Widerspruch gegen elektronische Patientenakte: So schützen Sie jetzt Ihre Gesundheitsdaten!

Bild: creativeart / freepik

Mit der elektronischen Patientenakte werden Missbrauch und Diebstahl der sensibelsten Daten der Deutschen leicht wie nie zuvor. Auch an Big Pharma sollen sie hochoffiziell verteilt werden können. Kritik von Datenschützern stößt auf taube Ohren. Wer seine Gesundheitsdaten schützen will, kann der elektronischen Patientenakte widersprechen: Eine Juristin erörtert für den Verein MWGFD das verdächtige Wirrwarr des Gesetzestextes und warum man am besten frühestmöglich Widerspruch einlegen sollte. Sie stellt außerdem zwei Musterschreiben zur Verfügung, mit denen Sie jetzt schon aktiv werden können.

Aussendung des MWGFD – verfasst von der Autorin Cornelia Margot (Volljuristin); veröffentlicht am 9. März 2024 (Hervorhebungen durch R24)

Im ersten Teil wurde das e-Rezept besprochen; hier geht es nun um die elektronische Patientenakte. Dabei wird nur auf die deutsche Rechtslage Bezug genommen. Der Entwurf der Europäischen Kommission für eine „Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten“ EHDS ist nicht mit berücksichtigt. Zumal dieses Gesetzgebungsverfahren nach meiner Kenntnis auch noch nicht abgeschlossen ist.

Es wird das Vorgehen für diejenigen beschrieben, die sich dazu entschlossen haben, der ePA grundsätzlich zu widersprechen.

Die zitierten Paragraphen beziehen sich sämtlich auf die neue Fassung des SGB V nach Inkrafttreten des Digitalgesetzes. Die ePA wird ab § 342 geregelt. In dem verlinkten Gesetzestext ab Seite 20, Ziffer 44.

1. Das Wichtigste vorab zusammengefasst:

  • Die Krankenkassen müssen ihren Versicherten vor der Zurverfügungstellung der ePA ein Informationsschreiben zuschicken, in dem u.a. auch auf die Widerspruchsmöglichkeiten hingewiesen werden muss.
  • Wer nicht binnen 6 Wochen nach Erhalt des Info-Schreibens der Einrichtung der ePA widerspricht, dem wird sie zur Verfügung gestellt.
  • Diese Zurverfügungstellung erfolgt laut gesetzlicher Regelung nicht vor dem 15. Januar 2025.
  • Es ist jederzeit nachträglich möglich zu widersprechen. Die obengenannte Frist ist keine Ausschlussfrist. Dann muss aber damit gerechnet werden, dass die Akte bereits eingerichtet wurde. Man kann ihre Löschung beantragen, ist aber darauf angewiesen, darauf zu vertrauen, dass die Löschung tatsächlich umfänglich erfolgt und keine Datenspuren verbleiben. Gesetzlich vorgesehen ist das so.
  • Der Widerspruch muss nicht begründet werden. Es wird auch nicht über ihn „entschieden“ – er muss einfach nur erklärt werden.

2. Im Einzelnen:

Das Informationsschreiben ist in § 343 geregelt.

§ 343 Absatz 3 SGB V lautet wie folgt:

„Zur Unterstützung der Krankenkassen bei der Erfüllung ihrer Informationspflichten nach Absatz 1a hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Benehmen mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit spätestens acht Monate vor dem in § 342 Absatz 1 Satz 2 genannten Datum geeignetes Informationsmaterial, auch in elektronischer Form, zu erstellen und den Krankenkassen zur verbindlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen“.

Erläuterungen:

Das in „§ 342 Absatz 1 Satz 2 genannte Datum“ ist der 15. Januar 2025. Somit werden die Kassen die verbindlichen Hinweise zur Abfassung des Informationsschreibens spätestens ab Mitte Mai 2024 zur Verfügung haben. Es werden alle Versicherten vermutlich mehr oder weniger den gleichen Text erhalten. Interessant ist die Formulierung „im Benehmen“. Das ist mehr als nur eine lapidare Information, aber weniger als ein Einvernehmen. So könnten z.B. Forderungen des Datenschutzbeauftragten zur einfachen und deutlichen Gestaltung des Widerspruchsrechts zur Kenntnis genommen, aber nicht umgesetzt werden.

Der wesentliche Inhalt des Infoschreibens ist in § 343 Absatz 1a vorgegeben.

„(1a) Die Krankenkassen haben den Versicherten, bevor sie ihnen eine elektronische Patientenakte gemäß § 342 Absatz 1 Satz 2 zur Verfügung stellen, umfassendes und geeignetes Informationsmaterial über die elektronische Patientenakte in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache und barrierefrei zur Verfügung zu stellen […].“

In Ziffer 5a ist „das Recht, der Bereitstellung zu widersprechen“ genannt.

Der Widerspruch ist gegenüber der Krankenkasse zu erklären.

Exkurs: Sprachverwirrung

Im Gesetzestext fällt eine sprachliche Wirrnis auf. Die ePA wird „eingerichtet“, „bereitgestellt“, „zur Verfügung gestellt“. Da in Gesetzestexten üblicherweise kein Wert darauf gelegt wird, Wiederholungen zu vermeiden und stattdessen Synonyme zu nutzen, sondern ein Fachausdruck durchgängig verwendet wird, lässt einen das ins Grübeln kommen.

Widersprechen kann man laut § 343 der „Bereitstellung“.

