Am Morgen des 19. Oktober 2023, es war ein Donnerstag, ging Christian Pilnacek in Begleitung von Karin Wurm zur Hausbank in Krems. Was dort ausverhandelt wurde, worum es beim Banktermin ging, wurde nicht untersucht. Laut Karin Wurm hatte er für diesen Tag Treffen mit Kurz und Co. ausgemacht. Er fuhr nach Wien zum Empfang der Ungarischen Botschaft um 11 Uhr 45. Beim Buffet bittet er FPÖ-Generalsekretär Hafenecker um einen baldigen Termin bei Herbert Kickl.
Von Franziska Gabriel
Zwei hochrangige Damen der ÖVP beobachten das Gespräch in der Botschaft. Wie viel sie davon erlauscht haben, weiß man nicht. Um 16 Uhr schreibt Pilnacek eine SMS an Karin Wurm. Diese ging dann nicht mehr davon aus, dass er an diesem Abend noch nach Rossatz kommt, weil er am Tag danach wichtige Termine in Wien hatte. Um 17 Uhr ist er im Gastgarten des Restaurants Verde, dann in Pacos Tapabar. Von dort ging es in die Campari-Bar in der Seitzergasse, wo er ein Gespräch mit Rechtsanwalt Elmar Kresbach führte, der sich zu ihm an den Tisch setzte. Er kam auch ins Gespräch mit Oliver Pink, einem Journalisten. Sie alle bestätigen, dass Pilnacek guter Laune war.
Treffen mit der Tochter von Caroline List im Esterhazy
Gegen 19 Uhr ging Pilnacek ins Restaurant Regina Margherita im Palais Esterhazy, wo er sich mit einer Tochter seiner Noch-Ehefrau Caroline List trifft, mit ihr zu Abend isst und sich um 20:30 Uhr verabschiedet.
Worüber die beiden gesprochen haben, weiß niemand. Und gerade das wird für den Untersuchungs-Ausschuss interessant werden! Denn nach diesem Treffen ist Pilnacek völlig von der Rolle. Pilnacek hatte sonst keinen Kontakt zu den Kindern aus Caroline Lists erster Ehe und das Treffen verwundert. Nach dem Gespräch muss ihn irgendetwas zur Autofahrt auf die S5 bewogen haben. Ein Rätsel, da Pilnacek sonst nie alkoholisiert und wegen seines Augenleidens schon gar nicht nachts gerne mit dem Auto fuhr. Es muss wichtig für ihn gewesen sein, so spät noch aufzubrechen. In einer SMS gibt ihm Wolfgang Rauball noch bekannt, dass seine Maschine aus Berlin erst um 21:20 in Wien landen würde und es zu spät wäre für ein Treffen im Cavalluccio. Er verweist auf den nächsten Tag, den 20. Oktober, wo die Finanzierung des Hauses in Rossatz besprochen werden sollte.
Die ominöse Geisterfahrt
Pilnacek fährt wahrscheinlich dann mit der U3 in seine Wohnung in der Ottakringerstraße, duscht sich und zieht sich um. Um ca. 21:10 Uhr setzt er sich in sein Auto in der Garage des Museumsquartiers und fährt zuerst auf die Donauuferautobahn A22, dann in Stockerau auf die Schnellstraße S5. Bei Straßenkilometer 19, Abfahrt Königsbrunn/Frauendorf in der Au ist er eine Stunde später. Für die, die die Strecke kennen: eine sehr lange Fahrzeit. Vielleicht erhält er einen Anruf im Auto, dass der geplante Termin geplatzt ist, und dreht um? Oder die ganze Geisterfahrt stimmt so nicht, wie behauptet!
Denn: In Freundorf in der Au bei Königsbrunn die falsche Fahrbahn Richtung Stockerau zu nehmen, ist schon eine fahrtechnische Meisterleistung, wenn man komplett nüchtern ist. Pilnacek müsste eine unglaubliche Spitzkehre gefahren sein. Für jeden, der die Auffahrt kennt, fast ein Ding der Unmöglichkeit. Könnte er vielleicht in Tulln abgefahren und später falsch aufgefahren sein?
Dort ist das möglich, denn es gibt kein Einfahr-Verbotsschild. Um 22:14 Uhr meldet der erste Autofahrer einen Geisterfahrer bei der Autobahnpolizei, 12 weitere Meldungen folgen. Dass gleich 13 Autofahrer innerhalb von 7 Minuten bei der Autobahnpolizei um diese Uhrzeit anrufen? Ist das wirklich glaubwürdig? Pilnacek soll dann 9 Minuten auf der falschen Fahrbahn Richtung Stockerau unterwegs gewesen sein. Um 22:23 Uhr stoppt ihn die Polizei und leitet ihn bei der Abfahrt Tulln zum Park & Ride, wo ihm der Führerschein nach einem Alkotest abgenommen wird. Der Polizist schreibt ins Protokoll: leichter Alkoholgeruch, Gang sicher. „Blunznfett“ war er also nicht! An der „Geisterfahrt“ stimmt was nicht!
