. In Berlin gilt fast überall 2G, hier in Brandenburg kommt das ja auch. Der ausschlaggebende Grund war einfach, ich wollte mein Leben vereinfachen. Als Ungeimpfter hätte ich spätestens jetzt überhaupt gar nicht mehr normal leben können, hätte tagein tagaus nur Umstände gehabt. Es ging einfach nicht mehr. Johnson & Johnson muss man nur einmal bekommen, nach 14 Tagen bin ich frei. Bei allem anderen hätte es noch Ewigkeiten gedauert“, sagt er. Für einen Moment lang bleibe ich stumm. Auch ich muss das erstmal verdauen.
Formulare wirken wie eine Abtretungserklärung bei Impfschäden
Am Telefon erzählte Adrian von unglaublichen Aussagen und Vorfällen im Zusammenhang mit seiner Impfung. Ich hake nach, was er damit meinte. „Als das am Montag durch die Medien ging habe ich in einer Kurzschlussreaktion beschlossen, das jetzt zu machen. Entweder verrecke ich an Einsamkeit oder am Impfstoff, in dem Moment war es mir dann egal. In Berlin gibt es Impfpraxen, die das ohne Termin machen. Man wählt vorher online aus, welchen Impfstoff man erhalten möchte, bekommt einen QR-Code per E-Mail und geht dann hin. Eine solche Impfpraxis ist im Südwesten, in einem großen Einkaufszentrum. Ich bin da also hingefahren, habe mich angestellt. Dabei die zahlreichen Formulare gelesen und unterschrieben. Ich habe mich dabei fast so gefühlt als würde ich jegliche Ansprüche bei Impfschäden abtreten, ich musste noch niemals so viel Zeug bei einer Impfung unterschreiben. Eigentlich musste ich nie irgendwas unterschreiben“, Adrian rollt mit seinen Augen.
Keinerlei Aufklärung, keinerlei Sorgfalt im Umgang mit frisch Geimpften
„Ich musste etwa eine Stunde warten, kam dann dran. Und habe ein ausführliches Aufklärungsgespräch erwartet. Ich habe mich ja nur aus politischen Gründen für Johnson entschieden, der wird ja laut STIKO für mein Alter überhaupt nicht empfohlen. Aber, das war nicht so. Die haben meine Unterlagen geprüft. Die Impfung wurde eingetragen und gestempelt, bevor die Spritze überhaupt gesetzt war. Kurz habe ich ja überlegt, abzubrechen. Der Stempel war ja nun schon drin. Dann der „Pieks“, wie alle immer sagen. Und das wars. Kein Gespräch, keine Aufklärung über Alternativen, nichts. Ich musste dann sogar noch fragen, wo ich hingehen soll, niemand sagte was, die haben einfach den nächsten aufgerufen. Man soll sich ja wohl erstmal unter Aufsicht hinsetzen, aber ich wusste nicht, wo. Ich bin also gegangen. Niemand hat mich aufgehalten.“
Kurz nach der Impfung: Zusammenbruch in der U-Bahn und Gedächtnislücken
Sicherlich ist die Schilderung in dieser Praxis nicht auf alle Impfpraxen übertragbar, aber dennoch bin ich schockiert. Keine Aufklärung, niemand kümmerte sich um die frisch geimpften Menschen, ich weiß erst einmal nicht, was ich sagen soll und lasse Adrian weitererzählen. „Ich wollte dann nach Hause. Und habe ja einen weiteren Weg bis nach Brandenburg raus, habe vor der Tür noch eine Zigarette geraucht und bin dann in die U-Bahn. Was dann passiert ist, ja, ich erinnere mich nicht. Es war etwa 30 Minuten nach der Impfung. Wie ich in die U-Bahn kam, keine Ahnung, ich erinnere mich einfach nicht. Ich bin wohl einfach eingestiegen, muss ja so sein. Das nächste, an das ich mich erinnere: Meine Brille und mein Handy liegen auf dem Boden. Es war alles schwarz um mich herum. Ich erinnere mich an eine Art lauten Gong in meinem Kopf. Vielleicht der Schlag auf den Boden? Ich weiß es nicht. Kurz nach diesem Gong kam dann alles sehr verschwommen, Brille und Handy am Boden konnte ich erkennen. Die eigentlich lauten Geräusche der U-Bahn habe ich gar nicht wahrgenommen. Es war voll, viele Fahrgäste die miteinander sprechen, aber für mich war es einfach komplett still. Es fühlte sich ein bisschen an als würde mein Körper gerade wieder hochfahren, nachdem er komplett abgestürzt ist. Mir war schwindelig, ich wusste nicht, wo ich bin. Andere Fahrgäste haben mir hoch geholfen, ich habe erstmal was getrunken. So langsam kamen dann auch die Geräusche um mich herum dann wieder zurück. Am nächsten Bahnhof bin ich ausgestiegen, erstmal frische Luft, dachte ich mir.“