Ist „Bereitstellung“ nun der Oberbegriff, zu dem erst das Einrichten und dann das zur Verfügung stellen gehört? Oder wird auf jeden Fall eingerichtet und man kann nur widersprechen, dass einem etwas bereitgestellt wird, das irgendwo in Form einer virtuellen Akte bereits existiert, das man aber gar nicht haben will?

Nach § 343 Absatz 1a Ziffer 5a kann man also der Bereitstellung widersprechen.

In § 343 Absatz 1a Ziffer 5b heißt es, dass man auch nach erfolgtem „Widerspruch gegen die Bereitstellung“ zu einem späteren Zeitpunkt die Einrichtung verlangen kann. Das spricht eher dafür, dass Bereitstellung der Oberbegriff ist.

In § 342 Absatz 1 Satz 2 heißt es aber, dass denjenigen, die gemäß § 343 der „Einrichtung“ nicht widersprochen haben, die Akte ab dem 15.1.2025 zur Verfügung gestellt wird.

Ein Widerspruch gegen die Einrichtung steht in § 343 aber explizit gar nicht drin.

Und obwohl es in § 343 heißt, dass man der „Bereitstellung“ widersprechen kann, heißt es dann in § 344 Absatz 1:

„Hat der Versicherte nach vorheriger Information gemäß § 343 der Einrichtung einer elektronischen Patientenakte gegenüber der Krankenkasse nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen widersprochen, stellt die Krankenkasse dem Versicherten eine elektronische Patientenakte bereit.“

Wieder eine Bezugnahme auf etwas, was so gar nicht vorgesehen ist. Jedenfalls ist es unklar formuliert. Hat man bei Abfassung des Gesetzestextes die unterschiedlichen Begriffe einfach nur wild durcheinandergewürfelt? Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, steht in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf vom 8.9.2023 zu § 344 folgender Satz:

„Mit der Vorschrift wird geregelt, dass Krankenkassen eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten anlegen und sodann bereitstellen, sofern der Versicherte nicht der Bereitstellung innerhalb der Frist von 6 Wochen widersprochen hat.“

Also, das, was im eigentlichen Gesetzestext als „einrichten“ bezeichnet wird, heißt in den Erläuterungen „anlegen“ und ist von der Bereitstellung, der man widersprechen kann, durch das Wort „sodann“ getrennt. Vorsichtshalber empfehle ich daher, in einem Widerspruchsschreiben der Bereitstellung, Einrichtung und Zurverfügungstellung zu widersprechen. So sind alle Möglichkeiten abgedeckt.

Jugendliche können das gemäß § 341 Absatz 1 Satz 4 „ab Vollendung des 15. Lebensjahres“ selbst machen.

Wann sollte man widersprechen?

Man könnte das obengenannte Schreiben abwarten und dann reagieren. Das Schreiben kommt evtl. nicht, geht verloren, man ist verreist, reagiert nicht rechtzeitig. Kann alles passieren. § 344, in dem steht, dass die Krankenkassen ab dem 15. Januar 2025 jedem eine ePA bereitstellen, tritt nach Artikel 9 des DigiG „Inkrafttreten“ auch tatsächlich erst am 15. Januar 2025 in Kraft. Könnte man es deshalb darauf ankommen lassen, zu warten?

Da der überwiegende Teil des Gesetzes nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft tritt – und wegen der oben aufgezeigten Begriffsverwirrung – vermag ich nicht völlig auszuschließen, dass bereits vorher, sozusagen als Vorbereitungshandlung, die Akten eingerichtet oder angelegt werden. Dann würde es auch vor dem 15.1.25 schon ein virtuelles Etwas geben.

Also ist es besser und sicherer, man widerspricht so bald wie möglich. Bevor das Gesetz aber nicht tatsächlich in Kraft getreten ist, halte ich das nicht für erforderlich.

Wie kann man den Widerspruch formulieren?

Dazu sind separat als Anlage zwei Vorschläge ausgearbeitet [Anmk: Anhang siehe Website MWGFD oder Links hier]. Einer vollständig mit kompletter Paragraphenbezeichnung, einer etwas kompakter.

Wenn man einen solchen Widerspruch eingelegt hat, bevor man überhaupt das Informationsschreiben erhalten hat, kann es natürlich sein, dass man gleichwohl zu einem späteren Zeitpunkt dieses Aufklärungsschreiben doch noch erhält. Ich empfehle, höchst vorsorglich unter Bezugnahme auf den ersten Widerspruch dann noch einmal fristgerecht zu widersprechen. Auch, wenn man bereits eine Bestätigung der Krankenkasse vorliegen hat. Somit kann man vermeiden, dass (versehentlich) der erste Widerspruch übersehen wird und ein zweiter, fristgerechter, als nicht eingegangen gilt.

Was ist, wenn man diesen Zeitpunkt verpasst hat und die Mitteilung erhält, die ePA wäre eingerichtet? Oder man bemerkt dies bei einem Arztbesuch?

Man kann noch jederzeit nach Einrichtung gemäß § 344 Absatz 3 widersprechen. Alles, was bereits gespeichert wurde, wird gelöscht. Die komplette Akte ist vollständig zu löschen. So steht es zumindest im Gesetz. Aus dem nächsten Absatz 5 geht hervor, dass das auch umgekehrt geht. Falls man sie irgendwann doch will, kann man das jederzeit verlangen.

Wer die Einrichtung der ePA nicht grundsätzlich ablehnt, der sollte sich vor allem  mit § 343 Absatz 1a befassen. Dort ist aufgeführt, welchen Details und Anwendungen man gesondert widersprechen kann.

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