Pilnacek zeigt eigenartiges Verhalten
Christian Pilnacek ruft nach der Führerscheinabnahme Karin Wurm dreimal am Handy an: um 22:47 Uhr, 22:48 Uhr und 22:56 Uhr. Aber sie schläft schon. Sie hatte ein Schlafmittel genommen. Kurz danach ruft er die Mitbewohnerin Anna P. an und bittet sie, ihn abzuholen. Anna weckt Karin auf und fährt los. Am Park-and-Ride-Parkplatz in Tulln steigt er um 23:41 Uhr zu ihr ins Auto, nimmt seinen privaten Laptop mit, um den er die Polizei gebeten hatte, und schreibt SMS.
Im Haus in Rossatz angekommen, begrüßt er Karin nicht, trinkt nervös eine halbe Flasche Prosecco und raucht auf der Terrasse eine Zigarette nach der anderen, während er am Handy „wie wild“ schreibt. Er geht gegen 1 Uhr nachts nach oben, zieht sich um und verlässt mit den Worten „Ich gehe fort“ das Haus, ohne sich nach Karin Wurm umzudrehen. Das ist ein sehr eigenartiges Verhalten gegenüber seiner Geliebten. Warum ist er auf Karin böse? Mit wem schreibt er SMS? Was macht ihn so aufgewühlt? Mit wem trifft er sich in der Todesnacht und wo? Vielleicht in der „Stadlhubervilla“?
Auf Seite 168 schreibt Peter Pilz in seinem Buch:
Am 18. Oktober 2023 mailte Pilnacek seinem Freund, dem deutsch-kanadischen Industriellen Wolfgang Rauball, mit dem Betreff „Vertragsunterfertigung und Kaufanbot Rossatzbach“: „Ich habe ja gestern mit Stadlhuber telefoniert und ihm die Daten 8.11. Notar und 15.11. Übergabe bekannt gegeben.“ Zwei Tage vor seinem Tod stand Christian Pilnacek kurz davor, für Karin Wurm und sich das Haus in Rossatzbach 52 zu kaufen. Das Kaufangebot listete ein „Haupthaus mit Garage, ein kleines Gartenhäuschen für Gartengeräte sowie ein Pool (offiziell als Löschteich genehmigt)“ auf. Einen Tag zuvor hatte Pilnacek Christoph Stadlhuber und dessen Maklerin den Kaufvertragsentwurf gemailt. Für Pilnacek sollte die ZB Capital G in Schaffhausen in der Schweiz den Kaufpreis von 1,43 Millionen Euro hinterlegen. Pilnaceks Freund Wolfgang Rauball hatte sich bereit erklärt, dem Sektionschef das Haus über sein Schweizer Unternehmen vorzufinanzieren. Pilnacek teilte Stadlhuber mit: „Was die Termine betrifft, so muss ich noch die heutige Besprechung mit Herrn Rauball abwarten und mich mit seinen Vorstellungen koordinieren.“ Karin Wurm erinnerte sich an einen Besichtigungstermin, bei dem Pilnacek und sie Stadlhuber im Haus trafen. „Er hat sich persönlich um das gekümmert.“ Christoph Stadlhuber war viele Jahre René Benkos rechte Hand. In Dutzenden Gesellschaften im verschlungenen SIGNA Geflecht diente Stadlhuber seinem Herrn als Multi-Geschäftsführer. Pilnacek und Stadlhuber, erinnerte sich Karin Wurm, waren gut miteinander bekannt und per Du. Christoph und Christian waren miteinander im Geschäft. Aber woher sollte das Geld kommen, mit dem Pilnacek seinem Freund Rauball mehr als eine Million Euro zurückzahlen würde? Als suspendierter Sektionschef lag Pilnaceks Einkommen deutlich unter dem, was er gewohnt war. „Ich habe Angebote zu arbeiten, in Brüssel, Dubai und Budapest. Ich kann es mir aussuchen.“ Karin Wurm erinnerte sich an ein Treffen mit einem Orbán-Mitarbeiter in Baden, nachdem er ihr das gesagt hatte. Die Frage, woher die Million kommen sollte, ist nach wie vor offen.“
Der Industrielle Wolfgang Rauball wird später Christian Mattura ermutigen, die „Pilnacek files“ zu veröffentlichen – ein auf dem Handy aufgenommenes Gespräch im Cavalluccio, das Sobotka schwer belastet. Der Geldgeber und Financier Wolfgang Rauball stirbt Anfang des Jahres 2025 plötzlich und unerwartet. Auch das macht den Pilnacek-Krimi weiter sehr dubios und spannend.