Apothekerin beschwichtigt: Leerer Magen sei vermutlich schuld an Zusammenbruch
Adrian erzählt mir, er wusste in dem Moment auch nicht, was er tun sollte. Notarzt rufen? Er war mit der Situation einfach überfordert, verständlich, wenn man gerade faktisch per Zwang geimpft wurde und eigentlich nur nach Hause will. „Ich habe eine Apotheke gesehen, und dachte mir, ich frage da mal nach. Völlig durchgeschwitzt kam ich da rein und habe erzählt, was passiert ist. Die Reaktion der Apothekerin war dann für mich der nächste Schock an diesem Tag. Sie erklärte mir, ich habe einfach zu wenig gegessen, da kann das schon mal passieren, dass man das Bewusstsein verliert. Ich hatte ihr ausdrücklich erklärt, dass ich gerade geimpft wurde. Und ich hatte übrigens wie immer gut gefrühstückt an dem Tag. Ich war so sprachlos.“ Und auch mich machen Adrians Erzählungen gerade sprachlos. Ich lasse ihn erzählen, ich weiß ohnehin nicht, was ich sagen soll.
Trotz massiver Nebenwirkungen: Auch Hausarzt sieht keinen Handlungsbedarf
„Ich hatte keinerlei Kraft mehr. Mit den Öffentlichen noch nach Hause? Das kam nicht in Frage. Ich habe mir ein Taxi gerufen. Schweineteuer war das, aber ging gefühlt nicht anders. Krank gemeldet habe ich mich auch sofort, ich war absolut nicht arbeitsfähig“. Ob er jetzt zwischenzeitlich wieder arbeitet, wollte ich wissen. „Nein. Es geht zwar etwas besser, aber ich bin völlig kraftlos, als ob die Spritze mir jegliche Lebenskraft genommen hätte.“ Ich denke mir, vermutlich waren das nicht die einzigen Nebenwirkungen, die auftraten. Man merkt, Adrian nimmt das Gespräch mit. Und trotzdem frage ich ihn, wie er sich in den Tagen nach der Impfung fühlte.
„Am ersten Tag ganz schrecklich. Ich lebe alleine. Familie weit weg, ich hatte mich eh sehr zurückgezogen. Ich hatte schreckliche Angst. Angst, ich könnte nochmal wegklappen, und niemand würde es bemerken. Auf Arbeit fehle ich ja entschuldigt, niemand würde wissen, dass ich vielleicht in meiner Wohnung liege und Hilfe brauche. Ich habe einer Nachbarin meinen Schlüssel gegeben und sie gebeten, ab und an nach mir zu schauen. Ich habe gefroren und gezittert am ganzen Körper, und das obwohl ich warm angezogen und zuhause dann zwei dicke Decken über mir hatte. Mein Kopf fühlte sich an als ob jemand mit einem Hammer drauf einschlägt. Ins Bad laufen, auf Toilette gehen? Fast unmöglich, mir war so schwindelig, ich wollte es nicht riskieren. Mein Hausarzt war telefonisch erreichbar, die Sprechstundenhilfe sagte aber nur: Hinlegen, viel trinken, und beobachten. Man könne da nicht mehr tun. Tolle Hilfe, wirklich.“ Adrian wirkte zornig, als er das sagte. Er hätte das alles nicht erleben müssen, wenn er nicht durch Gesellschaft und Politik dazu gedrängt worden wäre. „Ich war gesund, kerngesund. Und bin durch diese Impfung krank geworden, das kann man sich nicht ausdenken. Und ich bin sicher nicht der Einzige.“
„Niemand hat meine Ängste ernst genommen“
In den Tagen nach der Impfung entwickelten sich weitere Symptome, erklärt er mir. So haben am 3. Tag seine Beine angefangen, regelmäßig einzuschlafen, das linke mehr als das rechte Bein. „Ich konnte fast nicht mehr laufen, hatte vor allem im linken Bein ein extremes Stechen und Ziehen, bis zu den Füßen runter war alles wie eingeschlafen“, schildert er. Der erneute Anruf beim Hausarzt half ihm aber auch nicht. Das sei normal, und nicht bedenklich. „Ich konnte es nicht glauben, aber, niemand hat meine Ängste ernst genommen, niemand wollte mir helfen.“ Nachdem sich diese Beschwerden zwar über das Wochenende hinweg besserten, aber immer noch nicht verschwunden waren, war Adrian am Montag vor unserem Gespräch beim Hausarzt. Wegen dem Krankenschein für die Arbeit, wie er erklärt. „Ich bin weiterhin nicht arbeitsfähig“. Aber auch, um die D-Dimere im Blut bestimmen zu lassen.
