Türkische Nationalisten protestieren gegen den Aufenthalt von US-Militärs und dem US-Kriegsschiff USS Wasp in der Hafenstadt Izmir. Die Islamisten fordern den Abzug der US-Soldaten. Damit wächst auch der innenpolitische Druck auf Erdogan, der einerseits Israel scharf attackiert, andererseits das Bündnis mit dem Westen nicht aufgeben will.
In der türkischen Hafenstadt Izmir spitzt sich die Lage zu, nachdem am Montag, den 2. September 2024, zwei US-Marines von einer Gruppe türkischer Nationalisten tätlich angegriffen wurden. Der Vorfall ereignete sich, während das US-Marineschiff USS Wasp im Hafen von Izmir vor Anker lag. Laut Berichten wurden die beiden amerikanischen Soldaten, die in Zivilkleidung unterwegs waren, von einer Gruppe von etwa 15 Personen attackiert. Bei den Angreifern handelte es sich um Mitglieder der türkischen Jugendunion (TGB), der Jugendorganisation der nationalistischen Vatan-Partei.
Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen zeigen, wie die Angreifer „Yankee, go home!“ (Yankee, geh nach Hause!) riefen und versuchten, den US-Soldaten Säcke über den Kopf zu stülpen. Diese Geste ist eine Anspielung auf einen Vorfall aus dem Irakkrieg 2003, bei dem US-Streitkräfte türkische Soldaten mit verhüllten Köpfen festhielten. Die TGB erklärte nach dem Vorfall, dass die Soldaten angegriffen wurden, weil sie „Blut an ihren Händen“ hätten. „US-Soldaten, die das Blut unserer Soldaten und Tausender Palästinenser an ihren Händen tragen, können unser Land nicht beschmutzen. Jedes Mal, wenn ihr einen Fuß auf diesen Boden setzt, werden wir euch so empfangen, wie ihr es verdient“, so die Erklärung der TGB.
Als Reaktion auf den Angriff eilten fünf weitere US-Soldaten zu Hilfe, trotz der aufgebrachten Menge. Die US-Botschaft in der Türkei bestätigte den Vorfall und erklärte, dass die betroffenen Soldaten nun in Sicherheit seien. Sie wurden in ein örtliches Krankenhaus gebracht, blieben aber unverletzt. Die türkischen Behörden nahmen zunächst 15 Verdächtige fest. Am folgenden Tag entschied ein türkisches Gericht, 10 der Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen. Die Anklage lautet auf „Freiheitsberaubung von mehr als einer Person“.
Der Vorfall hat zu anhaltenden Protesten in Izmir geführt. Demonstranten haben sich am Hafen versammelt und fordern den sofortigen Abzug der USS Wasp. Sie schwenken palästinensische Flaggen und tragen Banner mit Aufschriften wie „Unsere Häfen können keine Versorgungs- und Logistikpunkte für Mörder sein“ und „Wir wollen kein US-Schiff, das Krieg und Tod nach Palästina bringt, in Izmir“. Die Demonstranten haben angekündigt, so lange am Hafen zu bleiben, bis die USS Wasp abfährt. Sie werfen den USA vor, für Leid und Gewalt im Irak, in Syrien und in der gesamten westasiatischen Region verantwortlich zu sein. Die USS Wasp, ein amphibisches Angriffsschiff mit etwa 1.500 Soldaten an Bord, war erst kürzlich in Izmir eingetroffen. Das Schiff ist Teil der US-Bemühungen, potenzielle Bedrohungen für Israel im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg abzuschrecken.
Dieser Vorfall unterstreicht die wachsenden anti-amerikanischen und anti-israelischen Sentiments in der Türkei seit Beginn des Gaza-Krieges vor zehn Monaten. Er stellt eine ernsthafte Belastung für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den USA und der Türkei dar. Für die türkischen Nationalisten gilt das religiöse Band mit den ebenfalls moslemischen Palästinensern mehr als das politische Band (über die NATO) mit dem Westen. Präsident Erdogan steckt damit in der Zwickmühle. Einerseits will er sein Land nicht aus der NATO herausführen, andererseits auch nicht die westliche Unterstützung für Israel mittragen. Vom islamistischen Volkszorn ganz zu schweigen, den der „Sultan vom Bosporus“ mit seinen verbalen Attacken auf Israel auch mit schürt.
Für den Westen stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit die Türkei überhaupt noch ein verlässlicher Partner ist. Insbesondere seit der Führungsübernahme durch Recep Tayyip Erdogan und dessen Islamistenpartei, welche die von Kemal Atatürk eingeleitete Säkularisierung schrittweise rückgängig macht. Der Kauf russischer Luftabwehrsysteme (S-400) und der Antrag zum BRICS-Beitritt unterstreichen dabei, wie sehr das westasiatische Land zwischen den beiden Welten wandelt.