Hausarzt diagnostiziert psychosomatische Beschwerden – kein Zusammenhang mit der Impfung
Die teils extremen Kopfschmerzen aber auch das Stechen und Ziehen in den Beinen könnten ja auch auf die Entwicklung einer Thrombose hindeuten. „Eine „sehr, sehr seltene Nebenwirkung“, wie die Medien gerne betonen. Ist das wirklich so selten, wie die immer behaupten?“ Adrian versucht zu lächeln, als er das fragt. Es gelingt ihm nicht. Der Hausarzt rollte mit den Augen, als Adrian erklärte, er habe das aus politischen Gründen gemacht, erzählt er. D-Dimere bestimmen wollte er auch nur auf ausdrücklichen Wunsch Adrians. Ob das nicht alles nur psychosomatische Beschwerden sind, soll der Hausarzt ihn gefragt haben.
Die Gesellschaft wird immer böswilliger, Adrian fühlt sich kraftlos und alleingelassen
Die Ergebnisse der Blutuntersuchung sollen binnen 24 Stunden vorliegen, er verspricht, mich auf dem Laufenden zu halten. Wie er sich jetzt insgesamt fühlt frage ich ihn. „Kraftlos. Gebrochen. Ich habe das nicht getan, um zur Mehrheit zu gehören. Ich habe es getan, weil diese ganzen Regeln mich belasten. Jeden Tag aufs Neue denke ich mir, ich kann nicht mehr, es wird immer schlimmer, ich halte das nicht mehr aus. Ich habe mir erhofft, mir damit Ruhe zu spritzen. Dass ich mir nicht mehr so viele Gedanken machen muss, was die alles beschließen.“ Ob er sich „eingeknickt“ fühlt frage ich Adrian. „Ein bisschen. Ich hätte standhaft bleiben können. Aber aus einem Impuls heraus dachte ich, es ist doch eh egal, ich mach es einfach. Vielleicht wird es dann ja besser.“ Es wirkt nicht so, als ob es besser wurde. Dennoch frage ich Adrian, ob er Hoffnung hat, dass sich seine Situation nun bessert. „Hoffnung? Nein, die ist lange weg. Schau dich um, es wird doch alles nur schlimmer. Ob geimpft oder ungeimpft, die Menschen sind doch alle böswillig. Hoffnung habe ich keine mehr.“
Auch eine Woche danach: Beschwerden halten an
Zum Abschluss unseres Gesprächs frage ich Adrian, welche Symptome er jetzt in diesem Moment spürt. „Angst. Die ist das schlimmste gerade. Angst vor dem, was noch kommt. Mein linkes Bein schläft immer noch regelmäßig ein. Die Kopfschmerzen treten auch eine Woche nach der Impfung noch sporadisch auf, auch wenn es besser wurde. Und ich habe keine Kraft. Gar keine Kraft. Jeder Schritt, den ich laufe, ist für mich im Moment eine Herausforderung.“
Es ist fast eine Frage, die ich mich nicht zu stellen traue, aber ich wage es. Ob er diesen Schritt anderen jungen Menschen empfehlen würde, frage ich. „Nein. Auf gar keinen Fall. Die letzten Tage waren für mich die absolute Hölle, was noch kommt weiß ich nicht. Ja, ein Versuch war es wert. Ändern kann ich es auch nicht mehr. Aber niemals würde ich das jemandem empfehlen. Niemals!“ Adrian begleitet mich zurück zum S-Bahnhof. Er muss dann einen Bus nehmen, am Busbahnhof. Der Abschied ist deutlich weniger förmlich als die Begrüßung. Wir drücken uns. Und ich merke: das hat er gebraucht.